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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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Mondlicht war. Dunkel, dunkel lag dem Jüng¬
ling das Leben vor, im langen schwarzmar¬
mornen Säulengang der Jahre schritten die
Schmerzen als Pantherthiere heran und wurden
hell gefleckt unter den weglaufenden Sonnenbli¬
cken der Vergangenheit.

"Das passet ja recht für heute, (fuhr er
"fort,) eine solche schnelle Nacht ohne Abendrö¬
"the -- Lilar muß heute zugedeckt werden --
"blick hinauf zum Mond, wie er sich schwarz
"über die Sonne gewälzt hat, sonst war er auch
"unser Freund -- O, mach' es noch finsterer,
"ganz Nacht!" --

"Albano schone, ich bin unschuldig und ich
"bin blind -- wo ist der Tempel und die Mut¬
"ter?" rief sie jammernd; die Spinnen hatten
die nassen Augen voll Thränen zugewebt.

"Bei dem Teufel; es ist die Sonnenfinster¬
niß" sagt' er, und schauete in das blind herum¬
irrende bange Gesicht und errieth Alles; aber
er konnte nicht weinen, er konnte nicht trösten.
Der schwarze Tyger des grausamsten Schmer¬
zes hieng an seine Brust geklammert und er

Mondlicht war. Dunkel, dunkel lag dem Jüng¬
ling das Leben vor, im langen ſchwarzmar¬
mornen Säulengang der Jahre ſchritten die
Schmerzen als Pantherthiere heran und wurden
hell gefleckt unter den weglaufenden Sonnenbli¬
cken der Vergangenheit.

„Das paſſet ja recht für heute, (fuhr er
„fort,) eine ſolche ſchnelle Nacht ohne Abendrö¬
„the — Lilar muß heute zugedeckt werden —
„blick hinauf zum Mond, wie er ſich ſchwarz
„über die Sonne gewälzt hat, ſonſt war er auch
„unſer Freund — O, mach' es noch finſterer,
„ganz Nacht!“ —

„Albano ſchone, ich bin unſchuldig und ich
„bin blind — wo iſt der Tempel und die Mut¬
„ter?“ rief ſie jammernd; die Spinnen hatten
die naſſen Augen voll Thränen zugewebt.

„Bei dem Teufel; es iſt die Sonnenfinſter¬
niß“ ſagt' er, und ſchauete in das blind herum¬
irrende bange Geſicht und errieth Alles; aber
er konnte nicht weinen, er konnte nicht tröſten.
Der ſchwarze Tyger des grauſamſten Schmer¬
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[213/0225] Mondlicht war. Dunkel, dunkel lag dem Jüng¬ ling das Leben vor, im langen ſchwarzmar¬ mornen Säulengang der Jahre ſchritten die Schmerzen als Pantherthiere heran und wurden hell gefleckt unter den weglaufenden Sonnenbli¬ cken der Vergangenheit. „Das paſſet ja recht für heute, (fuhr er „fort,) eine ſolche ſchnelle Nacht ohne Abendrö¬ „the — Lilar muß heute zugedeckt werden — „blick hinauf zum Mond, wie er ſich ſchwarz „über die Sonne gewälzt hat, ſonſt war er auch „unſer Freund — O, mach' es noch finſterer, „ganz Nacht!“ — „Albano ſchone, ich bin unſchuldig und ich „bin blind — wo iſt der Tempel und die Mut¬ „ter?“ rief ſie jammernd; die Spinnen hatten die naſſen Augen voll Thränen zugewebt. „Bei dem Teufel; es iſt die Sonnenfinſter¬ niß“ ſagt' er, und ſchauete in das blind herum¬ irrende bange Geſicht und errieth Alles; aber er konnte nicht weinen, er konnte nicht tröſten. Der ſchwarze Tyger des grauſamſten Schmer¬ zes hieng an ſeine Bruſt geklammert und er

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/225>, abgerufen am 15.06.2024.