schuldigungen wahr und begründt gewesen oder nicht, und überhaupt was etwan die besten Mittel seyn möchten, in der Stille und Freundlichkeit einen guten Einfluß auf ihn und seine Haushaltung zu haben. -- So dann aber der Mann das zweyte Jahr in diesem Stück, oder in andern eben so wich- tigen, gleich als ein schlechter und nachläßiger Haushalter zum Vorschein kam, so mußte er dann mit seiner ganzen Haushaltung vor dem Junker und dem Dorfrathe erscheinen, und in ihrer aller Ge- genwart sich erklären, welches die Gründe der fort- dauernden Vernachläßigung dieses oder jenes Stücks seiner Wirthschaft seyen? --
Aber dann war es schon ernsthafter. -- Die Dorfräthe und die Aufseher seiner Gasse mußten sich einen Tag vorher versammeln, die Gründe, die er ihnen das vorige Jahr angegeben, von neuem über- legen, und sich als auf eine sehr ernsthafte und für das Dorf sehr wichtige Sache gefaßt machen, sich von ihm in keinem Wort blenden zu lassen, und von ihm keine leere ungültige Entschuldigung als gültig anzunehmen, sondern ihm vielmehr ein jedes falsches, heuchlerisches, unrichtiges Wort, mit der grösten Kraft, die ihnen möglich, im Mund umzu- kehren, und eben so seiner Frau und seinen Kin- dern, um sie sämtlich in dem Grad zu beschämen, als sie es wagen wollten, mit Lügen und Blend- werken durchzuschlüpfen. -- Die Dorfräthe muß-
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ſchuldigungen wahr und begruͤndt geweſen oder nicht, und uͤberhaupt was etwan die beſten Mittel ſeyn moͤchten, in der Stille und Freundlichkeit einen guten Einfluß auf ihn und ſeine Haushaltung zu haben. — So dann aber der Mann das zweyte Jahr in dieſem Stuͤck, oder in andern eben ſo wich- tigen, gleich als ein ſchlechter und nachlaͤßiger Haushalter zum Vorſchein kam, ſo mußte er dann mit ſeiner ganzen Haushaltung vor dem Junker und dem Dorfrathe erſcheinen, und in ihrer aller Ge- genwart ſich erklaͤren, welches die Gruͤnde der fort- dauernden Vernachlaͤßigung dieſes oder jenes Stuͤcks ſeiner Wirthſchaft ſeyen? —
Aber dann war es ſchon ernſthafter. — Die Dorfraͤthe und die Aufſeher ſeiner Gaſſe mußten ſich einen Tag vorher verſammeln, die Gruͤnde, die er ihnen das vorige Jahr angegeben, von neuem uͤber- legen, und ſich als auf eine ſehr ernſthafte und fuͤr das Dorf ſehr wichtige Sache gefaßt machen, ſich von ihm in keinem Wort blenden zu laſſen, und von ihm keine leere unguͤltige Entſchuldigung als guͤltig anzunehmen, ſondern ihm vielmehr ein jedes falſches, heuchleriſches, unrichtiges Wort, mit der groͤſten Kraft, die ihnen moͤglich, im Mund umzu- kehren, und eben ſo ſeiner Frau und ſeinen Kin- dern, um ſie ſaͤmtlich in dem Grad zu beſchaͤmen, als ſie es wagen wollten, mit Luͤgen und Blend- werken durchzuſchluͤpfen. — Die Dorfraͤthe muß-
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ſchuldigungen wahr und begruͤndt geweſen oder
nicht, und uͤberhaupt was etwan die beſten Mittel
ſeyn moͤchten, in der Stille und Freundlichkeit einen
guten Einfluß auf ihn und ſeine Haushaltung zu
haben. — So dann aber der Mann das zweyte
Jahr in dieſem Stuͤck, oder in andern eben ſo wich-
tigen, gleich als ein ſchlechter und nachlaͤßiger
Haushalter zum Vorſchein kam, ſo mußte er dann
mit ſeiner ganzen Haushaltung vor dem Junker und
dem Dorfrathe erſcheinen, und in ihrer aller Ge-
genwart ſich erklaͤren, welches die Gruͤnde der fort-
dauernden Vernachlaͤßigung dieſes oder jenes Stuͤcks
ſeiner Wirthſchaft ſeyen? —
Aber dann war es ſchon ernſthafter. — Die
Dorfraͤthe und die Aufſeher ſeiner Gaſſe mußten
ſich einen Tag vorher verſammeln, die Gruͤnde, die
er ihnen das vorige Jahr angegeben, von neuem uͤber-
legen, und ſich als auf eine ſehr ernſthafte und fuͤr
das Dorf ſehr wichtige Sache gefaßt machen, ſich
von ihm in keinem Wort blenden zu laſſen, und
von ihm keine leere unguͤltige Entſchuldigung als
guͤltig anzunehmen, ſondern ihm vielmehr ein jedes
falſches, heuchleriſches, unrichtiges Wort, mit der
groͤſten Kraft, die ihnen moͤglich, im Mund umzu-
kehren, und eben ſo ſeiner Frau und ſeinen Kin-
dern, um ſie ſaͤmtlich in dem Grad zu beſchaͤmen,
als ſie es wagen wollten, mit Luͤgen und Blend-
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/277>, abgerufen am 21.11.2024.
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