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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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eine Hölle, ins linke ein Fegefeuer gelegt; --
denn so sehr belogen hatt' ihn noch kein Geschick;
nämlich so sehr gebracht um alle seine Projekte
und Prospekte, um das Hofdamenamt der Toch¬
ter, diesen Vorsteckring am Finger der Fürstin,
und endlich um jeden Fang seines doppelt ge¬
webten Gespinnstes.

Unsäglich wehrte sich der Mann vor dem
Löffel, worin ihm das Schicksal das Pulver
vorhielt, auf welches er die verschluckten De¬
mante seiner Plane sollte fahren lassen; er hielt
die stärksten Sermone -- so hieß er, wie Ho¬
raz, seine Satyren -- gegen "seine Weiber";
er war ein Kriegsgott, ein Höllengott, ein Thier,
ein Unthier, ein Satan, Alles -- er war im
Stande, jetzt Alles zu unternehmen -- aber was
halfs? --

Viel, als gerade der deutsche Herr ihn in
dieser moralischen Stimmung betraf. Solcher
trug kein Bedenken, das väterliche Versprechen
der Tochter für die Miniatur-Mahlerei wieder
aufzufrischen und in Anspruch zu nehmen; er
war übrigens allwissend und schien unwissend.
Für die Sitz-Szene hatt' Blinden er eig¬

eine Hölle, ins linke ein Fegefeuer gelegt; —
denn ſo ſehr belogen hatt' ihn noch kein Geſchick;
nämlich ſo ſehr gebracht um alle ſeine Projekte
und Proſpekte, um das Hofdamenamt der Toch¬
ter, dieſen Vorſteckring am Finger der Fürſtin,
und endlich um jeden Fang ſeines doppelt ge¬
webten Geſpinnſtes.

Unſäglich wehrte ſich der Mann vor dem
Löffel, worin ihm das Schickſal das Pulver
vorhielt, auf welches er die verſchluckten De¬
mante ſeiner Plane ſollte fahren laſſen; er hielt
die ſtärkſten Sermone — ſo hieß er, wie Ho¬
raz, ſeine Satyren — gegen „ſeine Weiber“;
er war ein Kriegsgott, ein Höllengott, ein Thier,
ein Unthier, ein Satan, Alles — er war im
Stande, jetzt Alles zu unternehmen — aber was
halfs? —

Viel, als gerade der deutſche Herr ihn in
dieſer moraliſchen Stimmung betraf. Solcher
trug kein Bedenken, das väterliche Verſprechen
der Tochter für die Miniatur-Mahlerei wieder
aufzufriſchen und in Anſpruch zu nehmen; er
war übrigens allwiſſend und ſchien unwiſſend.
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[236/0248] eine Hölle, ins linke ein Fegefeuer gelegt; — denn ſo ſehr belogen hatt' ihn noch kein Geſchick; nämlich ſo ſehr gebracht um alle ſeine Projekte und Proſpekte, um das Hofdamenamt der Toch¬ ter, dieſen Vorſteckring am Finger der Fürſtin, und endlich um jeden Fang ſeines doppelt ge¬ webten Geſpinnſtes. Unſäglich wehrte ſich der Mann vor dem Löffel, worin ihm das Schickſal das Pulver vorhielt, auf welches er die verſchluckten De¬ mante ſeiner Plane ſollte fahren laſſen; er hielt die ſtärkſten Sermone — ſo hieß er, wie Ho¬ raz, ſeine Satyren — gegen „ſeine Weiber“; er war ein Kriegsgott, ein Höllengott, ein Thier, ein Unthier, ein Satan, Alles — er war im Stande, jetzt Alles zu unternehmen — aber was halfs? — Viel, als gerade der deutſche Herr ihn in dieſer moraliſchen Stimmung betraf. Solcher trug kein Bedenken, das väterliche Verſprechen der Tochter für die Miniatur-Mahlerei wieder aufzufriſchen und in Anſpruch zu nehmen; er war übrigens allwiſſend und ſchien unwiſſend. Für die Sitz-Szene hatt' Blinden er eig¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/248>, abgerufen am 27.11.2024.