um die Marksteine, und es ist besser, ich lasse es bleiben.
Dann wieder nach einer Weile:
Daß auch so viele Leute weder Hölle noch Ge- spenster glauben! Der alte Schreiber glaubte von allem kein Wort; und der Vicari -- es ist bey Gott! nicht möglich, daß er etwas geglaubt hat; aber der Schreiber, der sagte es überlaut und wohl hundert- mal zu mir, wie mit meinem Hund, wie mit meinem Roß, sey es mit mir aus, wenn ich todt seyn werde. Er glaubte das, fürchtete sich vor nichts, und that, was er wollte. Wenn er auch Recht gehabt hätte, wenn ich's glauben könnte, wenn ich's hoffen dürfte, wenn ich's in mein Herz hinein bringen könnte, daß es wahr wäre, bey der ersten Jagd würde ich hinter den Gebüschen Arnern auflauren und ihn todschiessen -- ich würde dem Pfaffen sein Haus abbrennen; aber es ist vergebens, ich kann's nicht glauben, ich darf's nicht hoffen -- Es ist nicht wahr! Narren sind's, verirrte Narren, die es glauben, oder sie thun nur dergleichen.
O! o! es ist ein Gott! Es ist ein Gott!
Markstein, Markstein! ich versetze dich nicht. So redte der Mann, und zitterte, und konnte die- ser Gedanken nicht los werden.
Entsetzen durchfuhr sein Innerstes. Er wollte sich selbst entfliehn, gieng auf die Strasse, stuhnd
zum
um die Markſteine, und es iſt beſſer, ich laſſe es bleiben.
Dann wieder nach einer Weile:
Daß auch ſo viele Leute weder Hoͤlle noch Ge- ſpenſter glauben! Der alte Schreiber glaubte von allem kein Wort; und der Vicari — es iſt bey Gott! nicht moͤglich, daß er etwas geglaubt hat; aber der Schreiber, der ſagte es uͤberlaut und wohl hundert- mal zu mir, wie mit meinem Hund, wie mit meinem Roß, ſey es mit mir aus, wenn ich todt ſeyn werde. Er glaubte das, fuͤrchtete ſich vor nichts, und that, was er wollte. Wenn er auch Recht gehabt haͤtte, wenn ich’s glauben koͤnnte, wenn ich’s hoffen duͤrfte, wenn ich’s in mein Herz hinein bringen koͤnnte, daß es wahr waͤre, bey der erſten Jagd wuͤrde ich hinter den Gebuͤſchen Arnern auflauren und ihn todſchieſſen — ich wuͤrde dem Pfaffen ſein Haus abbrennen; aber es iſt vergebens, ich kann’s nicht glauben, ich darf’s nicht hoffen — Es iſt nicht wahr! Narren ſind’s, verirrte Narren, die es glauben, oder ſie thun nur dergleichen.
O! o! es iſt ein Gott! Es iſt ein Gott!
Markſtein, Markſtein! ich verſetze dich nicht. So redte der Mann, und zitterte, und konnte die- ſer Gedanken nicht los werden.
Entſetzen durchfuhr ſein Innerſtes. Er wollte ſich ſelbſt entfliehn, gieng auf die Straſſe, ſtuhnd
zum
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um die Markſteine, und es iſt beſſer, ich laſſe es
bleiben.
Dann wieder nach einer Weile:
Daß auch ſo viele Leute weder Hoͤlle noch Ge-
ſpenſter glauben! Der alte Schreiber glaubte von
allem kein Wort; und der Vicari — es iſt bey Gott!
nicht moͤglich, daß er etwas geglaubt hat; aber der
Schreiber, der ſagte es uͤberlaut und wohl hundert-
mal zu mir, wie mit meinem Hund, wie mit meinem
Roß, ſey es mit mir aus, wenn ich todt ſeyn werde.
Er glaubte das, fuͤrchtete ſich vor nichts, und that,
was er wollte. Wenn er auch Recht gehabt haͤtte,
wenn ich’s glauben koͤnnte, wenn ich’s hoffen duͤrfte,
wenn ich’s in mein Herz hinein bringen koͤnnte, daß
es wahr waͤre, bey der erſten Jagd wuͤrde ich hinter
den Gebuͤſchen Arnern auflauren und ihn todſchieſſen —
ich wuͤrde dem Pfaffen ſein Haus abbrennen; aber
es iſt vergebens, ich kann’s nicht glauben, ich darf’s
nicht hoffen — Es iſt nicht wahr! Narren ſind’s,
verirrte Narren, die es glauben, oder ſie thun nur
dergleichen.
O! o! es iſt ein Gott!
Es iſt ein Gott!
Markſtein, Markſtein! ich verſetze dich nicht.
So redte der Mann, und zitterte, und konnte die-
ſer Gedanken nicht los werden.
Entſetzen durchfuhr ſein Innerſtes. Er wollte
ſich ſelbſt entfliehn, gieng auf die Straſſe, ſtuhnd
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/255>, abgerufen am 23.11.2024.
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