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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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ihren Lauten, umrungen von fünf Donnern,
mit weinenden Augen voll Liebe und Freude
vor einander. Heilige Stelle, wo schon so viele
tausend Herzen heilig brannten und seelig wein¬
ten und sagen mußten: das Leben ist groß!
-- Heiter und fest glänzt in der Sonne oben
die Stadt über dem Wasser-Krater dahin --
stolz schauet Vesta's zerrissener Tempel, mit
Mandelblüthe bekränzt, von seinem Felsen auf
die Strudel nieder, die an ihm graben -- und
ihm gegenüber spielet der strudelnde Anio alles
auf einmal vor, was Himmel und Erde Gros¬
ses hat, den Regenbogen, den ewigen Blitz
und den Donner, Regen, Nebel und Erdbeben.

Sie gaben sich Zeichen zu gehen und das
stillere Thal zu suchen. Wie klangen ihnen dar¬
in die Worte: Bruder, Schwester, Linda, wie
neue Menschenlaute im Paradies! Hier, ehe
sie den Hügel voll neuer Wasserstürze, Blitze
und Farben bestiegen, suchten sie sich ihre Reisen
und ihre Nachrichten einander zu erzählen. Ju¬
lienne berichtete die frohe, ihr Bruder, der Fürst,
gebe wieder Hoffnung der Genesung, seitdem er
wachend, wie er betheuere, seinen todten Vater ge¬

ihren Lauten, umrungen von fünf Donnern,
mit weinenden Augen voll Liebe und Freude
vor einander. Heilige Stelle, wo ſchon ſo viele
tauſend Herzen heilig brannten und ſeelig wein¬
ten und ſagen mußten: das Leben iſt groß!
— Heiter und feſt glänzt in der Sonne oben
die Stadt über dem Waſſer-Krater dahin —
ſtolz ſchauet Veſta's zerriſſener Tempel, mit
Mandelblüthe bekränzt, von ſeinem Felſen auf
die Strudel nieder, die an ihm graben — und
ihm gegenüber ſpielet der ſtrudelnde Anio alles
auf einmal vor, was Himmel und Erde Gros¬
ſes hat, den Regenbogen, den ewigen Blitz
und den Donner, Regen, Nebel und Erdbeben.

Sie gaben ſich Zeichen zu gehen und das
ſtillere Thal zu ſuchen. Wie klangen ihnen dar¬
in die Worte: Bruder, Schweſter, Linda, wie
neue Menſchenlaute im Paradies! Hier, ehe
ſie den Hügel voll neuer Waſſerſtürze, Blitze
und Farben beſtiegen, ſuchten ſie ſich ihre Reiſen
und ihre Nachrichten einander zu erzählen. Ju¬
lienne berichtete die frohe, ihr Bruder, der Fürſt,
gebe wieder Hoffnung der Geneſung, ſeitdem er
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[214/0226] ihren Lauten, umrungen von fünf Donnern, mit weinenden Augen voll Liebe und Freude vor einander. Heilige Stelle, wo ſchon ſo viele tauſend Herzen heilig brannten und ſeelig wein¬ ten und ſagen mußten: das Leben iſt groß! — Heiter und feſt glänzt in der Sonne oben die Stadt über dem Waſſer-Krater dahin — ſtolz ſchauet Veſta's zerriſſener Tempel, mit Mandelblüthe bekränzt, von ſeinem Felſen auf die Strudel nieder, die an ihm graben — und ihm gegenüber ſpielet der ſtrudelnde Anio alles auf einmal vor, was Himmel und Erde Gros¬ ſes hat, den Regenbogen, den ewigen Blitz und den Donner, Regen, Nebel und Erdbeben. Sie gaben ſich Zeichen zu gehen und das ſtillere Thal zu ſuchen. Wie klangen ihnen dar¬ in die Worte: Bruder, Schweſter, Linda, wie neue Menſchenlaute im Paradies! Hier, ehe ſie den Hügel voll neuer Waſſerſtürze, Blitze und Farben beſtiegen, ſuchten ſie ſich ihre Reiſen und ihre Nachrichten einander zu erzählen. Ju¬ lienne berichtete die frohe, ihr Bruder, der Fürſt, gebe wieder Hoffnung der Geneſung, ſeitdem er wachend, wie er betheuere, ſeinen todten Vater ge¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/226>, abgerufen am 24.11.2024.