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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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die Sünden zu vergeben und zu behalten.
wie sie. Die Meinung löset so wohl, was von dem Gesetze unter-
lassen wird, und bindet, was vorbehalten ist. Also gehöret
die Macht zu lösen und zu binden, die Petro gegeben worden,
nicht zu denen Haupt-Sünden der Gläubigen.

§. IX.

Es wäre aber nicht allein eine Verwegenheit/Wie die
Vergebung
der Sün-
den in der
ersten Kir-
che beschaf-
fen gewe-
sen.

sondern ich würde mich auch einer grosen Unwissenheit in
denen Kirchen-Antiquitäten schuldig machen/ wenn ich sagen
wolte/ es sey gantz und gar keine Vergebung der Sünden
nach der Apostel Zeiten/ bey denen ersten Christen gewesen
a). Allerdings wurden die Sünden vergeben/ deren Ver-
gebung
und Behaltung aber von der Apostolischen und heu-
te zu Tage gebräuchlichen gantz unterschieden ware. Die
Kirche b) vergabe das ihr angethane Unrecht/ welche Macht
aber nicht aus einer göttlichen Einsetzung, oder aus einem

Apo-
a) Denn wer weiß nicht, daß bey denen alten Scribenten die Wor-Die Worte,
Busse und Ver-
gebung kom-
men öffters
für.

te Busse und Vergebung zum öfftern vorkommen, daß die Kir-
chen-Väter davon ein grosses aufheben machen. Wer wolte also
zweiffeln, daß dazumahl die Sünden vergeben und behalten wor-
den. Wie aber die Sache eigentlich beschaffen gewesen; soll
besonders, wenn ich auf den Bann und Kirchen-Busse zu reden
komme, ausgeführet werden.
b) Das ist: die gantze Gemeine und Versammlung der Christen;Was das Wort
Kirche ange-
deutet in der
ersten Zeit.

denn die Kirche ware dazumahl noch nicht zu einer besondern Re-
public
gemacht worden, man richtete ihre Verfassung noch nicht
nach einem bürgerlichen gemeinem Wesen ein. Jhre Wohlfahrt
ware noch nicht in der Herrschafft der Geistlichkeit oder im Uber-
fluß an Gütern gesuchet. Die Kirchen-Gesetze wurden noch nicht
zu einem Werckzeug der geistlichen Herrschafft gemacht. Durch
die Benahmung der Kirche würden entweder die Gläubigen
insgesamt, durch die gantze Welt, oder auch die Gläubigen an ei-
nem gewissen Ort, ob sie gleich keinen besondern Gottesdienst hat-
ten, oder die gläubigen, so wegen des Gottesdiensts an einem Ort
versammlet waren, oder eine jede Menge Leute angedeutet.
c) Pli-
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die Suͤnden zu vergeben und zu behalten.
wie ſie. Die Meinung loͤſet ſo wohl, was von dem Geſetze unter-
laſſen wird, und bindet, was vorbehalten iſt. Alſo gehoͤret
die Macht zu loͤſen und zu binden, die Petro gegeben worden,
nicht zu denen Haupt-Suͤnden der Glaͤubigen.

§. IX.

Es waͤre aber nicht allein eine Verwegenheit/Wie die
Vergebung
der Suͤn-
den in der
erſten Kir-
che beſchaf-
fen gewe-
ſen.

ſondern ich wuͤrde mich auch einer groſen Unwiſſenheit in
denen Kirchen-Antiquitaͤten ſchuldig machen/ wenn ich ſagen
wolte/ es ſey gantz und gar keine Vergebung der Suͤnden
nach der Apoſtel Zeiten/ bey denen erſten Chriſten geweſen
a). Allerdings wurden die Suͤnden vergeben/ deren Ver-
gebung
und Behaltung aber von der Apoſtoliſchen und heu-
te zu Tage gebraͤuchlichen gantz unterſchieden ware. Die
Kirche b) vergabe das ihr angethane Unrecht/ welche Macht
aber nicht aus einer goͤttlichen Einſetzung, oder aus einem

Apo-
a) Denn wer weiß nicht, daß bey denen alten Scribenten die Wor-Die Worte,
Buſſe und Veꝛ-
gebung kom-
men oͤffters
fuͤr.

