"Es giebt aber nichts Wunderbares" sagte der Ritter. "Woher wissen wir alsdann, daß es "etwas Natürliches giebt?" sagte Albano. "Das Wunder, (versetzte Gaspard,) oder die "Geisterwelt wohnt nur im Geiste." -- "Wir "müssen uns, (fuhr jener fort,) auch bei den ge¬ "meinsten optischen Kunststücken auf etwas an¬ "deres als auf die Auflösung des Trugs der "Phantasie in einen Trug der Sinnen freuen, "weil uns sonst nach der Auflösung das Zau¬ "berwerk mehr gefallen müßte als vorher. Das "sind die Stillen und Pole der menschlichen "Natur, worüber die ewigen Polarwolken hän¬ "gen. Unsere Landkarten vom Wahrheits- und "Geisterreiche sind die Landkartensteine, welche "Ruinen und Dörfer abbilden; diese sind er¬ "logen, aber doch ähnlich. Der Geist, ewig "unter Körper gebannt, will Geister." -- Un¬ gefähr so meint' ich auch, sagte Gaspard.
Albano drang aber bestimmter auf dessen Urtheil über den Kahlkopf und die Schwester. "Von etwas anderem, (sagte der Ritter ganz "verdrüßlich,) für mich ist's ein sehr unangeneh¬ "mes Gespräch. Nimm die Welt nach deiner
„Es giebt aber nichts Wunderbares“ ſagte der Ritter. „Woher wiſſen wir alsdann, daß es „etwas Natürliches giebt?“ ſagte Albano. „Das Wunder, (verſetzte Gaſpard,) oder die „Geiſterwelt wohnt nur im Geiſte.“ — „Wir „müſſen uns, (fuhr jener fort,) auch bei den ge¬ „meinſten optiſchen Kunſtſtücken auf etwas an¬ „deres als auf die Auflöſung des Trugs der „Phantaſie in einen Trug der Sinnen freuen, „weil uns ſonſt nach der Auflöſung das Zau¬ „berwerk mehr gefallen müßte als vorher. Das „ſind die Stillen und Pole der menſchlichen „Natur, worüber die ewigen Polarwolken hän¬ „gen. Unſere Landkarten vom Wahrheits- und „Geiſterreiche ſind die Landkartenſteine, welche „Ruinen und Dörfer abbilden; dieſe ſind er¬ „logen, aber doch ähnlich. Der Geiſt, ewig „unter Körper gebannt, will Geiſter.“ — Un¬ gefähr ſo meint' ich auch, ſagte Gaſpard.
Albano drang aber beſtimmter auf deſſen Urtheil über den Kahlkopf und die Schweſter. „Von etwas anderem, (ſagte der Ritter ganz „verdrüßlich,) für mich iſt's ein ſehr unangeneh¬ „mes Geſpräch. Nimm die Welt nach deiner
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0017"n="5"/>„Es giebt aber nichts Wunderbares“ſagte der<lb/>
Ritter. „Woher wiſſen wir alsdann, daß es<lb/>„etwas Natürliches giebt?“ſagte Albano.<lb/>„Das Wunder, (verſetzte Gaſpard,) oder die<lb/>„Geiſterwelt wohnt nur im Geiſte.“—„Wir<lb/>„müſſen uns, (fuhr jener fort,) auch bei den ge¬<lb/>„meinſten optiſchen Kunſtſtücken auf etwas an¬<lb/>„deres als auf die Auflöſung des Trugs der<lb/>„Phantaſie in einen Trug der Sinnen freuen,<lb/>„weil uns ſonſt <hirendition="#g">nach</hi> der Auflöſung das Zau¬<lb/>„berwerk mehr gefallen müßte als vorher. Das<lb/>„ſind die Stillen und Pole der menſchlichen<lb/>„Natur, worüber die ewigen Polarwolken hän¬<lb/>„gen. Unſere Landkarten vom Wahrheits- und<lb/>„Geiſterreiche ſind die Landkartenſteine, welche<lb/>„Ruinen und Dörfer abbilden; dieſe ſind <hirendition="#g">er¬</hi><lb/>„<hirendition="#g">logen</hi>, aber doch <hirendition="#g">ähnlich</hi>. Der Geiſt, ewig<lb/>„unter Körper gebannt, will Geiſter.“— Un¬<lb/>
gefähr ſo meint' ich auch, ſagte Gaſpard.</p><lb/><p>Albano drang aber beſtimmter auf deſſen<lb/>
Urtheil über den Kahlkopf und die Schweſter.<lb/>„Von etwas anderem, (ſagte der Ritter ganz<lb/>„verdrüßlich,) für mich iſt's ein ſehr unangeneh¬<lb/>„mes Geſpräch. Nimm die Welt nach <hirendition="#g">deiner</hi><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[5/0017]
„Es giebt aber nichts Wunderbares“ ſagte der
Ritter. „Woher wiſſen wir alsdann, daß es
„etwas Natürliches giebt?“ ſagte Albano.
„Das Wunder, (verſetzte Gaſpard,) oder die
„Geiſterwelt wohnt nur im Geiſte.“ — „Wir
„müſſen uns, (fuhr jener fort,) auch bei den ge¬
„meinſten optiſchen Kunſtſtücken auf etwas an¬
„deres als auf die Auflöſung des Trugs der
„Phantaſie in einen Trug der Sinnen freuen,
„weil uns ſonſt nach der Auflöſung das Zau¬
„berwerk mehr gefallen müßte als vorher. Das
„ſind die Stillen und Pole der menſchlichen
„Natur, worüber die ewigen Polarwolken hän¬
„gen. Unſere Landkarten vom Wahrheits- und
„Geiſterreiche ſind die Landkartenſteine, welche
„Ruinen und Dörfer abbilden; dieſe ſind er¬
„logen, aber doch ähnlich. Der Geiſt, ewig
„unter Körper gebannt, will Geiſter.“ — Un¬
gefähr ſo meint' ich auch, ſagte Gaſpard.
Albano drang aber beſtimmter auf deſſen
Urtheil über den Kahlkopf und die Schweſter.
„Von etwas anderem, (ſagte der Ritter ganz
„verdrüßlich,) für mich iſt's ein ſehr unangeneh¬
„mes Geſpräch. Nimm die Welt nach deiner
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/17>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.