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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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sich objektiviert, und eine rein epische, wenn der Dichter sich mit ppe_160.002
dem Erzähler identifiziert. Die erste findet man schon in Ulrich ppe_160.003
v. Lichtensteins "Frauendienst", in Grimmelshausens "Simplizissimus", ppe_160.004
in Goethes "Werther", Hoffmanns "Kapellmeister Kreisler" und in ppe_160.005
vielen späteren Bildungsromanen; die zweite war namentlich im Zeitroman ppe_160.006
des jungen Deutschlands an der Tagesordnung, wo die Gestalt ppe_160.007
des Literaten oft zur Selbstaussprache und Gesellschaftskritik des ppe_160.008
Dichters benutzt wurde; von dem grauen Mann in Immermanns ppe_160.009
"Münchhausen" über den Pfarrer von Gytiswyl bei Gotthelf bis zu ppe_160.010
Hermann Stehrs Faber im "Heiligenhof" kann man die pseudonyme ppe_160.011
Einmischung des Dichters unter seine Gestalten verfolgen; oft genügt ppe_160.012
es auch, wenn er einem Raisonneur seine eigene Lebensauffassung in ppe_160.013
den Mund legt, wie es Anatole France mit seinem Abbe Coignard, ppe_160.014
Fontane mit seinem Dubslav v. Stechlin tat. Die dritte Art dagegen, ppe_160.015
bei der der Erzähler mit Charakterzügen des Dichters sich in ppe_160.016
menschlicher Beschränkung darstellt, ist namentlich im humoristischen ppe_160.017
Roman zu finden.

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Dadurch, daß dem epischen Erzähler die Beschreibung und Schilderung ppe_160.019
seelischer Vorgänge verantwortlich zufällt, wird er praktisch ppe_160.020
in die Rolle des Psychologen versetzt und mit seinen Aufgaben ppe_160.021
belastet. Der Dichter, soweit er sich mit dem Erzähler identifiziert, ppe_160.022
kommt mit seiner Psychologie zur Selbstdarstellung. Denn es ist ppe_160.023
seine eigene Lebenserfahrung, Seelenkenntnis und Menschenbeobachtung, ppe_160.024
aus der heraus er den Zusammenhang zwischen den Charakteren ppe_160.025
und ihrer Handlungsweise allein erklären kann. Was er als Dichter ppe_160.026
von innen heraus gestaltet hat, muß er als Erzähler wie ein außenstehender ppe_160.027
Beobachter verständlich machen; er ist also in doppelter ppe_160.028
Funktion Psychologe sowohl als Charakterschöpfer wie als sich selbst ppe_160.029
darstellender Erklärer; ja, er kann es sogar, wenn er sich darum ppe_160.030
kümmert, noch in einer dritten Funktion sein, nämlich in der Berechnung ppe_160.031
des Eindrucks auf die Leserschaft, in der psychologischen ppe_160.032
Einschätzung des Publikums.

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Psychologie und Charakterologie sind zwei Wissenschaftsgebiete, ppe_160.034
die in engem gegenständlichen Zusammenhang stehen; zwischen ihnen ppe_160.035
ist hier die nur dem Reich der Kunst angehörige Selbstdarstellung ppe_160.036
eingefügt. Sie überliefert den Wissenschaften sowohl psychologisches ppe_160.037
als charakterologisches Material, das als ein aus dem Leben geschöpfter ppe_160.038
Erfahrungsstoff um so besser zu brauchen ist, als die künstlerische ppe_160.039
Gestaltung bereits die wesentlichen Züge herausgearbeitet und organisch ppe_160.040
zusammengeschlossen hat. Es kann eine Fehlerquelle sein, ppe_160.041
wenn die geisteswissenschaftliche Psychologie sich auf die Schöpfungen

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sich objektiviert, und eine rein epische, wenn der Dichter sich mit ppe_160.002
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v. Lichtensteins „Frauendienst“, in Grimmelshausens „Simplizissimus“, ppe_160.004
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menschlicher Beschränkung darstellt, ist namentlich im humoristischen ppe_160.017
Roman zu finden.

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Dadurch, daß dem epischen Erzähler die Beschreibung und Schilderung ppe_160.019
seelischer Vorgänge verantwortlich zufällt, wird er praktisch ppe_160.020
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kommt mit seiner Psychologie zur Selbstdarstellung. Denn es ist ppe_160.023
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Beobachter verständlich machen; er ist also in doppelter ppe_160.028
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des Eindrucks auf die Leserschaft, in der psychologischen ppe_160.032
Einschätzung des Publikums.

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Psychologie und Charakterologie sind zwei Wissenschaftsgebiete, ppe_160.034
die in engem gegenständlichen Zusammenhang stehen; zwischen ihnen ppe_160.035
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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/184>, abgerufen am 21.11.2024.