den nicht nur, sondern wie ein Äquilibrist, auf Nase und Mund, die Leidliche! Kaum sah sie das Bild, so rief sie: ""Mutter, Mutter!"" und fuhr immer über die Augen, klagend, daß sie jetzt noch schlechter wären als sonst. Ich hob wieder das Schaben an und grub endlich vor ihren Augen meinen ganzen Nahmen Lö¬ wenskiould aus, sogar mit dem Beisatz, der mir entfallen war: liebt sehr."
""Der Mahler hieß so? (fragte sie.) Sie sind's? -- Sie liebten auch?"" -- ""Schön¬ heit ist eine Klippe, (versetzt' ich ernst,) an der denn ein und der andere Mann zu scheitern sucht, weil sie voll Perlen und Austern sitzt."" Freundlich bat sie mich um die deutlichste Wieder¬ holung der Wiederholung, sie wolle besser aufmer¬ ken; Hören und Denken werd' ihr jetzt so schwer als leben. Albano, Ihr hättet mich mit mehr Vor¬ kenntnissen zu ihr abschicken sollen. So aber wurd' ich halb verwirrt und neblig und als ihr un¬ ter meiner Schilderei der Langsee-Insel etwas Nasses aus den Augen sprang, sank ich in den Tropfen hinein und ersoff beinahe darin und wurd' erst spät von mir ins Leben gerieben.
den nicht nur, ſondern wie ein Äquilibriſt, auf Naſe und Mund, die Leidliche! Kaum ſah ſie das Bild, ſo rief ſie: „„Mutter, Mutter!““ und fuhr immer über die Augen, klagend, daß ſie jetzt noch ſchlechter wären als ſonſt. Ich hob wieder das Schaben an und grub endlich vor ihren Augen meinen ganzen Nahmen Lö¬ wenskiould aus, ſogar mit dem Beiſatz, der mir entfallen war: liebt sehr.“
„„Der Mahler hieß ſo? (fragte ſie.) Sie ſind's? — Sie liebten auch?““ — „„Schön¬ heit iſt eine Klippe, (verſetzt' ich ernſt,) an der denn ein und der andere Mann zu ſcheitern ſucht, weil ſie voll Perlen und Auſtern ſitzt.““ Freundlich bat ſie mich um die deutlichſte Wieder¬ holung der Wiederholung, ſie wolle beſſer aufmer¬ ken; Hören und Denken werd' ihr jetzt ſo ſchwer als leben. Albano, Ihr hättet mich mit mehr Vor¬ kenntniſſen zu ihr abſchicken ſollen. So aber wurd' ich halb verwirrt und neblig und als ihr un¬ ter meiner Schilderei der Langſee-Inſel etwas Naſſes aus den Augen ſprang, ſank ich in den Tropfen hinein und erſoff beinahe darin und wurd' erſt ſpät von mir ins Leben gerieben.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0475"n="463"/>
den nicht nur, ſondern wie ein Äquilibriſt, auf<lb/>
Naſe und Mund, die Leidliche! Kaum ſah ſie<lb/>
das Bild, ſo rief ſie: „„Mutter, Mutter!““<lb/>
und fuhr immer über die Augen, klagend, daß<lb/>ſie jetzt noch ſchlechter wären als ſonſt. Ich<lb/>
hob wieder das Schaben an und grub endlich<lb/>
vor ihren Augen meinen ganzen Nahmen <hirendition="#aq">Lö¬<lb/>
wenskiould</hi> aus, ſogar mit dem Beiſatz, der mir<lb/>
entfallen war: <hirendition="#aq">liebt sehr</hi>.“</p><lb/><p>„„Der Mahler hieß ſo? (fragte ſie.) Sie<lb/>ſind's? — Sie liebten auch?““—„„Schön¬<lb/>
heit iſt eine Klippe, (verſetzt' ich ernſt,) an der<lb/>
denn ein und der andere Mann zu ſcheitern<lb/>ſucht, weil ſie voll Perlen und Auſtern ſitzt.““<lb/>
Freundlich bat ſie mich um die deutlichſte Wieder¬<lb/>
holung der Wiederholung, ſie wolle beſſer aufmer¬<lb/>
ken; Hören und Denken werd' ihr jetzt ſo ſchwer<lb/>
als leben. Albano, Ihr hättet mich mit mehr Vor¬<lb/>
kenntniſſen zu ihr abſchicken ſollen. So aber wurd'<lb/>
ich halb verwirrt und neblig und als ihr un¬<lb/>
ter meiner Schilderei der Langſee-Inſel etwas<lb/>
Naſſes aus den Augen ſprang, ſank ich in den<lb/>
Tropfen hinein und erſoff beinahe darin und<lb/>
wurd' erſt ſpät von mir ins Leben gerieben.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[463/0475]
den nicht nur, ſondern wie ein Äquilibriſt, auf
Naſe und Mund, die Leidliche! Kaum ſah ſie
das Bild, ſo rief ſie: „„Mutter, Mutter!““
und fuhr immer über die Augen, klagend, daß
ſie jetzt noch ſchlechter wären als ſonſt. Ich
hob wieder das Schaben an und grub endlich
vor ihren Augen meinen ganzen Nahmen Lö¬
wenskiould aus, ſogar mit dem Beiſatz, der mir
entfallen war: liebt sehr.“
„„Der Mahler hieß ſo? (fragte ſie.) Sie
ſind's? — Sie liebten auch?““ — „„Schön¬
heit iſt eine Klippe, (verſetzt' ich ernſt,) an der
denn ein und der andere Mann zu ſcheitern
ſucht, weil ſie voll Perlen und Auſtern ſitzt.““
Freundlich bat ſie mich um die deutlichſte Wieder¬
holung der Wiederholung, ſie wolle beſſer aufmer¬
ken; Hören und Denken werd' ihr jetzt ſo ſchwer
als leben. Albano, Ihr hättet mich mit mehr Vor¬
kenntniſſen zu ihr abſchicken ſollen. So aber wurd'
ich halb verwirrt und neblig und als ihr un¬
ter meiner Schilderei der Langſee-Inſel etwas
Naſſes aus den Augen ſprang, ſank ich in den
Tropfen hinein und erſoff beinahe darin und
wurd' erſt ſpät von mir ins Leben gerieben.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/475>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.