ppe_378.001 Seuse, bei Luther, bei Paracelsus und Jakob Böhme, wie im Freiheitswillen ppe_378.002 des ganzen Protestantismus zum Durchbruch als Gegensatz zu ppe_378.003 den aufgezwungenen romanischen Denkformen der mittelalterlichen ppe_378.004 Scholastik.
ppe_378.005 Jede Kirche prägt nun ihr eigenes Weltbild. Das Luthertum führt ppe_378.006 zur Berufsethik; der Kalvinismus rechtfertigt, wie Max Weber gezeigt ppe_378.007 hat, in seiner realistischen Diesseits-Tendenz den Kapitalismus; der ppe_378.008 Puritanismus gewinnt nach Herbert Schöfflers Darstellung bestimmenden ppe_378.009 Einfluß auf die englische Lebensanschauung; die Soziallehren ppe_378.010 der christlichen Kirchen stehen nach Tröltschs großem Geschichtsbild ppe_378.011 in fortschreitender Entwicklung unter dem Einfluß des ppe_378.012 Zeitgeists; der Jesuitismus greift mit der Gegenreformation in politische ppe_378.013 Grundsätze wie in Erziehungsmethoden ein und wird zur Stütze ppe_378.014 des Absolutismus; in derselben Zeit aber entwickelt sich als Folgewirkung ppe_378.015 großer Entdeckungen das von Dilthey in seiner Entstehungsgeschichte ppe_378.016 dargestellte natürliche Weltbild, worin Naturrecht, natürliche ppe_378.017 Religion und natürliche Gesellschaftsordnung eingeschlossen sind.
ppe_378.018 Eine weitere Bedingtheit besteht in der Standeszugehörigkeit und ppe_378.019 in den gesellschaftlichen Anschauungen, die einem Wandel der Werte ppe_378.020 unterliegen. Das Weltbild der höfischen Gesellschaft wird gegen Ende ppe_378.021 des Mittelalters durch das Aufblühen des städtischen Bürgerstandes ppe_378.022 abgelöst. Man kann schon an dem Gegensatz des ritterbürtigen ppe_378.023 Aristokraten Wolfram v. Eschenbach, der im "schildes ambet" seine ppe_378.024 angestammte Art erblickte, und des Meisters Gottfried von Straßburg, ppe_378.025 von dem erworbene Zucht und Bildung verherrlicht wurden, die ganz ppe_378.026 verschiedene Einstellung des ritterlichen und bürgerlichen Sängers ppe_378.027 beobachten. Ein ähnlicher Übergang vollzog sich um die Wende des ppe_378.028 17. und 18. Jahrhunderts in England seit der großen Revolution und ppe_378.029 bald danach in Frankreich, für das B. Groethuysen das Werden eines ppe_378.030 bürgerlichen Weltbildes dargestellt hat. In Deutschland aber setzt ppe_378.031 sich mit Überwindung des Bildungsdünkels der Aufklärung im letzten ppe_378.032 Viertel des Jahrhunderts ein organisches Weltbild durch, das von ppe_378.033 Herder bis zur Romantik den Begriff des Volkes zur Ehre bringt als ppe_378.034 einer gegliederten Einheit, die den unerschöpflichen Lebensquell und ppe_378.035 schöpferischen Untergrund der Kultur bildet. Zersetzungen dieser ppe_378.036 Einheit sind in der Folgezeit wieder durch einen extremen Individualismus, ppe_378.037 der den "Einzigen" in den Mittelpunkt der Welt rückte, ppe_378.038 und durch den Materialismus eines proletarischen Weltbildes, das die ppe_378.039 "Masse Mensch" in den Kampf ums Dasein stellte, erfolgt, bis schließlich ppe_378.040 durch den Nationalsozialismus dem Begriff des Volkes eine ppe_378.041 wahrhaft religiöse Bedeutung zurückgegeben wurde.
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/402>, abgerufen am 22.11.2024.
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