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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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Leben, das so wie es fortrückt, gleich den fort¬
rückenden Gletschern, alte Leichen aufdeckt! So
wie der Glückliche seine Liebe eines Individu¬
ums wärmend über die Menschheit ausbreitet,
so hält der Menschenfeind den stechenden Brenn¬
oder Frostpunkt seiner weiten Kälte gegen die
Menschheit auf Einen großen Feind allein, in¬
deß vorher jede kleinere Beleidigung dem Ein¬
zelnen vergeben, und nur der gesammten Mensch¬
heit angeschrieben wurde.

Das war also jene geheime Unterredung,
deren Spuren Albano für schönere Bewegun¬
gen genommen hatte als des Hasses. "Als Du
nun (sagte der Ritter jetzt gerade heraus, um
mit der schneidenden Frechheit sein Hochgefühl
zu strafen,) die kurz- und dunkelgefaßte An¬
rede: Eine Mutter! hieltest, mußt' ich Dich für
den Vater nehmen, und daraus magst Du
leicht das Übrige erklären." -- "Vater, (sagt'
er) das war schreiend unrecht gegen jeden";
und schied mit drei heissen Wunden, vom Drei¬
zack des Schicksals gerissen. Beim Abschiede
erinnerte ihn Gaspard, sein Wort der monat¬
lichen Zurückkunft zu halten, und fügte noch

Leben, das ſo wie es fortrückt, gleich den fort¬
rückenden Gletſchern, alte Leichen aufdeckt! So
wie der Glückliche ſeine Liebe eines Individu¬
ums wärmend über die Menſchheit ausbreitet,
ſo hält der Menſchenfeind den ſtechenden Brenn¬
oder Froſtpunkt ſeiner weiten Kälte gegen die
Menſchheit auf Einen großen Feind allein, in¬
deß vorher jede kleinere Beleidigung dem Ein¬
zelnen vergeben, und nur der geſammten Menſch¬
heit angeſchrieben wurde.

Das war alſo jene geheime Unterredung,
deren Spuren Albano für ſchönere Bewegun¬
gen genommen hatte als des Haſſes. „Als Du
nun (ſagte der Ritter jetzt gerade heraus, um
mit der ſchneidenden Frechheit ſein Hochgefühl
zu ſtrafen,) die kurz- und dunkelgefaßte An¬
rede: Eine Mutter! hielteſt, mußt' ich Dich für
den Vater nehmen, und daraus magſt Du
leicht das Übrige erklären.“ — „Vater, (ſagt'
er) das war ſchreiend unrecht gegen jeden“;
und ſchied mit drei heiſſen Wunden, vom Drei¬
zack des Schickſals geriſſen. Beim Abſchiede
erinnerte ihn Gaſpard, ſein Wort der monat¬
lichen Zurückkunft zu halten, und fügte noch

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[93/0105] Leben, das ſo wie es fortrückt, gleich den fort¬ rückenden Gletſchern, alte Leichen aufdeckt! So wie der Glückliche ſeine Liebe eines Individu¬ ums wärmend über die Menſchheit ausbreitet, ſo hält der Menſchenfeind den ſtechenden Brenn¬ oder Froſtpunkt ſeiner weiten Kälte gegen die Menſchheit auf Einen großen Feind allein, in¬ deß vorher jede kleinere Beleidigung dem Ein¬ zelnen vergeben, und nur der geſammten Menſch¬ heit angeſchrieben wurde. Das war alſo jene geheime Unterredung, deren Spuren Albano für ſchönere Bewegun¬ gen genommen hatte als des Haſſes. „Als Du nun (ſagte der Ritter jetzt gerade heraus, um mit der ſchneidenden Frechheit ſein Hochgefühl zu ſtrafen,) die kurz- und dunkelgefaßte An¬ rede: Eine Mutter! hielteſt, mußt' ich Dich für den Vater nehmen, und daraus magſt Du leicht das Übrige erklären.“ — „Vater, (ſagt' er) das war ſchreiend unrecht gegen jeden“; und ſchied mit drei heiſſen Wunden, vom Drei¬ zack des Schickſals geriſſen. Beim Abſchiede erinnerte ihn Gaſpard, ſein Wort der monat¬ lichen Zurückkunft zu halten, und fügte noch

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/105>, abgerufen am 04.12.2024.