rer redete mit der Gemeinde, als mit den wahren Aeltern und Pflegvätern der Witwen und Waisen; dann las er auch die Prüfung der Witwen und Wai- sen, und das Bild ihres Zustands. --
So endete sich die Prüfungsstunde des Volks in Bonnal am Abend vor den heiligen Festen. --
Den folgenden Tag, als am Feste selber, wie- derholte der Pfarrer fast mit ähnlichen Worten einer jeden Klasse seiner Pfarrkinder das Wesentliche die- ser Prüfung, in dem Augenblick vor dem Genuß des Mahls der Liebe, und nach dieser heiligen Handlung sagte er zum Volk --
Irret euch nicht! -- Die Liebe bestehet nicht in Einbildungen und Worten, sondern in der Kraft der Menschen, die Last der Erden zu tragen, ihr Elend zu mindern, und ihren Jammer zu heben. --
Der Gott der Liebe hat die Liebe an die Ord- nung der Erde gebunden, und wer für das, was er in der Welt seyn soll, nicht in der Ordnung ist, der ist auch für die Liebe Gottes und des Nächsten in der Welt nicht in der Ordnung. Wer immer nicht ist, was er seyn soll, nicht kann, was seine Pflicht ist, und zu dem nicht taugt, was ihm ob- liegt, dem mangelt die erste Kraft der reinen Liebe Gottes und des Nächsten. --
rer redete mit der Gemeinde, als mit den wahren Aeltern und Pflegvaͤtern der Witwen und Waiſen; dann las er auch die Pruͤfung der Witwen und Wai- ſen, und das Bild ihres Zuſtands. —
So endete ſich die Pruͤfungsſtunde des Volks in Bonnal am Abend vor den heiligen Feſten. —
Den folgenden Tag, als am Feſte ſelber, wie- derholte der Pfarrer faſt mit aͤhnlichen Worten einer jeden Klaſſe ſeiner Pfarrkinder das Weſentliche die- ſer Pruͤfung, in dem Augenblick vor dem Genuß des Mahls der Liebe, und nach dieſer heiligen Handlung ſagte er zum Volk —
Irret euch nicht! — Die Liebe beſtehet nicht in Einbildungen und Worten, ſondern in der Kraft der Menſchen, die Laſt der Erden zu tragen, ihr Elend zu mindern, und ihren Jammer zu heben. —
Der Gott der Liebe hat die Liebe an die Ord- nung der Erde gebunden, und wer fuͤr das, was er in der Welt ſeyn ſoll, nicht in der Ordnung iſt, der iſt auch fuͤr die Liebe Gottes und des Naͤchſten in der Welt nicht in der Ordnung. Wer immer nicht iſt, was er ſeyn ſoll, nicht kann, was ſeine Pflicht iſt, und zu dem nicht taugt, was ihm ob- liegt, dem mangelt die erſte Kraft der reinen Liebe Gottes und des Naͤchſten. —
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rer redete mit der Gemeinde, als mit den wahren
Aeltern und Pflegvaͤtern der Witwen und Waiſen;
dann las er auch die Pruͤfung der Witwen und Wai-
ſen, und das Bild ihres Zuſtands. —
So endete ſich die Pruͤfungsſtunde des Volks
in Bonnal am Abend vor den heiligen Feſten. —
Den folgenden Tag, als am Feſte ſelber, wie-
derholte der Pfarrer faſt mit aͤhnlichen Worten einer
jeden Klaſſe ſeiner Pfarrkinder das Weſentliche die-
ſer Pruͤfung, in dem Augenblick vor dem Genuß
des Mahls der Liebe, und nach dieſer heiligen
Handlung ſagte er zum Volk —
Irret euch nicht! — Die Liebe beſtehet nicht
in Einbildungen und Worten, ſondern in der Kraft
der Menſchen, die Laſt der Erden zu tragen, ihr
Elend zu mindern, und ihren Jammer zu heben. —
Der Gott der Liebe hat die Liebe an die Ord-
nung der Erde gebunden, und wer fuͤr das, was
er in der Welt ſeyn ſoll, nicht in der Ordnung iſt,
der iſt auch fuͤr die Liebe Gottes und des Naͤchſten
in der Welt nicht in der Ordnung. Wer immer
nicht iſt, was er ſeyn ſoll, nicht kann, was ſeine
Pflicht iſt, und zu dem nicht taugt, was ihm ob-
liegt, dem mangelt die erſte Kraft der reinen Liebe
Gottes und des Naͤchſten. —
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/382>, abgerufen am 16.02.2025.
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