auf eben diese Art Rödel gehabt, darein sie ge- nau aufgeschrieben, was sie von Haus zu Haus von einem jeden ihrer Pfarrkinder zu wissen noth- wendig gehabt, um mit Rath und That ihnen an die Hand zu gehen. Sie haben nicht, wie es izt üblich sey, es blos bey ihrem Predigen, Kin- derlehrhalten, und den Sterbenden vorbeten gel- ten lassen, sondern ihre Sorgfalt fürs Volk viel weiter getrieben, und Jahr für Jahr, Haus für Haus nachgesehen, ob sie bey irgend jemand et- was helfen und nützen können, da wo ihre Kan- zelarbeit umsonst sey, auch haben es die Dorfleute bis auf die Schulkinder hinunter alle wohl ge- wußt, daß ihre Pfarrer an dem Zustand ihrer Hausordnung, Kinderzucht, und auch an ihren Feldern und Matten die Probe machen, ob ihr Christenthum und ihr Aufsagen in der Kirche mehr als nichts sey. Es sey überall mehr in der Uebung gewesen, auf die Menschen acht zu geben, sie zu leiten, und an der Hand zu halten, daß sie nicht zu stark verirren, und jedermann habe das für eine ausgemachte Sache angesehen, daß ein jeder Mensch für andere Menschen, die ihm anvertraut sind, mehr als für irgend eine zeitliche Sache auf- richtig und redlich zu sorgen schuldig seyen, so daß wenn einer das nicht gethan, oder gar Ursach gewesen, daß dergleichen ihm anvertraute Leute an Leib und Seel Schaden gelitten, so habe ihm das Volk dieses so gut, als wenn er gestohlen, oder
auf eben dieſe Art Roͤdel gehabt, darein ſie ge- nau aufgeſchrieben, was ſie von Haus zu Haus von einem jeden ihrer Pfarrkinder zu wiſſen noth- wendig gehabt, um mit Rath und That ihnen an die Hand zu gehen. Sie haben nicht, wie es izt uͤblich ſey, es blos bey ihrem Predigen, Kin- derlehrhalten, und den Sterbenden vorbeten gel- ten laſſen, ſondern ihre Sorgfalt fuͤrs Volk viel weiter getrieben, und Jahr fuͤr Jahr, Haus fuͤr Haus nachgeſehen, ob ſie bey irgend jemand et- was helfen und nuͤtzen koͤnnen, da wo ihre Kan- zelarbeit umſonſt ſey, auch haben es die Dorfleute bis auf die Schulkinder hinunter alle wohl ge- wußt, daß ihre Pfarrer an dem Zuſtand ihrer Hausordnung, Kinderzucht, und auch an ihren Feldern und Matten die Probe machen, ob ihr Chriſtenthum und ihr Aufſagen in der Kirche mehr als nichts ſey. Es ſey uͤberall mehr in der Uebung geweſen, auf die Menſchen acht zu geben, ſie zu leiten, und an der Hand zu halten, daß ſie nicht zu ſtark verirren, und jedermann habe das fuͤr eine ausgemachte Sache angeſehen, daß ein jeder Menſch fuͤr andere Menſchen, die ihm anvertraut ſind, mehr als fuͤr irgend eine zeitliche Sache auf- richtig und redlich zu ſorgen ſchuldig ſeyen, ſo daß wenn einer das nicht gethan, oder gar Urſach geweſen, daß dergleichen ihm anvertraute Leute an Leib und Seel Schaden gelitten, ſo habe ihm das Volk dieſes ſo gut, als wenn er geſtohlen, oder
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[468/0486]
auf eben dieſe Art Roͤdel gehabt, darein ſie ge-
nau aufgeſchrieben, was ſie von Haus zu Haus
von einem jeden ihrer Pfarrkinder zu wiſſen noth-
wendig gehabt, um mit Rath und That ihnen an
die Hand zu gehen. Sie haben nicht, wie es
izt uͤblich ſey, es blos bey ihrem Predigen, Kin-
derlehrhalten, und den Sterbenden vorbeten gel-
ten laſſen, ſondern ihre Sorgfalt fuͤrs Volk viel
weiter getrieben, und Jahr fuͤr Jahr, Haus fuͤr
Haus nachgeſehen, ob ſie bey irgend jemand et-
was helfen und nuͤtzen koͤnnen, da wo ihre Kan-
zelarbeit umſonſt ſey, auch haben es die Dorfleute
bis auf die Schulkinder hinunter alle wohl ge-
wußt, daß ihre Pfarrer an dem Zuſtand ihrer
Hausordnung, Kinderzucht, und auch an ihren
Feldern und Matten die Probe machen, ob ihr
Chriſtenthum und ihr Aufſagen in der Kirche mehr
als nichts ſey. Es ſey uͤberall mehr in der Uebung
geweſen, auf die Menſchen acht zu geben, ſie zu
leiten, und an der Hand zu halten, daß ſie nicht
zu ſtark verirren, und jedermann habe das fuͤr
eine ausgemachte Sache angeſehen, daß ein jeder
Menſch fuͤr andere Menſchen, die ihm anvertraut
ſind, mehr als fuͤr irgend eine zeitliche Sache auf-
richtig und redlich zu ſorgen ſchuldig ſeyen, ſo
daß wenn einer das nicht gethan, oder gar Urſach
geweſen, daß dergleichen ihm anvertraute Leute an
Leib und Seel Schaden gelitten, ſo habe ihm das
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/486>, abgerufen am 24.11.2024.
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