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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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ren, ist daß sie brav darauf schaffen -- und
wenn du sie am Morgen früh und am Abend
spath darauf hinausjagst, so wird ihnen besser
als mit dem Auswendiglehrnen in Kopf kom-
men, wo sie seyen?

Die Roß an seinem Zug sind nicht so stark,
und die Furchen, die er mit ihnen ins Feld zie-
het, sind nicht so grad, als die Ausdrüke und
Bilder die er brauchte; aber wenn er in Eifer
kam, so wurden sie auch so schneidend wie sein
Pflug, mit dem er vom Morgen bis am Abend
sein Land wie nichts umlegte. Und wenn er
Schurken vor sich sah, so war er denn bald
im Eifer.

Der Ständlj-Sänger Christen erfuhrs auf
eine schrekliche Art. Er ließ sich durch Essen
und Trinken verführen, daß er ihm im Bart-
haus wiedersprach, und Gotteswort und der
Seele Heil, und was man beym Kinderlehren
in Acht nehmen müsse, ins Maul nahm.

Der Lindenberger zog sein Gesicht in Falten,
so wie der Himmel sich vor einem Wetter in
Falten zieht, sobald der Kerl nur das Maul
aufthat, und antwortete ihm denn: Du, es
muß einer nüchtern seyn an Seel und Leib,
und nicht lahm, und nicht aussäzig wie du,
wenn er das Wort Gottes und der Seele Heil
ins Maul nehmen, und davon reden will, wie
man Kinder erziehen und zu Menschen machen

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ren, iſt daß ſie brav darauf ſchaffen — und
wenn du ſie am Morgen fruͤh und am Abend
ſpath darauf hinausjagſt, ſo wird ihnen beſſer
als mit dem Auswendiglehrnen in Kopf kom-
men, wo ſie ſeyen?

Die Roß an ſeinem Zug ſind nicht ſo ſtark,
und die Furchen, die er mit ihnen ins Feld zie-
het, ſind nicht ſo grad, als die Ausdruͤke und
Bilder die er brauchte; aber wenn er in Eifer
kam, ſo wurden ſie auch ſo ſchneidend wie ſein
Pflug, mit dem er vom Morgen bis am Abend
ſein Land wie nichts umlegte. Und wenn er
Schurken vor ſich ſah, ſo war er denn bald
im Eifer.

Der Staͤndlj-Saͤnger Chriſten erfuhrs auf
eine ſchrekliche Art. Er ließ ſich durch Eſſen
und Trinken verfuͤhren, daß er ihm im Bart-
haus wiederſprach, und Gotteswort und der
Seele Heil, und was man beym Kinderlehren
in Acht nehmen muͤſſe, ins Maul nahm.

Der Lindenberger zog ſein Geſicht in Falten,
ſo wie der Himmel ſich vor einem Wetter in
Falten zieht, ſobald der Kerl nur das Maul
aufthat, und antwortete ihm denn: Du, es
muß einer nuͤchtern ſeyn an Seel und Leib,
und nicht lahm, und nicht ausſaͤzig wie du,
wenn er das Wort Gottes und der Seele Heil
ins Maul nehmen, und davon reden will, wie
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[341/0363] ren, iſt daß ſie brav darauf ſchaffen — und wenn du ſie am Morgen fruͤh und am Abend ſpath darauf hinausjagſt, ſo wird ihnen beſſer als mit dem Auswendiglehrnen in Kopf kom- men, wo ſie ſeyen? Die Roß an ſeinem Zug ſind nicht ſo ſtark, und die Furchen, die er mit ihnen ins Feld zie- het, ſind nicht ſo grad, als die Ausdruͤke und Bilder die er brauchte; aber wenn er in Eifer kam, ſo wurden ſie auch ſo ſchneidend wie ſein Pflug, mit dem er vom Morgen bis am Abend ſein Land wie nichts umlegte. Und wenn er Schurken vor ſich ſah, ſo war er denn bald im Eifer. Der Staͤndlj-Saͤnger Chriſten erfuhrs auf eine ſchrekliche Art. Er ließ ſich durch Eſſen und Trinken verfuͤhren, daß er ihm im Bart- haus wiederſprach, und Gotteswort und der Seele Heil, und was man beym Kinderlehren in Acht nehmen muͤſſe, ins Maul nahm. Der Lindenberger zog ſein Geſicht in Falten, ſo wie der Himmel ſich vor einem Wetter in Falten zieht, ſobald der Kerl nur das Maul aufthat, und antwortete ihm denn: Du, es muß einer nuͤchtern ſeyn an Seel und Leib, und nicht lahm, und nicht ausſaͤzig wie du, wenn er das Wort Gottes und der Seele Heil ins Maul nehmen, und davon reden will, wie man Kinder erziehen und zu Menſchen machen Y 3

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/363>, abgerufen am 24.11.2024.