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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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Vögtin. Nein, ich hab ihn seit Mit-
wochen nicht mehr gesehen.

Vogt. Jch denks wohl.

Vögtin. Warum?

Vogt. Weil er am Dienstag seinen Lohn
dafür bekommen.

Vögtin. Von wem?

Vogt. Vom Pfarrer.

Vögtin. Hats der schon erfahren?

Vogt. Das glaub ich -- Es hat keine
Stunde angetroffen, so hat ers gewußt; und
du weist, am Dienstag kommen die Wochen-
brödler ins Pfarrhaus, und der Kriecher
schikt aus Hoffart immer ein Anders: Der
Pfarrer aber gabs dießmal nicht, sonder sag-
te, er soll nur selber kommen: Er wollte
nicht gern, und sandte sein Kind, mit dem
Bericht, er sey krank und im Bett, und er
lasse doch darum bitten, sie haben keinen
Mund voll im Haus. Der Pfarrer schikte
aber auch dieß ohne Brod heim, mit der
Antwort, er kenne seine Krankheit, sie sey
schon alt, und das Spazieren thue im gut,
und er soll und müße kommen, er wisse wohl
warum. -- Zwischen Feuer und Licht kam
er endlich; ich war just in der Nebenstube,
und es ist mir, ich höre den Pfarrer noch
izt mit der Faust auf den Tisch schlagen, daß
er zitterte, und ihm dann sagen: "Kriecher,

du

Voͤgtin. Nein, ich hab ihn ſeit Mit-
wochen nicht mehr geſehen.

Vogt. Jch denks wohl.

Voͤgtin. Warum?

Vogt. Weil er am Dienſtag ſeinen Lohn
dafuͤr bekommen.

Voͤgtin. Von wem?

Vogt. Vom Pfarrer.

Voͤgtin. Hats der ſchon erfahren?

Vogt. Das glaub ich — Es hat keine
Stunde angetroffen, ſo hat ers gewußt; und
du weiſt, am Dienſtag kommen die Wochen-
broͤdler ins Pfarrhaus, und der Kriecher
ſchikt aus Hoffart immer ein Anders: Der
Pfarrer aber gabs dießmal nicht, ſonder ſag-
te, er ſoll nur ſelber kommen: Er wollte
nicht gern, und ſandte ſein Kind, mit dem
Bericht, er ſey krank und im Bett, und er
laſſe doch darum bitten, ſie haben keinen
Mund voll im Haus. Der Pfarrer ſchikte
aber auch dieß ohne Brod heim, mit der
Antwort, er kenne ſeine Krankheit, ſie ſey
ſchon alt, und das Spazieren thue im gut,
und er ſoll und muͤße kommen, er wiſſe wohl
warum. — Zwiſchen Feuer und Licht kam
er endlich; ich war juſt in der Nebenſtube,
und es iſt mir, ich hoͤre den Pfarrer noch
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er zitterte, und ihm dann ſagen: „Kriecher,

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[114/0132] Voͤgtin. Nein, ich hab ihn ſeit Mit- wochen nicht mehr geſehen. Vogt. Jch denks wohl. Voͤgtin. Warum? Vogt. Weil er am Dienſtag ſeinen Lohn dafuͤr bekommen. Voͤgtin. Von wem? Vogt. Vom Pfarrer. Voͤgtin. Hats der ſchon erfahren? Vogt. Das glaub ich — Es hat keine Stunde angetroffen, ſo hat ers gewußt; und du weiſt, am Dienſtag kommen die Wochen- broͤdler ins Pfarrhaus, und der Kriecher ſchikt aus Hoffart immer ein Anders: Der Pfarrer aber gabs dießmal nicht, ſonder ſag- te, er ſoll nur ſelber kommen: Er wollte nicht gern, und ſandte ſein Kind, mit dem Bericht, er ſey krank und im Bett, und er laſſe doch darum bitten, ſie haben keinen Mund voll im Haus. Der Pfarrer ſchikte aber auch dieß ohne Brod heim, mit der Antwort, er kenne ſeine Krankheit, ſie ſey ſchon alt, und das Spazieren thue im gut, und er ſoll und muͤße kommen, er wiſſe wohl warum. — Zwiſchen Feuer und Licht kam er endlich; ich war juſt in der Nebenſtube, und es iſt mir, ich hoͤre den Pfarrer noch izt mit der Fauſt auf den Tiſch ſchlagen, daß er zitterte, und ihm dann ſagen: „Kriecher, du

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/132>, abgerufen am 24.05.2024.