Zörnet es nicht, gute Klöster! ihr seyd nicht allein diejenige, welche etwann zu Zeiten die Gewalt ge- gen das Volk mißbraucht, und ihm etwann zu Zei- ten eine Schrift hinterhalten habt, die euern Finan- zen im Wege stund, selber die Nachkommen des christlichen Ritters haben Jahrhunderte lang aus der Lebensgeschichte dieses Ritters, ihrem ältesten Familienstück, ein Geheimniß gemacht, weil die Rechte und Freyheiten, die er seinen Bauern gege- ben, alle darinn aufgeschrieben waren, und sie eben so wenig als die Patres im Himmelauf, Lumpen- bauern gerne Treu und Glauben hielten, und ihnen Jahrhunderte durch eben so wenig behagte in die- sem Buche zu lesen; die einfältige, gutmüthige und unverfängliche Art, mit der er mit seinen Bauern umgieng, wie er allem Streit vorbog, und haupt- sächlich, wie wenig er zu seinem Edelmanns Auf- wand, nach seinem Ausdruck, von dem Brod seiner Bauern abschnitt, und dabey sein Haus doch äuf- nete, wie kein Edelmann seiner Nachbarschaft, und dasselbe weit über diejenige emporbrachte, die un- gesättigt vom Brod ihrer armen Leuten, noch sie selber aufaßen. --
G 2
§. 25. Grundſaͤtze zur Bildung des Adels.
Zoͤrnet es nicht, gute Kloͤſter! ihr ſeyd nicht allein diejenige, welche etwann zu Zeiten die Gewalt ge- gen das Volk mißbraucht, und ihm etwann zu Zei- ten eine Schrift hinterhalten habt, die euern Finan- zen im Wege ſtund, ſelber die Nachkommen des chriſtlichen Ritters haben Jahrhunderte lang aus der Lebensgeſchichte dieſes Ritters, ihrem aͤlteſten Familienſtuͤck, ein Geheimniß gemacht, weil die Rechte und Freyheiten, die er ſeinen Bauern gege- ben, alle darinn aufgeſchrieben waren, und ſie eben ſo wenig als die Patres im Himmelauf, Lumpen- bauern gerne Treu und Glauben hielten, und ihnen Jahrhunderte durch eben ſo wenig behagte in die- ſem Buche zu leſen; die einfaͤltige, gutmuͤthige und unverfaͤngliche Art, mit der er mit ſeinen Bauern umgieng, wie er allem Streit vorbog, und haupt- ſaͤchlich, wie wenig er zu ſeinem Edelmanns Auf- wand, nach ſeinem Ausdruck, von dem Brod ſeiner Bauern abſchnitt, und dabey ſein Haus doch aͤuf- nete, wie kein Edelmann ſeiner Nachbarſchaft, und daſſelbe weit uͤber diejenige emporbrachte, die un- geſaͤttigt vom Brod ihrer armen Leuten, noch ſie ſelber aufaßen. —
G 2
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§. 25.
Grundſaͤtze zur Bildung des Adels.
Zoͤrnet es nicht, gute Kloͤſter! ihr ſeyd nicht allein
diejenige, welche etwann zu Zeiten die Gewalt ge-
gen das Volk mißbraucht, und ihm etwann zu Zei-
ten eine Schrift hinterhalten habt, die euern Finan-
zen im Wege ſtund, ſelber die Nachkommen des
chriſtlichen Ritters haben Jahrhunderte lang aus
der Lebensgeſchichte dieſes Ritters, ihrem aͤlteſten
Familienſtuͤck, ein Geheimniß gemacht, weil die
Rechte und Freyheiten, die er ſeinen Bauern gege-
ben, alle darinn aufgeſchrieben waren, und ſie eben
ſo wenig als die Patres im Himmelauf, Lumpen-
bauern gerne Treu und Glauben hielten, und ihnen
Jahrhunderte durch eben ſo wenig behagte in die-
ſem Buche zu leſen; die einfaͤltige, gutmuͤthige und
unverfaͤngliche Art, mit der er mit ſeinen Bauern
umgieng, wie er allem Streit vorbog, und haupt-
ſaͤchlich, wie wenig er zu ſeinem Edelmanns Auf-
wand, nach ſeinem Ausdruck, von dem Brod ſeiner
Bauern abſchnitt, und dabey ſein Haus doch aͤuf-
nete, wie kein Edelmann ſeiner Nachbarſchaft, und
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geſaͤttigt vom Brod ihrer armen Leuten, noch ſie
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/117>, abgerufen am 21.11.2024.
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