seine Klage in gemäßigten, und die Ehre des Be- klagten auf alle mögliche Art schonenden Ausdrü- cken vor, fragte dann vor allem aus, ob sie ihn deutlich verstanden? worauf der Aeltere der Bey- steher des Beklagten die Klage pünktlich wiederho- len, und ihm sagen mußte, sie wollen izt ihrerseits den Beklagten darüber vernehmen, und dann in einer oder zwey Stunden sehen, wie es etwan mög- lich, im Frieden von einander zu kommen! Dann traten die Verwandten und die Beyständer des Klä- gers ab; der Beklagte blieb so lang bey seinen Leu- ten allein, und konnte in dieser Zeit mit ihnen überlegen, was er dem Kläger antworten, und Friedens halber etwan anerbieten wolle? Dann, wann die verabredeten Stunden vorüber, kam die Gegenparthie wieder, sezte sich an ihren Plaz, und der Aeltere von den sechszigjärigen Männern, auf Seiten des Beklagten, trug dann in eben so ge- mäßigten Ausdrücken, und ebenfalls die Ehre des Klägers auf alle mögliche Weise schonend, die Ant- wort des Beklagten vor, und bot darauf in seinem Namen den Anwesenden einen Friedenstrunk an; dann trank ein jeder ein Glas Wein, zu erst auf das Wohlseyn des Beklagten, dann auf dasjenige des Klägers; und nun wurden erst entweder Schieds- richter erwählt, welche die Sache nach ihrem Gut- dünken, und so, wie sie es für beyde Theile am Billigsten finden, ausmachen sollten; oder, wenn
man
ſeine Klage in gemaͤßigten, und die Ehre des Be- klagten auf alle moͤgliche Art ſchonenden Ausdruͤ- cken vor, fragte dann vor allem aus, ob ſie ihn deutlich verſtanden? worauf der Aeltere der Bey- ſteher des Beklagten die Klage puͤnktlich wiederho- len, und ihm ſagen mußte, ſie wollen izt ihrerſeits den Beklagten daruͤber vernehmen, und dann in einer oder zwey Stunden ſehen, wie es etwan moͤg- lich, im Frieden von einander zu kommen! Dann traten die Verwandten und die Beyſtaͤnder des Klaͤ- gers ab; der Beklagte blieb ſo lang bey ſeinen Leu- ten allein, und konnte in dieſer Zeit mit ihnen uͤberlegen, was er dem Klaͤger antworten, und Friedens halber etwan anerbieten wolle? Dann, wann die verabredeten Stunden voruͤber, kam die Gegenparthie wieder, ſezte ſich an ihren Plaz, und der Aeltere von den ſechszigjaͤrigen Maͤnnern, auf Seiten des Beklagten, trug dann in eben ſo ge- maͤßigten Ausdruͤcken, und ebenfalls die Ehre des Klaͤgers auf alle moͤgliche Weiſe ſchonend, die Ant- wort des Beklagten vor, und bot darauf in ſeinem Namen den Anweſenden einen Friedenstrunk an; dann trank ein jeder ein Glas Wein, zu erſt auf das Wohlſeyn des Beklagten, dann auf dasjenige des Klaͤgers; und nun wurden erſt entweder Schieds- richter erwaͤhlt, welche die Sache nach ihrem Gut- duͤnken, und ſo, wie ſie es fuͤr beyde Theile am Billigſten finden, ausmachen ſollten; oder, wenn
man
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ſeine Klage in gemaͤßigten, und die Ehre des Be-
klagten auf alle moͤgliche Art ſchonenden Ausdruͤ-
cken vor, fragte dann vor allem aus, ob ſie ihn
deutlich verſtanden? worauf der Aeltere der Bey-
ſteher des Beklagten die Klage puͤnktlich wiederho-
len, und ihm ſagen mußte, ſie wollen izt ihrerſeits
den Beklagten daruͤber vernehmen, und dann in
einer oder zwey Stunden ſehen, wie es etwan moͤg-
lich, im Frieden von einander zu kommen! Dann
traten die Verwandten und die Beyſtaͤnder des Klaͤ-
gers ab; der Beklagte blieb ſo lang bey ſeinen Leu-
ten allein, und konnte in dieſer Zeit mit ihnen
uͤberlegen, was er dem Klaͤger antworten, und
Friedens halber etwan anerbieten wolle? Dann,
wann die verabredeten Stunden voruͤber, kam die
Gegenparthie wieder, ſezte ſich an ihren Plaz, und
der Aeltere von den ſechszigjaͤrigen Maͤnnern, auf
Seiten des Beklagten, trug dann in eben ſo ge-
maͤßigten Ausdruͤcken, und ebenfalls die Ehre des
Klaͤgers auf alle moͤgliche Weiſe ſchonend, die Ant-
wort des Beklagten vor, und bot darauf in ſeinem
Namen den Anweſenden einen Friedenstrunk an;
dann trank ein jeder ein Glas Wein, zu erſt auf
das Wohlſeyn des Beklagten, dann auf dasjenige
des Klaͤgers; und nun wurden erſt entweder Schieds-
richter erwaͤhlt, welche die Sache nach ihrem Gut-
duͤnken, und ſo, wie ſie es fuͤr beyde Theile am
Billigſten finden, ausmachen ſollten; oder, wenn
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/306>, abgerufen am 21.11.2024.
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