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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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nur eine verwenden; unter hundert Ausdrücken konnte er nur ppe_434.002
einen als den allein richtigen herausfinden, und öfters erlebte er ppe_434.003
einen Zusammenbruch im Kampf mit den Worten. Er sagte einmal: ppe_434.004
"Ich habe vier Stunden verbracht, ohne eine Phrase fertigzubekommen. ppe_434.005
Ich habe heute keine Zeile geschrieben, oder vielmehr, ich habe ppe_434.006
hundert gekritzelt. Was für eine furchtbare Arbeit!"

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Während Wieland gestand, drittehalb Tage über einer Strophe beim ppe_434.008
Suchen eines einzigen Wortes hingebracht zu haben, erzählte der Verfasser ppe_434.009
der "Emilia Galotti" von einem jungen Tragikus, der ähnlich ppe_434.010
arbeite wie er selbst. "Er macht alle sieben Tage sieben Zeilen; er ppe_434.011
erweitert unaufhörlich seinen Plan und streicht unaufhörlich etwas ppe_434.012
von dem schon Ausgearbeiteten wieder aus."

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Wieder ein anderes Bild zeigen die Romanmanuskripte Theodor ppe_434.014
Fontanes, der sich selbst als einen "Pußler" bezeichnete und unaufhörlich ppe_434.015
an der Form feilte. Er beginnt mit Bleistifteintragungen in ppe_434.016
seinem Notizbuch, das Blatt schreibt er ab, oder klebt es auf und ppe_434.017
schreibt wieder ab, bis endlich nach neuer Ausarbeitung die Druckvorlage ppe_434.018
durch die Hand seiner Frau zustandekommt. Die Rückseiten ppe_434.019
der Manuskript-Blätter waren ursprünglich Vorderseiten und enthalten ppe_434.020
viele Skizzen vorausgegangener, inzwischen ausgeführter Entwürfe.

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Die zeitliche Folge in der sparsamen Ausnutzung desselben Papierblattes ppe_434.022
zeigt immerhin kein so chaotisches Durcheinander verschiedener ppe_434.023
Pläne, wie es in Handschriften Clemens Brentanos zu sehen ppe_434.024
ist, oder wie dem undisziplinierten Genie Peter Hille nachgesagt ppe_434.025
wird, dessen Manuskripte in Bierbaums "Stilpe" folgende Beschreibung ppe_434.026
finden: "Ein Konzeptbogen in Quart, der außer den ersten ppe_434.027
Szenen zu einem Drama zwei Kapitel aus verschiedenen Romanen, ppe_434.028
sechs Gedichte in Prosa, drei in Versen und außerdem etwa fünf ppe_434.029
Dutzend Aphorismen und verschiedene Essay-Brouillons enthielt, ppe_434.030
alles durcheinandergeschrieben, erst waagerecht, dann in senkrechten, ppe_434.031
dann in diagonalen Zeilen dazu."

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Einen ähnlichen chaotischen Eindruck machen auch die Korrekturfahnen ppe_434.033
Balzacscher Romane, die zwar nur dem einen Werk galten, ppe_434.034
aber den Text noch im Satz des Druckes siebzehn- oder achtzehnmal ppe_434.035
völlig umwarfen.

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4. Arbeitsweise

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Das graphologische Charakterbild der Dichterhandschrift, das in ppe_434.038
einer Vielheit von Manuskripten sich vermannigfaltigt und immer ppe_434.039
neue Einblicke in Wesen und Werden, Werkstatt und Arbeitsweise, ppe_434.040
Seelenlage und Stimmung des Schaffenden gibt, erfährt anschauliche

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nur eine verwenden; unter hundert Ausdrücken konnte er nur ppe_434.002
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einen Zusammenbruch im Kampf mit den Worten. Er sagte einmal: ppe_434.004
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Ich habe heute keine Zeile geschrieben, oder vielmehr, ich habe ppe_434.006
hundert gekritzelt. Was für eine furchtbare Arbeit!“

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Während Wieland gestand, drittehalb Tage über einer Strophe beim ppe_434.008
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von dem schon Ausgearbeiteten wieder aus.“

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Fontanes, der sich selbst als einen „Pußler“ bezeichnete und unaufhörlich ppe_434.015
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finden: „Ein Konzeptbogen in Quart, der außer den ersten ppe_434.027
Szenen zu einem Drama zwei Kapitel aus verschiedenen Romanen, ppe_434.028
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dann in diagonalen Zeilen dazu.“

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Einen ähnlichen chaotischen Eindruck machen auch die Korrekturfahnen ppe_434.033
Balzacscher Romane, die zwar nur dem einen Werk galten, ppe_434.034
aber den Text noch im Satz des Druckes siebzehn- oder achtzehnmal ppe_434.035
völlig umwarfen.

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Das graphologische Charakterbild der Dichterhandschrift, das in ppe_434.038
einer Vielheit von Manuskripten sich vermannigfaltigt und immer ppe_434.039
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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/458>, abgerufen am 22.11.2024.