Alles was am Tisch war, mußte vor Lachen den Bauch halten über das G'hinder, H'at- terland und 'altet euch wohl: das der Lieu- tenant, so viel er aus dem Hals vermochte, ausschrie.
Der Pfarrer lachte nicht: Ernst, wie der Tod, sagte er: wir Pfarrer sind auch solche Oberste, wenn wir einem armen, an Leib und Seel unversorgten Volk in den Tag hinein Predigten vorsagen, und Kinder, die sichtbar ohne Erziehung und Hilfe, einem elenden Leben entgegen gehen, in den Tag hinein un- terrichten oder mit Worten abspeisen: es ge- het mir durch Mark und Bein -- es ist bis auf den Schreyer-Ausdruk der Worte: Kinder, König, Vaterland, -- die gleiche Sache, wenn man mit einem leeren Wortunterricht das unversorgte Volk auf den ewigen König und auf das ewige Vaterland hinweißt, und ihm eben so zuruft, haltet euch wohl. -- Am Ende sagte er: was mich tröstet, ist, wir sind meistens auch nicht Schuld -- und viele von uns thäten gewiß mehr wenn sie könnten: aber ewig ist es wahr, der Schade ist nicht abzusehen, daß man den Unterricht und den Trost der Menschen so sehr an vieles Wort- brauchen bindet.
Ja, ja, -- sagt der Lieutenant; Thaten lehren den Menschen, und Thaten trösten ihn
Alles was am Tiſch war, mußte vor Lachen den Bauch halten uͤber das G’hinder, H’at- terland und ’altet euch wohl: das der Lieu- tenant, ſo viel er aus dem Hals vermochte, ausſchrie.
Der Pfarrer lachte nicht: Ernſt, wie der Tod, ſagte er: wir Pfarrer ſind auch ſolche Oberſte, wenn wir einem armen, an Leib und Seel unverſorgten Volk in den Tag hinein Predigten vorſagen, und Kinder, die ſichtbar ohne Erziehung und Hilfe, einem elenden Leben entgegen gehen, in den Tag hinein un- terrichten oder mit Worten abſpeiſen: es ge- het mir durch Mark und Bein — es iſt bis auf den Schreyer-Ausdruk der Worte: Kinder, Koͤnig, Vaterland, — die gleiche Sache, wenn man mit einem leeren Wortunterricht das unverſorgte Volk auf den ewigen Koͤnig und auf das ewige Vaterland hinweißt, und ihm eben ſo zuruft, haltet euch wohl. — Am Ende ſagte er: was mich troͤſtet, iſt, wir ſind meiſtens auch nicht Schuld — und viele von uns thaͤten gewiß mehr wenn ſie koͤnnten: aber ewig iſt es wahr, der Schade iſt nicht abzuſehen, daß man den Unterricht und den Troſt der Menſchen ſo ſehr an vieles Wort- brauchen bindet.
Ja, ja, — ſagt der Lieutenant; Thaten lehren den Menſchen, und Thaten troͤſten ihn
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0100"n="78"/><p>Alles was am Tiſch war, mußte vor Lachen<lb/>
den Bauch halten uͤber das G’hinder, H’at-<lb/>
terland und ’altet euch wohl: das der Lieu-<lb/>
tenant, ſo viel er aus dem Hals vermochte,<lb/>
ausſchrie.</p><lb/><p>Der Pfarrer lachte nicht: Ernſt, wie der<lb/>
Tod, ſagte er: wir Pfarrer ſind auch ſolche<lb/>
Oberſte, wenn wir einem armen, an Leib und<lb/>
Seel unverſorgten Volk in den Tag hinein<lb/>
Predigten vorſagen, und Kinder, die ſichtbar<lb/>
ohne Erziehung und Hilfe, einem elenden<lb/>
Leben entgegen gehen, in den Tag hinein un-<lb/>
terrichten oder mit Worten abſpeiſen: es ge-<lb/>
het mir durch Mark und Bein — es iſt bis auf<lb/>
den Schreyer-Ausdruk der Worte: Kinder,<lb/>
Koͤnig, Vaterland, — die gleiche Sache,<lb/>
wenn man mit einem leeren Wortunterricht<lb/>
das unverſorgte Volk auf den ewigen Koͤnig<lb/>
und auf das ewige Vaterland hinweißt, und<lb/>
ihm eben ſo zuruft, haltet euch wohl. — Am<lb/>
Ende ſagte er: was mich troͤſtet, iſt, wir ſind<lb/>
meiſtens auch nicht Schuld — und viele von<lb/>
uns thaͤten gewiß mehr wenn ſie koͤnnten:<lb/>
aber ewig iſt es wahr, der Schade iſt nicht<lb/>
abzuſehen, daß man den Unterricht und den<lb/>
Troſt der Menſchen ſo ſehr an vieles Wort-<lb/>
brauchen bindet.</p><lb/><p>Ja, ja, —ſagt der Lieutenant; Thaten<lb/>
lehren den Menſchen, und Thaten troͤſten ihn<lb/></p></div></body></text></TEI>
[78/0100]
Alles was am Tiſch war, mußte vor Lachen
den Bauch halten uͤber das G’hinder, H’at-
terland und ’altet euch wohl: das der Lieu-
tenant, ſo viel er aus dem Hals vermochte,
ausſchrie.
Der Pfarrer lachte nicht: Ernſt, wie der
Tod, ſagte er: wir Pfarrer ſind auch ſolche
Oberſte, wenn wir einem armen, an Leib und
Seel unverſorgten Volk in den Tag hinein
Predigten vorſagen, und Kinder, die ſichtbar
ohne Erziehung und Hilfe, einem elenden
Leben entgegen gehen, in den Tag hinein un-
terrichten oder mit Worten abſpeiſen: es ge-
het mir durch Mark und Bein — es iſt bis auf
den Schreyer-Ausdruk der Worte: Kinder,
Koͤnig, Vaterland, — die gleiche Sache,
wenn man mit einem leeren Wortunterricht
das unverſorgte Volk auf den ewigen Koͤnig
und auf das ewige Vaterland hinweißt, und
ihm eben ſo zuruft, haltet euch wohl. — Am
Ende ſagte er: was mich troͤſtet, iſt, wir ſind
meiſtens auch nicht Schuld — und viele von
uns thaͤten gewiß mehr wenn ſie koͤnnten:
aber ewig iſt es wahr, der Schade iſt nicht
abzuſehen, daß man den Unterricht und den
Troſt der Menſchen ſo ſehr an vieles Wort-
brauchen bindet.
Ja, ja, — ſagt der Lieutenant; Thaten
lehren den Menſchen, und Thaten troͤſten ihn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/100>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.