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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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zu Füßen, und stammelte fast unverständlich:
"Um Gottes willen, um Gottes willen ver-
zieh mir"!

"Um Gottes willen, um Gottes willen
was machst du? bist du nicht bey deinen Sin-
nen? sagte der Rudi, und wollte ihn mit
beyden Händen aufheben -- aber vergeblich:
Der Vogt wollte nicht aufstehen, und bath
ihn immer die Hände in einander um Gottes
willen um Verziehung.

"Was soll ich doch machen, daß er auch
wieder zu sich selbst kommt und aufsteht,"
sagte der Rudi zum Pfarrer.

"Steh doch auf, Vogt! Er hat dir ge-
wiß verziehen," sagte der Pfarrer.

"Mein Gott, mehr als verzigen; steh doch
um Gottes willen wieder auf" -- sagte der
Rudi.

Der Vogt stuhnd izt auf, und der Pfar-
rer und der Rudi halffen ihm vom Boden.

"Es ist mir so leid, daß ich dir Unruh
gemacht habe," sagte izt der Rudi.

"Du bist nicht schuld -- Meine Unruh
kommt von mir selber" -- antwortete der
Vogt: -- Und der Rudi:

"Jch habe sie veranlaaßet, und wollte
gern, es wäre nicht."

Vogt. Mein Gott! du bist nicht schuld,
mein böses Gewissen ist es allein -- denk

Rudi

zu Fuͤßen, und ſtammelte faſt unverſtaͤndlich:
„Um Gottes willen, um Gottes willen ver-
zieh mir“!

„Um Gottes willen, um Gottes willen
was machſt du? biſt du nicht bey deinen Sin-
nen? ſagte der Rudi, und wollte ihn mit
beyden Haͤnden aufheben — aber vergeblich:
Der Vogt wollte nicht aufſtehen, und bath
ihn immer die Haͤnde in einander um Gottes
willen um Verziehung.

„Was ſoll ich doch machen, daß er auch
wieder zu ſich ſelbſt kommt und aufſteht,“
ſagte der Rudi zum Pfarrer.

„Steh doch auf, Vogt! Er hat dir ge-
wiß verziehen,“ ſagte der Pfarrer.

„Mein Gott, mehr als verzigen; ſteh doch
um Gottes willen wieder auf“ — ſagte der
Rudi.

Der Vogt ſtuhnd izt auf, und der Pfar-
rer und der Rudi halffen ihm vom Boden.

„Es iſt mir ſo leid, daß ich dir Unruh
gemacht habe,“ ſagte izt der Rudi.

„Du biſt nicht ſchuld — Meine Unruh
kommt von mir ſelber“ — antwortete der
Vogt: — Und der Rudi:

„Jch habe ſie veranlaaßet, und wollte
gern, es waͤre nicht.“

Vogt. Mein Gott! du biſt nicht ſchuld,
mein boͤſes Gewiſſen iſt es allein — denk

Rudi
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[95/0113] zu Fuͤßen, und ſtammelte faſt unverſtaͤndlich: „Um Gottes willen, um Gottes willen ver- zieh mir“! „Um Gottes willen, um Gottes willen was machſt du? biſt du nicht bey deinen Sin- nen? ſagte der Rudi, und wollte ihn mit beyden Haͤnden aufheben — aber vergeblich: Der Vogt wollte nicht aufſtehen, und bath ihn immer die Haͤnde in einander um Gottes willen um Verziehung. „Was ſoll ich doch machen, daß er auch wieder zu ſich ſelbſt kommt und aufſteht,“ ſagte der Rudi zum Pfarrer. „Steh doch auf, Vogt! Er hat dir ge- wiß verziehen,“ ſagte der Pfarrer. „Mein Gott, mehr als verzigen; ſteh doch um Gottes willen wieder auf“ — ſagte der Rudi. Der Vogt ſtuhnd izt auf, und der Pfar- rer und der Rudi halffen ihm vom Boden. „Es iſt mir ſo leid, daß ich dir Unruh gemacht habe,“ ſagte izt der Rudi. „Du biſt nicht ſchuld — Meine Unruh kommt von mir ſelber“ — antwortete der Vogt: — Und der Rudi: „Jch habe ſie veranlaaßet, und wollte gern, es waͤre nicht.“ Vogt. Mein Gott! du biſt nicht ſchuld, mein boͤſes Gewiſſen iſt es allein — denk Rudi

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/113>, abgerufen am 21.11.2024.