Sie ist nicht ein Traum, und nicht wie das Säuseln des Windes, das sanft in deinen Adern schlägt, und nicht wie das Wiegen eines Kinds, das unter dem Singen der tändelnden Amme ent- schläft.
Alle Liebe der Menschen, die ohne Kraft und ohne Wirkung ist, ist so viel als keine. Ohne Le- bensweisheit, ohne Lebensstärke, ohne Ueberwin- dungskräfte, ohne Hausordnung, ohne eine vor- sichtige, bedächtliche, und die Grundfesten des menschlichen Wohlstands, festhaltende Seelenstim- mung, ist sie nichts anders, als die gleiche thieri- sche Theilnehmung, die fast ein jedes Thier beym Leiden eines andern seiner Art zeiget; aber diese Art bloßer Thierliebe ist im bürgerlichen Leben Nichts und minder als Nichts werth, sie ist gänz- lich Verdienst-leer und Wirkungs-los -- Sie hilft Niemanden, sie bringt Niemanden in Ordnung; was sie will, das kann sie nicht: was sie verspricht, das haltet sie nicht; was sie anfängt, das gera- thet ihr nicht -- sie macht den Hungrigen nicht satt -- sie hat den Durstigen nichts zu trinken -- sie macht den Frierenden nicht warm -- sie läßt den sinkenden im Koth -- kurz, sie betrügt, ihre Hofnungen sind leerer Schein -- sie nimmt dem Menschen was er hat, und giebt ihm nichts wie- der, und thut Niemanden darmit wohl. -- Der Mensch ist nur in so weit wahrer wirksamer Liebe
Sie iſt nicht ein Traum, und nicht wie das Saͤuſeln des Windes, das ſanft in deinen Adern ſchlaͤgt, und nicht wie das Wiegen eines Kinds, das unter dem Singen der taͤndelnden Amme ent- ſchlaͤft.
Alle Liebe der Menſchen, die ohne Kraft und ohne Wirkung iſt, iſt ſo viel als keine. Ohne Le- bensweisheit, ohne Lebensſtaͤrke, ohne Ueberwin- dungskraͤfte, ohne Hausordnung, ohne eine vor- ſichtige, bedaͤchtliche, und die Grundfeſten des menſchlichen Wohlſtands, feſthaltende Seelenſtim- mung, iſt ſie nichts anders, als die gleiche thieri- ſche Theilnehmung, die faſt ein jedes Thier beym Leiden eines andern ſeiner Art zeiget; aber dieſe Art bloßer Thierliebe iſt im buͤrgerlichen Leben Nichts und minder als Nichts werth, ſie iſt gaͤnz- lich Verdienſt-leer und Wirkungs-los — Sie hilft Niemanden, ſie bringt Niemanden in Ordnung; was ſie will, das kann ſie nicht: was ſie verſpricht, das haltet ſie nicht; was ſie anfaͤngt, das gera- thet ihr nicht — ſie macht den Hungrigen nicht ſatt — ſie hat den Durſtigen nichts zu trinken — ſie macht den Frierenden nicht warm — ſie laͤßt den ſinkenden im Koth — kurz, ſie betruͤgt, ihre Hofnungen ſind leerer Schein — ſie nimmt dem Menſchen was er hat, und giebt ihm nichts wie- der, und thut Niemanden darmit wohl. — Der Menſch iſt nur in ſo weit wahrer wirkſamer Liebe
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Sie iſt nicht ein Traum, und nicht wie das
Saͤuſeln des Windes, das ſanft in deinen Adern
ſchlaͤgt, und nicht wie das Wiegen eines Kinds,
das unter dem Singen der taͤndelnden Amme ent-
ſchlaͤft.
Alle Liebe der Menſchen, die ohne Kraft und
ohne Wirkung iſt, iſt ſo viel als keine. Ohne Le-
bensweisheit, ohne Lebensſtaͤrke, ohne Ueberwin-
dungskraͤfte, ohne Hausordnung, ohne eine vor-
ſichtige, bedaͤchtliche, und die Grundfeſten des
menſchlichen Wohlſtands, feſthaltende Seelenſtim-
mung, iſt ſie nichts anders, als die gleiche thieri-
ſche Theilnehmung, die faſt ein jedes Thier beym
Leiden eines andern ſeiner Art zeiget; aber dieſe
Art bloßer Thierliebe iſt im buͤrgerlichen Leben
Nichts und minder als Nichts werth, ſie iſt gaͤnz-
lich Verdienſt-leer und Wirkungs-los — Sie hilft
Niemanden, ſie bringt Niemanden in Ordnung;
was ſie will, das kann ſie nicht: was ſie verſpricht,
das haltet ſie nicht; was ſie anfaͤngt, das gera-
thet ihr nicht — ſie macht den Hungrigen nicht
ſatt — ſie hat den Durſtigen nichts zu trinken —
ſie macht den Frierenden nicht warm — ſie laͤßt
den ſinkenden im Koth — kurz, ſie betruͤgt, ihre
Hofnungen ſind leerer Schein — ſie nimmt dem
Menſchen was er hat, und giebt ihm nichts wie-
der, und thut Niemanden darmit wohl. — Der
Menſch iſt nur in ſo weit wahrer wirkſamer Liebe
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/383>, abgerufen am 21.11.2024.
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