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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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Kant-Erlebnis Kleists durch den Zusammenbruch des dogmatischen ppe_364.002
Wahrheitsbegriffes geradenwegs zur schöpferischen Dichtung hingeführt, ppe_364.003
und das erste Drama "Die Familie Schroffenstein" veranschaulicht ppe_364.004
lebendig die Verblendung derer, die des Wahnes sind, sich ppe_364.005
auf ihre Sinneseindrücke verlassen zu dürfen.

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Bei einer zweiten Gruppe, die mit dem Idealismus der Freiheit ppe_364.007
in Vergleich zu setzen ist, werden Phantasie und Gefühl durch das ppe_364.008
Erlebnis in freie Schwingung versetzt: das imaginative Erleben (5) ppe_364.009
schafft sich im Streben nach einem Ideal Ersatz für den fehlenden ppe_364.010
Erlebnisgegenstand (blaue Blume des Novalis); die Halbimagination (6) ppe_364.011
läßt Triebe und Sehnsüchte des Ich auf einen Gegenstand niederschlagen, ppe_364.012
"der ganz oder teilweise dem gesuchten Erleben inadäquat ppe_364.013
ist, der jedoch für adäquat gehalten oder von der Phantasie zur Adäquatheit, ppe_364.014
ganz oder teilweise unbewußt, umgeschaffen wird". Dabei ppe_364.015
erfahren wirklich vorhandene Züge eine verklärende Vergrößerung ppe_364.016
und Steigerung; Friederike Brion wird als Inbegriff des Naturkindes, ppe_364.017
Frau v. Stein als schwesterliche Seelenheilkraft, Christiane als heidnisch-sinnliche ppe_364.018
Geliebte, Bettina als das mignonhaft aufblickende Kind, ppe_364.019
Marianne v. Willemer als Suleika idealisiert. Sie nehmen Züge der ppe_364.020
weiblichen Urbilder an, die des Dichters Sehnsucht in sich trug; in ppe_364.021
ihnen sind Gegensätze repräsentiert wie Geist der Reinheit und hemmungslose ppe_364.022
Hingabe, kindliche Unterwürfigkeit und kongenialer Dichtersinn. ppe_364.023
Man darf dabei mit der Psychologie C. G. Jungs von einer ppe_364.024
Projektion des Unbewußten als "Seelenbild" sprechen, das bei Männern ppe_364.025
in der Regel weibliche, bei Frauen männliche Verkörperung ppe_364.026
findet. Sämtliche Typen dieser Gruppe sind als Ausdruckserlebnisse ppe_364.027
der Innenwelt zusammenzufassen.

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Unter den übrigbleibenden Typen dürften die von der Psycho- ppe_364.029
Analyse hergeleiteten verdrängten Erlebnisse (7) die aus dem Bewußtsein ppe_364.030
ins Unterbewußtsein abgeschoben werden, schwerlich mitzurechnen ppe_364.031
sein, da die Verdrängung es gar nicht zum Erlebnis kommen ppe_364.032
läßt, soweit wir dieses mit Rothacker als Aufnahme des Lebens ins ppe_364.033
gegenständliche Bewußtsein auffassen. Auch ist das von Müller-Freienfels ppe_364.034
gewählte Beispiel der religiösen Erlebnisse Nietzsches kaum in ppe_364.035
Zusammenhang mit dichterischem Erleben zu stellen. Dagegen entspricht ppe_364.036
dem objektiven Idealismus die Erscheinung, daß innere und ppe_364.037
äußere Lebenslenkung ineinander wirken, so daß unter dem Einfluß ppe_364.038
eines immanenten Lebensgesetzes Gleichartiges sich wiederholt. Zu ppe_364.039
den wiederkehrenden Erlebnissen (8) wäre z. B. die oben (S. 319) ppe_364.040
besprochene Periodizität im Liebesleben zu rechnen und die regelmäßige ppe_364.041
Flucht vor der Bindung, die als Erlebnis der Untreue in der

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Kant-Erlebnis Kleists durch den Zusammenbruch des dogmatischen ppe_364.002
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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/388>, abgerufen am 22.11.2024.