Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

schlug die Thür hinder sich zu, daß die Stube
zitterte --

Das ist unverschämt, sagte der Scheerer.

Ja es ist unverschämt, sagten viele Bauern.

Das ist nicht richtig, sagte der jüngere Meyer,
ich einmal gehe nicht ins Vogts Haus --

Ich auch nicht, antwortete Laüpj --

Nein, der Teufel, ich auch nicht, ich denke
an gestern Morgen, sagte der Renold. Ich stuhnd
zunächst bey ihm und bey Arner, und ich sah
wohl, wie es gemeynt war.

Die Nachbaren sahn sich einer den andern an,
was sie thun wollten; aber die meisten setzten sich
wieder und blieben.

Nur Aebj und Christen und noch ein paar Lum-
pen nahmen des Vogts leere Flaschen ab dem Ti-
sche unter den Arm, und giengen ihm nach.

Dieser aber sah jezt aus seinem Fenster nach
der Gasse, die ins Scheerers Haus führte, und als
ihm lange Niemand nachkam: wurd er über sich
selber zornig.

Daß ich ein Ochs bin, ein lahmer Ochs. Es
ist bald Mittag, und ich habe nichts ausgerichtet.
Der Wein ist gesoffen, und jezt lachen sie mich
noch aus. Ich habe mit ihnen gepaperlet wie
ein Kind, das noch säugt, und mich herabgelas-
sen wie einer ihres gleichen. Ja wenn ich's mit
diesen Hundskerls im Ernst gut meynte; wenn

das,

ſchlug die Thuͤr hinder ſich zu, daß die Stube
zitterte —

Das iſt unverſchaͤmt, ſagte der Scheerer.

Ja es iſt unverſchaͤmt, ſagten viele Bauern.

Das iſt nicht richtig, ſagte der juͤngere Meyer,
ich einmal gehe nicht ins Vogts Haus —

Ich auch nicht, antwortete Lauͤpj —

Nein, der Teufel, ich auch nicht, ich denke
an geſtern Morgen, ſagte der Renold. Ich ſtuhnd
zunaͤchſt bey ihm und bey Arner, und ich ſah
wohl, wie es gemeynt war.

Die Nachbaren ſahn ſich einer den andern an,
was ſie thun wollten; aber die meiſten ſetzten ſich
wieder und blieben.

Nur Aebj und Chriſten und noch ein paar Lum-
pen nahmen des Vogts leere Flaſchen ab dem Ti-
ſche unter den Arm, und giengen ihm nach.

Dieſer aber ſah jezt aus ſeinem Fenſter nach
der Gaſſe, die ins Scheerers Haus fuͤhrte, und als
ihm lange Niemand nachkam: wurd er uͤber ſich
ſelber zornig.

Daß ich ein Ochs bin, ein lahmer Ochs. Es
iſt bald Mittag, und ich habe nichts ausgerichtet.
Der Wein iſt geſoffen, und jezt lachen ſie mich
noch aus. Ich habe mit ihnen gepaperlet wie
ein Kind, das noch ſaͤugt, und mich herabgelaſ-
ſen wie einer ihres gleichen. Ja wenn ich’s mit
dieſen Hundskerls im Ernſt gut meynte; wenn

das,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0084" n="61"/>
&#x017F;chlug die Thu&#x0364;r hinder &#x017F;ich zu, daß die Stube<lb/>
zitterte &#x2014;</p><lb/>
          <p>Das i&#x017F;t unver&#x017F;cha&#x0364;mt, &#x017F;agte der Scheerer.</p><lb/>
          <p>Ja es i&#x017F;t unver&#x017F;cha&#x0364;mt, &#x017F;agten viele Bauern.</p><lb/>
          <p>Das i&#x017F;t nicht richtig, &#x017F;agte der ju&#x0364;ngere Meyer,<lb/>
ich einmal gehe nicht ins Vogts Haus &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ich auch nicht, antwortete Lau&#x0364;pj &#x2014;</p><lb/>
          <p>Nein, der Teufel, ich auch nicht, ich denke<lb/>
an ge&#x017F;tern Morgen, &#x017F;agte der Renold. Ich &#x017F;tuhnd<lb/>
zuna&#x0364;ch&#x017F;t bey ihm und bey Arner, und ich &#x017F;ah<lb/>
wohl, wie es gemeynt war.</p><lb/>
          <p>Die Nachbaren &#x017F;ahn &#x017F;ich einer den andern an,<lb/>
was &#x017F;ie thun wollten; aber die mei&#x017F;ten &#x017F;etzten &#x017F;ich<lb/>
wieder und blieben.</p><lb/>
          <p>Nur Aebj und Chri&#x017F;ten und noch ein paar Lum-<lb/>
pen nahmen des Vogts leere Fla&#x017F;chen ab dem Ti-<lb/>
&#x017F;che unter den Arm, und giengen ihm nach.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;er aber &#x017F;ah jezt aus &#x017F;einem Fen&#x017F;ter nach<lb/>
der Ga&#x017F;&#x017F;e, die ins Scheerers Haus fu&#x0364;hrte, und als<lb/>
ihm lange Niemand nachkam: wurd er u&#x0364;ber &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elber zornig.</p><lb/>
          <p>Daß ich ein Ochs bin, ein lahmer Ochs. Es<lb/>
i&#x017F;t bald Mittag, und ich habe nichts ausgerichtet.<lb/>
Der Wein i&#x017F;t ge&#x017F;offen, und jezt lachen &#x017F;ie mich<lb/>
noch aus. Ich habe mit ihnen gepaperlet wie<lb/>
ein Kind, das noch &#x017F;a&#x0364;ugt, und mich herabgela&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en wie einer ihres gleichen. Ja wenn ich&#x2019;s mit<lb/>
die&#x017F;en Hundskerls im Ern&#x017F;t gut meynte; wenn<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">das,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0084] ſchlug die Thuͤr hinder ſich zu, daß die Stube zitterte — Das iſt unverſchaͤmt, ſagte der Scheerer. Ja es iſt unverſchaͤmt, ſagten viele Bauern. Das iſt nicht richtig, ſagte der juͤngere Meyer, ich einmal gehe nicht ins Vogts Haus — Ich auch nicht, antwortete Lauͤpj — Nein, der Teufel, ich auch nicht, ich denke an geſtern Morgen, ſagte der Renold. Ich ſtuhnd zunaͤchſt bey ihm und bey Arner, und ich ſah wohl, wie es gemeynt war. Die Nachbaren ſahn ſich einer den andern an, was ſie thun wollten; aber die meiſten ſetzten ſich wieder und blieben. Nur Aebj und Chriſten und noch ein paar Lum- pen nahmen des Vogts leere Flaſchen ab dem Ti- ſche unter den Arm, und giengen ihm nach. Dieſer aber ſah jezt aus ſeinem Fenſter nach der Gaſſe, die ins Scheerers Haus fuͤhrte, und als ihm lange Niemand nachkam: wurd er uͤber ſich ſelber zornig. Daß ich ein Ochs bin, ein lahmer Ochs. Es iſt bald Mittag, und ich habe nichts ausgerichtet. Der Wein iſt geſoffen, und jezt lachen ſie mich noch aus. Ich habe mit ihnen gepaperlet wie ein Kind, das noch ſaͤugt, und mich herabgelaſ- ſen wie einer ihres gleichen. Ja wenn ich’s mit dieſen Hundskerls im Ernſt gut meynte; wenn das,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/84
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/84>, abgerufen am 25.11.2024.