Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.Vogt. Du glaubst, ich sey noch der alte Vögtin. Was soll ich anders glauben? Vogt. Daß ich es nicht mehr bin. Vögtin. Du bist einmal auch zähmer Vogt. Mein altes Rasen ist mich, seit Vögtin. Wie ist das auch möglich? Vogt. Frau, es müßte einer kein Mensch Vög-
Vogt. Du glaubſt, ich ſey noch der alte Voͤgtin. Was ſoll ich anders glauben? Vogt. Daß ich es nicht mehr bin. Voͤgtin. Du biſt einmal auch zaͤhmer Vogt. Mein altes Raſen iſt mich, ſeit Voͤgtin. Wie iſt das auch moͤglich? Vogt. Frau, es muͤßte einer kein Menſch Voͤg-
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Vogt. Du glaubſt, ich ſey noch der alte
Menſch.
Voͤgtin. Was ſoll ich anders glauben?
Vogt. Daß ich es nicht mehr bin.
Voͤgtin. Du biſt einmal auch zaͤhmer
heim gekommen, als ich erwartet — Jch
meynte ſicher, du werdeſt wie ein wuͤthen-
des Thier thun, wenn du mir wieder unter
Augen kommeſt.
Vogt. Mein altes Raſen iſt mich, ſeit
dem ich dem Pfarrer unter den Haͤnden bin,
auch nur nie mehr angekommen.
Voͤgtin. Wie iſt das auch moͤglich?
Vogt. Frau, es muͤßte einer kein Menſch
ſeyn, wenn er unter ſeinen Haͤnden nicht
zahm wuͤrde. Er laͤßt einen machen u. ſeyn,
und ſagen, was man will, und zeigt einem
dann erſt, daß man ſich irrt, wenn er auch
recht und voͤllig verſtanden, was man meynt
— Aber er bringt einem auch zum Kopf
hinaus, was man am haͤrteſten darinn hat.
Jch meynte ehdem immer, was mir begeg-
nete, nur ander Leut ſeyen dran ſchuld, und
es kam mir nur nie der Sinn dran, auch
nachzuſinnen, wie weit ich ſelber im Fehler,
und darum bin ich immer hundertmal wie
ein Narr uͤber die unſchuldigſten Leut wie ra-
ſend worden.
Voͤg-
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