nung seyen, daß er beym Leben und Sterben mit Niemand gefahre, weder wenig noch viel in Streit zu kommen? Frau, Kind, Verwandte, Nachbarn und Aufseher mußten dem Junker bestätigen, und dafür anloben, daß ihnen nichts bekannt, das die Aussage des Manns in irgend einem Theile zwei- felhaft und unzuverläßig mache.
Eben so mußten die Dorfräthe ihm alljährlich in der Woche vor Ostern umständlich, und ein je- der nach einer von dem Lieutenant, auf eine sei- nem besondern Fach angemessene und daßelbe in allen seinen Theilen erschöpfende Form, pünktliche Antwort geben, ob sie wenig oder viel Unsicherheit und Gefehrden in ihrem Fach überhaupt, oder in einzelnen Theilen davon spüren? Und wieder, muß- ten die Aufseher an diesem Tage, nach einer eben so genau ihrer Lage und Bestimmung anpassenden Form, Antwort geben, ob sie in den Abtheilungen ihrer Gassen bey irgend jemand Ursach haben zu vermuthen, daß er in diesem oder jenem Stück früh oder spät in Streit oder Unordnung gelangen könne? --
Endlich mußten bey Todesfällen die Aufseher von der Gasse des Verstorbenen, ehe der Todte begraben worden, die sämtlichen Erben in Gegen- wart zweyer Dorfräthen, der Frau und der er- wachsenen Kinder der Erben, im Namen des Jun-
nung ſeyen, daß er beym Leben und Sterben mit Niemand gefahre, weder wenig noch viel in Streit zu kommen? Frau, Kind, Verwandte, Nachbarn und Aufſeher mußten dem Junker beſtaͤtigen, und dafuͤr anloben, daß ihnen nichts bekannt, das die Ausſage des Manns in irgend einem Theile zwei- felhaft und unzuverlaͤßig mache.
Eben ſo mußten die Dorfraͤthe ihm alljaͤhrlich in der Woche vor Oſtern umſtaͤndlich, und ein je- der nach einer von dem Lieutenant, auf eine ſei- nem beſondern Fach angemeſſene und daßelbe in allen ſeinen Theilen erſchoͤpfende Form, puͤnktliche Antwort geben, ob ſie wenig oder viel Unſicherheit und Gefehrden in ihrem Fach uͤberhaupt, oder in einzelnen Theilen davon ſpuͤren? Und wieder, muß- ten die Aufſeher an dieſem Tage, nach einer eben ſo genau ihrer Lage und Beſtimmung anpaſſenden Form, Antwort geben, ob ſie in den Abtheilungen ihrer Gaſſen bey irgend jemand Urſach haben zu vermuthen, daß er in dieſem oder jenem Stuͤck fruͤh oder ſpaͤt in Streit oder Unordnung gelangen koͤnne? —
Endlich mußten bey Todesfaͤllen die Aufſeher von der Gaſſe des Verſtorbenen, ehe der Todte begraben worden, die ſaͤmtlichen Erben in Gegen- wart zweyer Dorfraͤthen, der Frau und der er- wachſenen Kinder der Erben, im Namen des Jun-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0298"n="280"/>
nung ſeyen, daß er beym Leben und Sterben mit<lb/>
Niemand gefahre, weder wenig noch viel in Streit<lb/>
zu kommen? Frau, Kind, Verwandte, Nachbarn<lb/>
und Aufſeher mußten dem Junker beſtaͤtigen, und<lb/>
dafuͤr anloben, daß ihnen nichts bekannt, das die<lb/>
Ausſage des Manns in irgend einem Theile zwei-<lb/>
felhaft und unzuverlaͤßig mache.</p><lb/><p>Eben ſo mußten die Dorfraͤthe ihm alljaͤhrlich<lb/>
in der Woche vor Oſtern umſtaͤndlich, und ein je-<lb/>
der nach einer von dem Lieutenant, auf eine ſei-<lb/>
nem beſondern Fach angemeſſene und daßelbe in<lb/>
allen ſeinen Theilen erſchoͤpfende Form, puͤnktliche<lb/>
Antwort geben, ob ſie wenig oder viel Unſicherheit<lb/>
und Gefehrden in ihrem Fach uͤberhaupt, oder in<lb/>
einzelnen Theilen davon ſpuͤren? Und wieder, muß-<lb/>
ten die Aufſeher an dieſem Tage, nach einer eben<lb/>ſo genau ihrer Lage und Beſtimmung anpaſſenden<lb/>
Form, Antwort geben, ob ſie in den Abtheilungen<lb/>
ihrer Gaſſen bey irgend jemand Urſach haben zu<lb/>
vermuthen, daß er in dieſem oder jenem Stuͤck<lb/>
fruͤh oder ſpaͤt in Streit oder Unordnung gelangen<lb/>
koͤnne? —</p><lb/><p>Endlich mußten bey Todesfaͤllen die Aufſeher<lb/>
von der Gaſſe des Verſtorbenen, ehe der Todte<lb/>
begraben worden, die ſaͤmtlichen Erben in Gegen-<lb/>
wart zweyer Dorfraͤthen, der Frau und der er-<lb/>
wachſenen Kinder der Erben, im Namen des Jun-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[280/0298]
nung ſeyen, daß er beym Leben und Sterben mit
Niemand gefahre, weder wenig noch viel in Streit
zu kommen? Frau, Kind, Verwandte, Nachbarn
und Aufſeher mußten dem Junker beſtaͤtigen, und
dafuͤr anloben, daß ihnen nichts bekannt, das die
Ausſage des Manns in irgend einem Theile zwei-
felhaft und unzuverlaͤßig mache.
Eben ſo mußten die Dorfraͤthe ihm alljaͤhrlich
in der Woche vor Oſtern umſtaͤndlich, und ein je-
der nach einer von dem Lieutenant, auf eine ſei-
nem beſondern Fach angemeſſene und daßelbe in
allen ſeinen Theilen erſchoͤpfende Form, puͤnktliche
Antwort geben, ob ſie wenig oder viel Unſicherheit
und Gefehrden in ihrem Fach uͤberhaupt, oder in
einzelnen Theilen davon ſpuͤren? Und wieder, muß-
ten die Aufſeher an dieſem Tage, nach einer eben
ſo genau ihrer Lage und Beſtimmung anpaſſenden
Form, Antwort geben, ob ſie in den Abtheilungen
ihrer Gaſſen bey irgend jemand Urſach haben zu
vermuthen, daß er in dieſem oder jenem Stuͤck
fruͤh oder ſpaͤt in Streit oder Unordnung gelangen
koͤnne? —
Endlich mußten bey Todesfaͤllen die Aufſeher
von der Gaſſe des Verſtorbenen, ehe der Todte
begraben worden, die ſaͤmtlichen Erben in Gegen-
wart zweyer Dorfraͤthen, der Frau und der er-
wachſenen Kinder der Erben, im Namen des Jun-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/298>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.