Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

wenn er laut und inbrünstig bethete. Und
die Magd, die in des Knaben Kammer schlief,
hat bey seinem Tod bezeuget, daß er oft
ganze Nächte durch gejammert, und kein
Auge zugethan, wenn er dazu gekommen,
daß sein Vater Jemanden ins Unglük zu
bringen gesucht, und gedrükt. Etliche Tage
vor seinem Tod hat er dem Pfarrer gestan-
den, daß ihm das auf dem Herzen liege, u.
ihn gebethen, daß er doch, aber erst wenn
er gestorben, mit dem Vater darüber rede,
-- der Pfarrer hab's auch gethan, aber
der Vater gab ihm zur Antwort: es scheint,
der Bub sey bis in [T]od ein einfältig Tröpf-
lein geblieben, wie er bey Leben immer war."
doch gab er in der Sterbwoche des Knaben
einigen Armen etwas Rüben und Erdapfel
zum Allmosen.

Er hatte den Waibeldienst neun Jahre
versehen, als der alte Vogt starb.

So sehr ihm aber der Junker gewogen
war, so dachte er im Anfang doch nicht
daran, ihn zum Vogt zu machen; er kannte
einige Fehler an ihm, z. E. Sauffen, Schwö-
ren, und meynte für sich gar nicht, daß er
zu dieser Stelle der beste wäre; aber der
Waibel hatte so viele Vorsprecher im Schloß,
vom Schreiber und Vikari an bis auf den
Gärtner, der viel auf dem Junker vermoch-

te,

wenn er laut und inbruͤnſtig bethete. Und
die Magd, die in des Knaben Kam̃er ſchlief,
hat bey ſeinem Tod bezeuget, daß er oft
ganze Naͤchte durch gejammert, und kein
Auge zugethan, wenn er dazu gekommen,
daß ſein Vater Jemanden ins Ungluͤk zu
bringen geſucht, und gedruͤkt. Etliche Tage
vor ſeinem Tod hat er dem Pfarrer geſtan-
den, daß ihm das auf dem Herzen liege, u.
ihn gebethen, daß er doch, aber erſt wenn
er geſtorben, mit dem Vater daruͤber rede,
— der Pfarrer hab's auch gethan, aber
der Vater gab ihm zur Antwort: es ſcheint,
der Bub ſey bis in [T]od ein einfaͤltig Troͤpf-
lein geblieben, wie er bey Leben im̃er war.“
doch gab er in der Sterbwoche des Knaben
einigen Armen etwas Ruͤben und Erdapfel
zum Allmoſen.

Er hatte den Waibeldienſt neun Jahre
verſehen, als der alte Vogt ſtarb.

So ſehr ihm aber der Junker gewogen
war, ſo dachte er im Anfang doch nicht
daran, ihn zum Vogt zu machen; er kannte
einige Fehler an ihm, z. E. Sauffen, Schwoͤ-
ren, und meynte fuͤr ſich gar nicht, daß er
zu dieſer Stelle der beſte waͤre; aber der
Waibel hatte ſo viele Vorſprecher im Schloß,
vom Schreiber und Vikari an bis auf den
Gaͤrtner, der viel auf dem Junker vermoch-

te,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0298" n="280"/>
wenn er laut und inbru&#x0364;n&#x017F;tig bethete. Und<lb/>
die Magd, die in des Knaben Kam&#x0303;er &#x017F;chlief,<lb/>
hat bey &#x017F;einem Tod bezeuget, daß er oft<lb/>
ganze Na&#x0364;chte durch gejammert, und kein<lb/>
Auge zugethan, wenn er dazu gekommen,<lb/>
daß &#x017F;ein Vater Jemanden ins Unglu&#x0364;k zu<lb/>
bringen ge&#x017F;ucht, und gedru&#x0364;kt. Etliche Tage<lb/>
vor &#x017F;einem Tod hat er dem Pfarrer ge&#x017F;tan-<lb/>
den, daß ihm das auf dem Herzen liege, u.<lb/>
ihn gebethen, daß er doch, aber er&#x017F;t wenn<lb/>
er ge&#x017F;torben, mit dem Vater daru&#x0364;ber rede,<lb/>
&#x2014; der Pfarrer hab's auch gethan, aber<lb/>
der Vater gab ihm zur Antwort: es &#x017F;cheint,<lb/>
der Bub &#x017F;ey bis in <supplied>T</supplied>od ein einfa&#x0364;ltig Tro&#x0364;pf-<lb/>
lein geblieben, wie er bey Leben im&#x0303;er war.&#x201C;<lb/>
doch gab er in der Sterbwoche des Knaben<lb/>
einigen Armen etwas Ru&#x0364;ben und Erdapfel<lb/>
zum Allmo&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Er hatte den Waibeldien&#x017F;t neun Jahre<lb/>
ver&#x017F;ehen, als der alte Vogt &#x017F;tarb.</p><lb/>
          <p>So &#x017F;ehr ihm aber der Junker gewogen<lb/>
war, &#x017F;o dachte er im Anfang doch nicht<lb/>
daran, ihn zum Vogt zu machen; er kannte<lb/>
einige Fehler an ihm, z. E. Sauffen, Schwo&#x0364;-<lb/>
ren, und meynte fu&#x0364;r &#x017F;ich gar nicht, daß er<lb/>
zu die&#x017F;er Stelle der be&#x017F;te wa&#x0364;re; aber der<lb/>
Waibel hatte &#x017F;o viele Vor&#x017F;precher im Schloß,<lb/>
vom Schreiber und Vikari an bis auf den<lb/>
Ga&#x0364;rtner, der viel auf dem Junker vermoch-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">te,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[280/0298] wenn er laut und inbruͤnſtig bethete. Und die Magd, die in des Knaben Kam̃er ſchlief, hat bey ſeinem Tod bezeuget, daß er oft ganze Naͤchte durch gejammert, und kein Auge zugethan, wenn er dazu gekommen, daß ſein Vater Jemanden ins Ungluͤk zu bringen geſucht, und gedruͤkt. Etliche Tage vor ſeinem Tod hat er dem Pfarrer geſtan- den, daß ihm das auf dem Herzen liege, u. ihn gebethen, daß er doch, aber erſt wenn er geſtorben, mit dem Vater daruͤber rede, — der Pfarrer hab's auch gethan, aber der Vater gab ihm zur Antwort: es ſcheint, der Bub ſey bis in Tod ein einfaͤltig Troͤpf- lein geblieben, wie er bey Leben im̃er war.“ doch gab er in der Sterbwoche des Knaben einigen Armen etwas Ruͤben und Erdapfel zum Allmoſen. Er hatte den Waibeldienſt neun Jahre verſehen, als der alte Vogt ſtarb. So ſehr ihm aber der Junker gewogen war, ſo dachte er im Anfang doch nicht daran, ihn zum Vogt zu machen; er kannte einige Fehler an ihm, z. E. Sauffen, Schwoͤ- ren, und meynte fuͤr ſich gar nicht, daß er zu dieſer Stelle der beſte waͤre; aber der Waibel hatte ſo viele Vorſprecher im Schloß, vom Schreiber und Vikari an bis auf den Gaͤrtner, der viel auf dem Junker vermoch- te,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/298
Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/298>, abgerufen am 21.11.2024.