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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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mern wie die Schaben und Grillen die Wärme
liebte und das Licht floh und weil ihn alle
Menschen von bloßem Verstande drückten --
den Tadel zu Albano, daß die Fürstin ihm mit
ihrem kalten witzigen Verstande mißfalle; aber
der Graf konnte -- aus Achtung für die väter¬
liche Geliebte und aus Haß gegen ihre Opfer¬
priester und Schächter -- ein Wesen nur bedau¬
ern, das vielleicht jetzt hassen muß, weil seine
größte Liebe untergieng. Wie viele edle Wei¬
ber, die es sonst für höher hielten, zu bewun¬
dern als bewundert zu werden, wurden kräf¬
tig, kenntnißreich beinahe groß, aber unglücklich
und kokett und kalt, weil sie nur ein Paar Ar¬
me fanden, aber kein Herz dazu, und weil ihre
heiße hingegebne Seele kein Ebenbild antraf,
womit eine Frau gerade ein unähnliches meint,
nämlich ein höheres Bild! Der Baum mit den
erfrornen Blüthen steht dann im Herbste hoch,
breit, grün und frisch und dunkel vom Laube
da, aber mit leeren Zweigen ohne Früchte.

Endlich kam man aus den schwülen Spei¬
sesälen in den frischen Lilars-Abend ins Freie
und zur Freiheit. Halb zürnend, halb liebes¬

mern wie die Schaben und Grillen die Wärme
liebte und das Licht floh und weil ihn alle
Menſchen von bloßem Verſtande drückten —
den Tadel zu Albano, daß die Fürſtin ihm mit
ihrem kalten witzigen Verſtande mißfalle; aber
der Graf konnte — aus Achtung für die väter¬
liche Geliebte und aus Haß gegen ihre Opfer¬
prieſter und Schächter — ein Weſen nur bedau¬
ern, das vielleicht jetzt haſſen muß, weil ſeine
größte Liebe untergieng. Wie viele edle Wei¬
ber, die es ſonſt für höher hielten, zu bewun¬
dern als bewundert zu werden, wurden kräf¬
tig, kenntnißreich beinahe groß, aber unglücklich
und kokett und kalt, weil ſie nur ein Paar Ar¬
me fanden, aber kein Herz dazu, und weil ihre
heiße hingegebne Seele kein Ebenbild antraf,
womit eine Frau gerade ein unähnliches meint,
nämlich ein höheres Bild! Der Baum mit den
erfrornen Blüthen ſteht dann im Herbſte hoch,
breit, grün und friſch und dunkel vom Laube
da, aber mit leeren Zweigen ohne Früchte.

Endlich kam man aus den ſchwülen Spei¬
ſeſälen in den friſchen Lilars-Abend ins Freie
und zur Freiheit. Halb zürnend, halb liebes¬

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[165/0177] mern wie die Schaben und Grillen die Wärme liebte und das Licht floh und weil ihn alle Menſchen von bloßem Verſtande drückten — den Tadel zu Albano, daß die Fürſtin ihm mit ihrem kalten witzigen Verſtande mißfalle; aber der Graf konnte — aus Achtung für die väter¬ liche Geliebte und aus Haß gegen ihre Opfer¬ prieſter und Schächter — ein Weſen nur bedau¬ ern, das vielleicht jetzt haſſen muß, weil ſeine größte Liebe untergieng. Wie viele edle Wei¬ ber, die es ſonſt für höher hielten, zu bewun¬ dern als bewundert zu werden, wurden kräf¬ tig, kenntnißreich beinahe groß, aber unglücklich und kokett und kalt, weil ſie nur ein Paar Ar¬ me fanden, aber kein Herz dazu, und weil ihre heiße hingegebne Seele kein Ebenbild antraf, womit eine Frau gerade ein unähnliches meint, nämlich ein höheres Bild! Der Baum mit den erfrornen Blüthen ſteht dann im Herbſte hoch, breit, grün und friſch und dunkel vom Laube da, aber mit leeren Zweigen ohne Früchte. Endlich kam man aus den ſchwülen Spei¬ ſeſälen in den friſchen Lilars-Abend ins Freie und zur Freiheit. Halb zürnend, halb liebes¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/177>, abgerufen am 24.11.2024.