derungen vorgefallen? Hieraus erneuerte dann der Lieutenant eben so in allen seinen Theilen sein großes Dorfwirthschafts-Buch. Aus diesem ließ der Jun- ker dann alljährlich einem jeden Haushälter seinen Wirthschafts-Spiegel in allen seinen Theilen wieder erneuern, und ließ ihn auf die gleiche Art wieder über eine jede Abänderung Antwort geben, ob sie richtig sey oder nicht? --
Aber auch das war ihm noch nicht genug. Er sah die Kopfs-Einschränkung seiner meistens nur ein- seitig gebildeten Dorfräthen, und erkannte, daß Leute, die in einem besondern und einzelnen Theil der Wirthschaft vorzügliche Erfahrungen haben, in ei- nem gewissen Alter oft bestimmt dadurch gehindert werden, so wohl mit Unpartheylichkeit, als mit genugsamer Geduld anderer, in ihrem Fach min- der erfahrnen Leuten so an die Hand zu gehen, daß ihnen wirklich an die Hand gegangen ist -- und eben so, daß ihre einseitigen Erfahrungen und Kennt- nisse sie meistens auch dahinbringen, aus ihrem Fach alles, oder einmal viel mehr, zu machen, als es im Ganzen und mit allem übrigen verbunden wirklich ist. -- Es begegnet ihnen auch nicht sel- ten, daß sie meynen, sie verstehen alles, wie sie eins verstehen -- eben so, wie sie auch oft durch ihr Alter und abnehmende Kräfte gehindert werden, auf die Art, wie es seyn sollte, einem ganzen Dorf in ihrem Fach an die Hand zu gehen, und
derungen vorgefallen? Hieraus erneuerte dann der Lieutenant eben ſo in allen ſeinen Theilen ſein großes Dorfwirthſchafts-Buch. Aus dieſem ließ der Jun- ker dann alljaͤhrlich einem jeden Haushaͤlter ſeinen Wirthſchafts-Spiegel in allen ſeinen Theilen wieder erneuern, und ließ ihn auf die gleiche Art wieder uͤber eine jede Abaͤnderung Antwort geben, ob ſie richtig ſey oder nicht? —
Aber auch das war ihm noch nicht genug. Er ſah die Kopfs-Einſchraͤnkung ſeiner meiſtens nur ein- ſeitig gebildeten Dorfraͤthen, und erkannte, daß Leute, die in einem beſondern und einzelnen Theil der Wirthſchaft vorzuͤgliche Erfahrungen haben, in ei- nem gewiſſen Alter oft beſtimmt dadurch gehindert werden, ſo wohl mit Unpartheylichkeit, als mit genugſamer Geduld anderer, in ihrem Fach min- der erfahrnen Leuten ſo an die Hand zu gehen, daß ihnen wirklich an die Hand gegangen iſt — und eben ſo, daß ihre einſeitigen Erfahrungen und Kennt- niſſe ſie meiſtens auch dahinbringen, aus ihrem Fach alles, oder einmal viel mehr, zu machen, als es im Ganzen und mit allem uͤbrigen verbunden wirklich iſt. — Es begegnet ihnen auch nicht ſel- ten, daß ſie meynen, ſie verſtehen alles, wie ſie eins verſtehen — eben ſo, wie ſie auch oft durch ihr Alter und abnehmende Kraͤfte gehindert werden, auf die Art, wie es ſeyn ſollte, einem ganzen Dorf in ihrem Fach an die Hand zu gehen, und
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[253/0271]
derungen vorgefallen? Hieraus erneuerte dann der
Lieutenant eben ſo in allen ſeinen Theilen ſein großes
Dorfwirthſchafts-Buch. Aus dieſem ließ der Jun-
ker dann alljaͤhrlich einem jeden Haushaͤlter ſeinen
Wirthſchafts-Spiegel in allen ſeinen Theilen wieder
erneuern, und ließ ihn auf die gleiche Art wieder
uͤber eine jede Abaͤnderung Antwort geben, ob ſie
richtig ſey oder nicht? —
Aber auch das war ihm noch nicht genug. Er
ſah die Kopfs-Einſchraͤnkung ſeiner meiſtens nur ein-
ſeitig gebildeten Dorfraͤthen, und erkannte, daß
Leute, die in einem beſondern und einzelnen Theil der
Wirthſchaft vorzuͤgliche Erfahrungen haben, in ei-
nem gewiſſen Alter oft beſtimmt dadurch gehindert
werden, ſo wohl mit Unpartheylichkeit, als mit
genugſamer Geduld anderer, in ihrem Fach min-
der erfahrnen Leuten ſo an die Hand zu gehen, daß
ihnen wirklich an die Hand gegangen iſt — und
eben ſo, daß ihre einſeitigen Erfahrungen und Kennt-
niſſe ſie meiſtens auch dahinbringen, aus ihrem
Fach alles, oder einmal viel mehr, zu machen, als
es im Ganzen und mit allem uͤbrigen verbunden
wirklich iſt. — Es begegnet ihnen auch nicht ſel-
ten, daß ſie meynen, ſie verſtehen alles, wie ſie eins
verſtehen — eben ſo, wie ſie auch oft durch ihr
Alter und abnehmende Kraͤfte gehindert werden,
auf die Art, wie es ſeyn ſollte, einem ganzen
Dorf in ihrem Fach an die Hand zu gehen, und
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/271>, abgerufen am 21.11.2024.
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