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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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den nicht nur, sondern wie ein Äquilibrist, auf
Nase und Mund, die Leidliche! Kaum sah sie
das Bild, so rief sie: ""Mutter, Mutter!""
und fuhr immer über die Augen, klagend, daß
sie jetzt noch schlechter wären als sonst. Ich
hob wieder das Schaben an und grub endlich
vor ihren Augen meinen ganzen Nahmen Lö¬
wenskiould
aus, sogar mit dem Beisatz, der mir
entfallen war: liebt sehr."

""Der Mahler hieß so? (fragte sie.) Sie
sind's? -- Sie liebten auch?"" -- ""Schön¬
heit ist eine Klippe, (versetzt' ich ernst,) an der
denn ein und der andere Mann zu scheitern
sucht, weil sie voll Perlen und Austern sitzt.""
Freundlich bat sie mich um die deutlichste Wieder¬
holung der Wiederholung, sie wolle besser aufmer¬
ken; Hören und Denken werd' ihr jetzt so schwer
als leben. Albano, Ihr hättet mich mit mehr Vor¬
kenntnissen zu ihr abschicken sollen. So aber wurd'
ich halb verwirrt und neblig und als ihr un¬
ter meiner Schilderei der Langsee-Insel etwas
Nasses aus den Augen sprang, sank ich in den
Tropfen hinein und ersoff beinahe darin und
wurd' erst spät von mir ins Leben gerieben.

den nicht nur, ſondern wie ein Äquilibriſt, auf
Naſe und Mund, die Leidliche! Kaum ſah ſie
das Bild, ſo rief ſie: „„Mutter, Mutter!““
und fuhr immer über die Augen, klagend, daß
ſie jetzt noch ſchlechter wären als ſonſt. Ich
hob wieder das Schaben an und grub endlich
vor ihren Augen meinen ganzen Nahmen Lö¬
wenskiould
aus, ſogar mit dem Beiſatz, der mir
entfallen war: liebt sehr.“

„„Der Mahler hieß ſo? (fragte ſie.) Sie
ſind's? — Sie liebten auch?““ — „„Schön¬
heit iſt eine Klippe, (verſetzt' ich ernſt,) an der
denn ein und der andere Mann zu ſcheitern
ſucht, weil ſie voll Perlen und Auſtern ſitzt.““
Freundlich bat ſie mich um die deutlichſte Wieder¬
holung der Wiederholung, ſie wolle beſſer aufmer¬
ken; Hören und Denken werd' ihr jetzt ſo ſchwer
als leben. Albano, Ihr hättet mich mit mehr Vor¬
kenntniſſen zu ihr abſchicken ſollen. So aber wurd'
ich halb verwirrt und neblig und als ihr un¬
ter meiner Schilderei der Langſee-Inſel etwas
Naſſes aus den Augen ſprang, ſank ich in den
Tropfen hinein und erſoff beinahe darin und
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[463/0475] den nicht nur, ſondern wie ein Äquilibriſt, auf Naſe und Mund, die Leidliche! Kaum ſah ſie das Bild, ſo rief ſie: „„Mutter, Mutter!““ und fuhr immer über die Augen, klagend, daß ſie jetzt noch ſchlechter wären als ſonſt. Ich hob wieder das Schaben an und grub endlich vor ihren Augen meinen ganzen Nahmen Lö¬ wenskiould aus, ſogar mit dem Beiſatz, der mir entfallen war: liebt sehr.“ „„Der Mahler hieß ſo? (fragte ſie.) Sie ſind's? — Sie liebten auch?““ — „„Schön¬ heit iſt eine Klippe, (verſetzt' ich ernſt,) an der denn ein und der andere Mann zu ſcheitern ſucht, weil ſie voll Perlen und Auſtern ſitzt.““ Freundlich bat ſie mich um die deutlichſte Wieder¬ holung der Wiederholung, ſie wolle beſſer aufmer¬ ken; Hören und Denken werd' ihr jetzt ſo ſchwer als leben. Albano, Ihr hättet mich mit mehr Vor¬ kenntniſſen zu ihr abſchicken ſollen. So aber wurd' ich halb verwirrt und neblig und als ihr un¬ ter meiner Schilderei der Langſee-Inſel etwas Naſſes aus den Augen ſprang, ſank ich in den Tropfen hinein und erſoff beinahe darin und wurd' erſt ſpät von mir ins Leben gerieben.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/475>, abgerufen am 22.11.2024.