Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

sehen, der ihm längeres Leben versprochen. Die
schöne Linda blühte im Paradies wie eine verhüllte
Göttinn, die ihren Geliebten auf der Erde lan¬
ge suchte und endlich gefunden hat. Sie nahm
oft seine Hand und drückte sie wider ihre Au¬
gen und Lippen und lispelte kaum hörbar, wenn
er mit ihr oder Juliennen sprach: "Lieber! --
Freundlicher Mensch!" -- Über die Gegend
schwieg sie; denn über jede sprach sie erst, wenn
sie aus ihr gekommen war.

Julienne, über die brüderliche Genesung so
froh, fieng allerlei Scherze an, sagte, daß sie
bedauere, aus Neapel ihrem Ludwig ein ver¬
gebliches Spezifikum gegen sein Übel gesandt
zu haben und fragte endlich Albano: "kennst
Du nicht einen Jüngling Nahmens Cardito,
er will Dich kennen?" -- Er sagte nein, er¬
zählte aber, ein kleiner stämmiger Mensch hab'
ihn hier zu kennen geschienen und zur Kaskade
gewiesen. Julienne fuhr auf und sagte, es sey
entschieden der Haarhaarische Prinz, der auf
Luigi's Tod und Thron so boshaft hoffe, er
wohne in Tivoli im Hause des Herzogs von
Modena und gehe gewißlich als ihrer aller

ſehen, der ihm längeres Leben verſprochen. Die
ſchöne Linda blühte im Paradies wie eine verhüllte
Göttinn, die ihren Geliebten auf der Erde lan¬
ge ſuchte und endlich gefunden hat. Sie nahm
oft ſeine Hand und drückte ſie wider ihre Au¬
gen und Lippen und liſpelte kaum hörbar, wenn
er mit ihr oder Juliennen ſprach: „Lieber! —
Freundlicher Menſch!“ — Über die Gegend
ſchwieg ſie; denn über jede ſprach ſie erſt, wenn
ſie aus ihr gekommen war.

Julienne, über die brüderliche Geneſung ſo
froh, fieng allerlei Scherze an, ſagte, daß ſie
bedauere, aus Neapel ihrem Ludwig ein ver¬
gebliches Spezifikum gegen ſein Übel geſandt
zu haben und fragte endlich Albano: „kennſt
Du nicht einen Jüngling Nahmens Cardito,
er will Dich kennen?“ — Er ſagte nein, er¬
zählte aber, ein kleiner ſtämmiger Menſch hab'
ihn hier zu kennen geſchienen und zur Kaskade
gewieſen. Julienne fuhr auf und ſagte, es ſey
entſchieden der Haarhaariſche Prinz, der auf
Luigi's Tod und Thron ſo boshaft hoffe, er
wohne in Tivoli im Hauſe des Herzogs von
Modena und gehe gewißlich als ihrer aller

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0227" n="215"/>
&#x017F;ehen, der ihm längeres Leben ver&#x017F;prochen. Die<lb/>
&#x017F;chöne Linda blühte im Paradies wie eine verhüllte<lb/>
Göttinn, die ihren Geliebten auf der Erde lan¬<lb/>
ge &#x017F;uchte und endlich gefunden hat. Sie nahm<lb/>
oft &#x017F;eine Hand und drückte &#x017F;ie wider ihre Au¬<lb/>
gen und Lippen und li&#x017F;pelte kaum hörbar, wenn<lb/>
er mit ihr oder Juliennen &#x017F;prach: &#x201E;Lieber! &#x2014;<lb/>
Freundlicher Men&#x017F;ch!&#x201C; &#x2014; Über die Gegend<lb/>
&#x017F;chwieg &#x017F;ie; denn über jede &#x017F;prach &#x017F;ie er&#x017F;t, wenn<lb/>
&#x017F;ie aus ihr gekommen war.</p><lb/>
          <p>Julienne, über die brüderliche Gene&#x017F;ung &#x017F;o<lb/>
froh, fieng allerlei Scherze an, &#x017F;agte, daß &#x017F;ie<lb/>
bedauere, aus Neapel ihrem Ludwig ein ver¬<lb/>
gebliches Spezifikum gegen &#x017F;ein Übel ge&#x017F;andt<lb/>
zu haben und fragte endlich Albano: &#x201E;kenn&#x017F;t<lb/>
Du nicht einen Jüngling Nahmens <hi rendition="#aq">Cardito</hi>,<lb/>
er will Dich kennen?&#x201C; &#x2014; Er &#x017F;agte nein, er¬<lb/>
zählte aber, ein kleiner &#x017F;tämmiger Men&#x017F;ch hab'<lb/>
ihn hier zu kennen ge&#x017F;chienen und zur Kaskade<lb/>
gewie&#x017F;en. Julienne fuhr auf und &#x017F;agte, es &#x017F;ey<lb/>
ent&#x017F;chieden der Haarhaari&#x017F;che Prinz, der auf<lb/>
Luigi's Tod und Thron &#x017F;o boshaft hoffe, er<lb/>
wohne in Tivoli im Hau&#x017F;e des Herzogs von<lb/>
Modena und gehe gewißlich als ihrer aller<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0227] ſehen, der ihm längeres Leben verſprochen. Die ſchöne Linda blühte im Paradies wie eine verhüllte Göttinn, die ihren Geliebten auf der Erde lan¬ ge ſuchte und endlich gefunden hat. Sie nahm oft ſeine Hand und drückte ſie wider ihre Au¬ gen und Lippen und liſpelte kaum hörbar, wenn er mit ihr oder Juliennen ſprach: „Lieber! — Freundlicher Menſch!“ — Über die Gegend ſchwieg ſie; denn über jede ſprach ſie erſt, wenn ſie aus ihr gekommen war. Julienne, über die brüderliche Geneſung ſo froh, fieng allerlei Scherze an, ſagte, daß ſie bedauere, aus Neapel ihrem Ludwig ein ver¬ gebliches Spezifikum gegen ſein Übel geſandt zu haben und fragte endlich Albano: „kennſt Du nicht einen Jüngling Nahmens Cardito, er will Dich kennen?“ — Er ſagte nein, er¬ zählte aber, ein kleiner ſtämmiger Menſch hab' ihn hier zu kennen geſchienen und zur Kaskade gewieſen. Julienne fuhr auf und ſagte, es ſey entſchieden der Haarhaariſche Prinz, der auf Luigi's Tod und Thron ſo boshaft hoffe, er wohne in Tivoli im Hauſe des Herzogs von Modena und gehe gewißlich als ihrer aller

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/227
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/227>, abgerufen am 23.11.2024.