Sie sind nichts gegen diese, sagte die Meyerin; und Gertrud: es ist wahr, es ist weit und breit keine solche; und rühmte dann das Thier, wie sie so viel Milch gebe, und wie gut diese sey, wie sie Nidle, und viel Anken (Butter) sie gebe; denn auch, wie treu sie seye, und wie freundlich, und wie ein jedwedes Kind mit ihr machen könne was es wolle.
Die Meyerin hörte ihr zu, wie in einer Predigt; sagte da: man siehet ihr wohl an, daß sie ein gutes Thier ist; und erzählte denn, wie sie daheim auch eine haben, die so gut sey, und wie die vorige Woche ihres Bru- ders Kind unter sie herunter gefallen, und mehr als eine Viertelstund unter ihr auf dem Boden gelegen, ohne daß es jemand gewußt; und die Kuh hätte nicht mehr Sorg zu ihm tragen können, wenn es ihr Kalb gewesen wäre, bis jemand dazu gekommen, und ihn's weggenommen.
Da sie das erzählte, lehnte sie sich mit dem Arm dem Flek über den Hals, und Gertrud hielte ihr da das Futter fast vor; da nahm sie eine Handvoll Salz und Geleck nach der ande- ren, ließ das Thier eine Weile aus der Hand fressen; und da sie fortgieng, that sie noch so freundlich mit ihr, daß es nicht anderst war, wie wenn sie noch b'hüte Gott zu ihr sagte.
Von
Sie ſind nichts gegen dieſe, ſagte die Meyerin; und Gertrud: es iſt wahr, es iſt weit und breit keine ſolche; und ruͤhmte dann das Thier, wie ſie ſo viel Milch gebe, und wie gut dieſe ſey, wie ſie Nidle, und viel Anken (Butter) ſie gebe; denn auch, wie treu ſie ſeye, und wie freundlich, und wie ein jedwedes Kind mit ihr machen koͤnne was es wolle.
Die Meyerin hoͤrte ihr zu, wie in einer Predigt; ſagte da: man ſiehet ihr wohl an, daß ſie ein gutes Thier iſt; und erzaͤhlte denn, wie ſie daheim auch eine haben, die ſo gut ſey, und wie die vorige Woche ihres Bru- ders Kind unter ſie herunter gefallen, und mehr als eine Viertelſtund unter ihr auf dem Boden gelegen, ohne daß es jemand gewußt; und die Kuh haͤtte nicht mehr Sorg zu ihm tragen koͤnnen, wenn es ihr Kalb geweſen waͤre, bis jemand dazu gekommen, und ihn’s weggenommen.
Da ſie das erzaͤhlte, lehnte ſie ſich mit dem Arm dem Flek uͤber den Hals, und Gertrud hielte ihr da das Futter faſt vor; da nahm ſie eine Handvoll Salz und Geleck nach der ande- ren, ließ das Thier eine Weile aus der Hand freſſen; und da ſie fortgieng, that ſie noch ſo freundlich mit ihr, daß es nicht anderſt war, wie wenn ſie noch b’huͤte Gott zu ihr ſagte.
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Sie ſind nichts gegen dieſe, ſagte die
Meyerin; und Gertrud: es iſt wahr, es iſt
weit und breit keine ſolche; und ruͤhmte
dann das Thier, wie ſie ſo viel Milch gebe,
und wie gut dieſe ſey, wie ſie Nidle, und
viel Anken (Butter) ſie gebe; denn auch,
wie treu ſie ſeye, und wie freundlich, und
wie ein jedwedes Kind mit ihr machen koͤnne
was es wolle.
Die Meyerin hoͤrte ihr zu, wie in einer
Predigt; ſagte da: man ſiehet ihr wohl an,
daß ſie ein gutes Thier iſt; und erzaͤhlte denn,
wie ſie daheim auch eine haben, die ſo gut
ſey, und wie die vorige Woche ihres Bru-
ders Kind unter ſie herunter gefallen, und
mehr als eine Viertelſtund unter ihr auf dem
Boden gelegen, ohne daß es jemand gewußt;
und die Kuh haͤtte nicht mehr Sorg zu ihm
tragen koͤnnen, wenn es ihr Kalb geweſen
waͤre, bis jemand dazu gekommen, und ihn’s
weggenommen.
Da ſie das erzaͤhlte, lehnte ſie ſich mit dem
Arm dem Flek uͤber den Hals, und Gertrud
hielte ihr da das Futter faſt vor; da nahm ſie
eine Handvoll Salz und Geleck nach der ande-
ren, ließ das Thier eine Weile aus der Hand
freſſen; und da ſie fortgieng, that ſie noch ſo
freundlich mit ihr, daß es nicht anderſt war,
wie wenn ſie noch b’huͤte Gott zu ihr ſagte.
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/70>, abgerufen am 24.11.2024.
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