Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

sagte einem jeden ein Wort für ihns in seine
Seele.

Es war ein Unterricht wie der Unterricht
eines Heiligen.

Denn führte er sie wieder, eines nach dem
andern, zu den Waysen, daß sie ihnen die Hand
geben, und sagte ihnen noch: bleibet Geschwi-
sterte, und denket an diese Stunde, wenn ihr an
Gott denket! Mit dem Wort stuhnd er auf, wie
wenn er noch in der Kirche, und seine Kinder-
lehr endete, und sagte mit gefalteten Händen
zum Volk: -- "Der Herr segne und behüte
euch! Der Herr lasse sein heiliges Angesicht über
euch leuchten, und sey euch gnädig! -- Nun
gehet hin im Frieden des Herrn, haltet christli-
che Zucht und Ehrbarkeit, und liebet einander
wie uns Christus Jesus geliebet hat! Amen."

Nun gieng die Gemeind von einander und
aus einem Munde tönte, es war doch schön!
Und Vater und Mutter sagten zu einander: die
Kinder müssen angenehm werden vor Gott,
wenn man sie also lehrt, es ist nicht anderst mög-
lich.

Und auf allen Zungen lagen die Worte: "wir
möchten ihm danken"! Einer sprach sie aus, und
ja! -- ja! und nasse Augen waren die Antwort
aller.

Da stand das Volk zehen Schritt von des
Kienasten Haus still, und als der Junker und der
Pfarrer heraus kamen, trat der alte Reinold, den

ſagte einem jeden ein Wort fuͤr ihns in ſeine
Seele.

Es war ein Unterricht wie der Unterricht
eines Heiligen.

Denn fuͤhrte er ſie wieder, eines nach dem
andern, zu den Wayſen, daß ſie ihnen die Hand
geben, und ſagte ihnen noch: bleibet Geſchwi-
ſterte, und denket an dieſe Stunde, wenn ihr an
Gott denket! Mit dem Wort ſtuhnd er auf, wie
wenn er noch in der Kirche, und ſeine Kinder-
lehr endete, und ſagte mit gefalteten Haͤnden
zum Volk: — “Der Herr ſegne und behuͤte
euch! Der Herr laſſe ſein heiliges Angeſicht uͤber
euch leuchten, und ſey euch gnaͤdig! — Nun
gehet hin im Frieden des Herrn, haltet chriſtli-
che Zucht und Ehrbarkeit, und liebet einander
wie uns Chriſtus Jeſus geliebet hat! Amen.„

Nun gieng die Gemeind von einander und
aus einem Munde toͤnte, es war doch ſchoͤn!
Und Vater und Mutter ſagten zu einander: die
Kinder muͤſſen angenehm werden vor Gott,
wenn man ſie alſo lehrt, es iſt nicht anderſt moͤg-
lich.

Und auf allen Zungen lagen die Worte: “wir
moͤchten ihm danken„! Einer ſprach ſie aus, und
ja! — ja! und naſſe Augen waren die Antwort
aller.

Da ſtand das Volk zehen Schritt von des
Kienaſten Haus ſtill, und als der Junker und der
Pfarrer heraus kamen, trat der alte Reinold, den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0437" n="415"/>
&#x017F;agte einem jeden ein Wort fu&#x0364;r ihns in &#x017F;eine<lb/>
Seele.</p><lb/>
          <p>Es war ein Unterricht wie der Unterricht<lb/>
eines Heiligen.</p><lb/>
          <p>Denn fu&#x0364;hrte er &#x017F;ie wieder, eines nach dem<lb/>
andern, zu den Way&#x017F;en, daß &#x017F;ie ihnen die Hand<lb/>
geben, und &#x017F;agte ihnen noch: bleibet Ge&#x017F;chwi-<lb/>
&#x017F;terte, und denket an die&#x017F;e Stunde, wenn ihr an<lb/>
Gott denket! Mit dem Wort &#x017F;tuhnd er auf, wie<lb/>
wenn er noch in der Kirche, und &#x017F;eine Kinder-<lb/>
lehr endete, und &#x017F;agte mit gefalteten Ha&#x0364;nden<lb/>
zum Volk: &#x2014; &#x201C;Der Herr &#x017F;egne und behu&#x0364;te<lb/>
euch! Der Herr la&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ein heiliges Ange&#x017F;icht u&#x0364;ber<lb/>
euch leuchten, und &#x017F;ey euch gna&#x0364;dig! &#x2014; Nun<lb/>
gehet hin im Frieden des Herrn, haltet chri&#x017F;tli-<lb/>
che Zucht und Ehrbarkeit, und liebet einander<lb/>
wie uns Chri&#x017F;tus Je&#x017F;us geliebet hat! Amen.&#x201E;</p><lb/>
          <p>Nun gieng die Gemeind von einander und<lb/>
aus einem Munde to&#x0364;nte, es war doch &#x017F;cho&#x0364;n!<lb/>
Und Vater und Mutter &#x017F;agten zu einander: die<lb/>
Kinder mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en angenehm werden vor Gott,<lb/>
wenn man &#x017F;ie al&#x017F;o lehrt, es i&#x017F;t nicht ander&#x017F;t mo&#x0364;g-<lb/>
lich.</p><lb/>
          <p>Und auf allen Zungen lagen die Worte: &#x201C;wir<lb/>
mo&#x0364;chten ihm danken&#x201E;! Einer &#x017F;prach &#x017F;ie aus, und<lb/>
ja! &#x2014; ja! und na&#x017F;&#x017F;e Augen waren die Antwort<lb/>
aller.</p><lb/>
          <p>Da &#x017F;tand das Volk zehen Schritt von des<lb/>
Kiena&#x017F;ten Haus &#x017F;till, und als der Junker und der<lb/>
Pfarrer heraus kamen, trat der alte Reinold, den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[415/0437] ſagte einem jeden ein Wort fuͤr ihns in ſeine Seele. Es war ein Unterricht wie der Unterricht eines Heiligen. Denn fuͤhrte er ſie wieder, eines nach dem andern, zu den Wayſen, daß ſie ihnen die Hand geben, und ſagte ihnen noch: bleibet Geſchwi- ſterte, und denket an dieſe Stunde, wenn ihr an Gott denket! Mit dem Wort ſtuhnd er auf, wie wenn er noch in der Kirche, und ſeine Kinder- lehr endete, und ſagte mit gefalteten Haͤnden zum Volk: — “Der Herr ſegne und behuͤte euch! Der Herr laſſe ſein heiliges Angeſicht uͤber euch leuchten, und ſey euch gnaͤdig! — Nun gehet hin im Frieden des Herrn, haltet chriſtli- che Zucht und Ehrbarkeit, und liebet einander wie uns Chriſtus Jeſus geliebet hat! Amen.„ Nun gieng die Gemeind von einander und aus einem Munde toͤnte, es war doch ſchoͤn! Und Vater und Mutter ſagten zu einander: die Kinder muͤſſen angenehm werden vor Gott, wenn man ſie alſo lehrt, es iſt nicht anderſt moͤg- lich. Und auf allen Zungen lagen die Worte: “wir moͤchten ihm danken„! Einer ſprach ſie aus, und ja! — ja! und naſſe Augen waren die Antwort aller. Da ſtand das Volk zehen Schritt von des Kienaſten Haus ſtill, und als der Junker und der Pfarrer heraus kamen, trat der alte Reinold, den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/437
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/437>, abgerufen am 17.05.2024.