te Buſſe und Vergebung zum oͤfftern vorkommen, daß die Kir-
chen-Vaͤter davon ein groſſes aufheben machen. Wer wolte alſo
zweiffeln, daß dazumahl die Suͤnden vergeben und behalten wor-
den. Wie aber die Sache eigentlich beſchaffen geweſen; ſoll
beſonders, wenn ich auf den Bann und Kirchen-Buſſe zu reden
komme, ausgefuͤhret werden.
b) Das iſt: die gantze Gemeine und Verſammlung der Chriſten;Was das Woꝛt
Kirche ange-
deutet in der
erſten Zeit.

denn die Kirche ware dazumahl noch nicht zu einer beſondern Re-
public
gemacht worden, man richtete ihre Verfaſſung noch nicht
nach einem buͤrgerlichen gemeinem Weſen ein. Jhre Wohlfahrt
ware noch nicht in der Herrſchafft der Geiſtlichkeit oder im Uber-
fluß an Guͤtern geſuchet. Die Kirchen-Geſetze wurden noch nicht
zu einem Werckzeug der geiſtlichen Herrſchafft gemacht. Durch
die Benahmung der Kirche wuͤrden entweder die Glaͤubigen
insgeſamt, durch die gantze Welt, oder auch die Glaͤubigen an ei-
nem gewiſſen Ort, ob ſie gleich keinen beſondern Gottesdienſt hat-
ten, oder die glaͤubigen, ſo wegen des Gottesdienſts an einem Ort
verſammlet waren, oder eine jede Menge Leute angedeutet.
c) Pli-
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[67/0086] die Suͤnden zu vergeben und zu behalten. wie ſie. Die Meinung loͤſet ſo wohl, was von dem Geſetze unter- laſſen wird, und bindet, was vorbehalten iſt. Alſo gehoͤret die Macht zu loͤſen und zu binden, die Petro gegeben worden, nicht zu denen Haupt-Suͤnden der Glaͤubigen. §. IX. Es waͤre aber nicht allein eine Verwegenheit/ ſondern ich wuͤrde mich auch einer groſen Unwiſſenheit in denen Kirchen-Antiquitaͤten ſchuldig machen/ wenn ich ſagen wolte/ es ſey gantz und gar keine Vergebung der Suͤnden nach der Apoſtel Zeiten/ bey denen erſten Chriſten geweſen a). Allerdings wurden die Suͤnden vergeben/ deren Ver- gebung und Behaltung aber von der Apoſtoliſchen und heu- te zu Tage gebraͤuchlichen gantz unterſchieden ware. Die Kirche b) vergabe das ihr angethane Unrecht/ welche Macht aber nicht aus einer goͤttlichen Einſetzung, oder aus einem Apo- Wie die Vergebung der Suͤn- den in der erſten Kir- che beſchaf- fen gewe- ſen. a) Denn wer weiß nicht, daß bey denen alten Scribenten die Wor- te Buſſe und Vergebung zum oͤfftern vorkommen, daß die Kir- chen-Vaͤter davon ein groſſes aufheben machen. Wer wolte alſo zweiffeln, daß dazumahl die Suͤnden vergeben und behalten wor- den. Wie aber die Sache eigentlich beſchaffen geweſen; ſoll beſonders, wenn ich auf den Bann und Kirchen-Buſſe zu reden komme, ausgefuͤhret werden. b) Das iſt: die gantze Gemeine und Verſammlung der Chriſten; denn die Kirche ware dazumahl noch nicht zu einer beſondern Re- public gemacht worden, man richtete ihre Verfaſſung noch nicht nach einem buͤrgerlichen gemeinem Weſen ein. Jhre Wohlfahrt ware noch nicht in der Herrſchafft der Geiſtlichkeit oder im Uber- fluß an Guͤtern geſuchet. Die Kirchen-Geſetze wurden noch nicht zu einem Werckzeug der geiſtlichen Herrſchafft gemacht. Durch die Benahmung der Kirche wuͤrden entweder die Glaͤubigen insgeſamt, durch die gantze Welt, oder auch die Glaͤubigen an ei- nem gewiſſen Ort, ob ſie gleich keinen beſondern Gottesdienſt hat- ten, oder die glaͤubigen, ſo wegen des Gottesdienſts an einem Ort verſammlet waren, oder eine jede Menge Leute angedeutet. c) Pli- i 2

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/86>, abgerufen am 26.11.2024.