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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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Auch von den Knechten, die von ihm
wegkommen, haben mehrere wegen Dieb-
stählen landsflüchtig werden müßen -- es
konnte aber nicht anders seyn, sie sind in
seinem Hause wie dazu gezogen worden.
So lange er die Mühle hat, haben seine
Karrer immer bey aller seiner Kundsame,
dem Hausvater hinter dem Rüken, von der
Frau, Kindern, Dienstboten gestohlne Frucht
abgenommen, sie hatten hinter allen Hägen
(Heken) und in allen Winkeln ihre Oerter,
wo man ihnen die gestohlnen Säke ablegte.

Der Christoph, der so lange bey ihm
war, und izt aber auch landsflüchtig ist,
wäre vor 20. Jahren schon um deßwillen
beynahe todtgeschlagen worden. Der Rüti-
bauer merkte noch im lezten Jahr, ehe er
vergantet worden, daß es mit seiner Frucht
(Korn) nicht richtig gehe, und da er seine
Frau, die dem Trunk sehr ergeben war, im
Verdacht hatte, gab er sint langem auf sie
Acht, und sah' sie einmal an einem Morgen
fast vor Tag, mit einem Sak Frucht, so
schwer sie tragen möchte, zum Haus hinaus
gehen -- er schlich ihr durch einen Abweg
hinter dem Zaune nach, und sah' sie den
Sak in dem Gestäude an der Steig bey dem
Mühleweg verbergen, ließ aber die Frau,
ohne sich zu zeigen, wieder heim, und war-

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Auch von den Knechten, die von ihm
wegkommen, haben mehrere wegen Dieb-
ſtaͤhlen landsfluͤchtig werden muͤßen — es
konnte aber nicht anders ſeyn, ſie ſind in
ſeinem Hauſe wie dazu gezogen worden.
So lange er die Muͤhle hat, haben ſeine
Karrer immer bey aller ſeiner Kundſame,
dem Hausvater hinter dem Ruͤken, von der
Frau, Kindern, Dienſtboten geſtohlne Frucht
abgenommen, ſie hatten hinter allen Haͤgen
(Heken) und in allen Winkeln ihre Oerter,
wo man ihnen die geſtohlnen Saͤke ablegte.

Der Chriſtoph, der ſo lange bey ihm
war, und izt aber auch landsfluͤchtig iſt,
waͤre vor 20. Jahren ſchon um deßwillen
beynahe todtgeſchlagen worden. Der Ruͤti-
bauer merkte noch im lezten Jahr, ehe er
vergantet worden, daß es mit ſeiner Frucht
(Korn) nicht richtig gehe, und da er ſeine
Frau, die dem Trunk ſehr ergeben war, im
Verdacht hatte, gab er ſint langem auf ſie
Acht, und ſah' ſie einmal an einem Morgen
faſt vor Tag, mit einem Sak Frucht, ſo
ſchwer ſie tragen moͤchte, zum Haus hinaus
gehen — er ſchlich ihr durch einen Abweg
hinter dem Zaune nach, und ſah' ſie den
Sak in dem Geſtaͤude an der Steig bey dem
Muͤhleweg verbergen, ließ aber die Frau,
ohne ſich zu zeigen, wieder heim, und war-

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[278/0296] Auch von den Knechten, die von ihm wegkommen, haben mehrere wegen Dieb- ſtaͤhlen landsfluͤchtig werden muͤßen — es konnte aber nicht anders ſeyn, ſie ſind in ſeinem Hauſe wie dazu gezogen worden. So lange er die Muͤhle hat, haben ſeine Karrer immer bey aller ſeiner Kundſame, dem Hausvater hinter dem Ruͤken, von der Frau, Kindern, Dienſtboten geſtohlne Frucht abgenommen, ſie hatten hinter allen Haͤgen (Heken) und in allen Winkeln ihre Oerter, wo man ihnen die geſtohlnen Saͤke ablegte. Der Chriſtoph, der ſo lange bey ihm war, und izt aber auch landsfluͤchtig iſt, waͤre vor 20. Jahren ſchon um deßwillen beynahe todtgeſchlagen worden. Der Ruͤti- bauer merkte noch im lezten Jahr, ehe er vergantet worden, daß es mit ſeiner Frucht (Korn) nicht richtig gehe, und da er ſeine Frau, die dem Trunk ſehr ergeben war, im Verdacht hatte, gab er ſint langem auf ſie Acht, und ſah' ſie einmal an einem Morgen faſt vor Tag, mit einem Sak Frucht, ſo ſchwer ſie tragen moͤchte, zum Haus hinaus gehen — er ſchlich ihr durch einen Abweg hinter dem Zaune nach, und ſah' ſie den Sak in dem Geſtaͤude an der Steig bey dem Muͤhleweg verbergen, ließ aber die Frau, ohne ſich zu zeigen, wieder heim, und war- te-

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/296>, abgerufen am 21.11.2024.