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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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der Dichtkunst aus. Was für die Dichtung Gliederung bedeutet, ist ppe_519.002
für die Dichtkunst ihre Stellung im Verhältnis zu den anderen ppe_519.003
Künsten.

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und der Zeit

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Nach Benedetto Croces Ästhetik bilden alle Künste als menschlicher ppe_519.007
Ausdruck eine Einheit, und da sie gleichartigen geistigen ppe_519.008
Schöpferakten entspringen, sind keine theoretischen Grenzen zwischen ppe_519.009
ihnen zu ziehen. Sind die Unterschiede ihrer Ausdrucksmittel ppe_519.010
so unwesentlich, so wäre als letztes Erkenntnisziel nicht mehr das ppe_519.011
Wesen der Dichtung, sondern das der Kunst überhaupt zu ergründen. ppe_519.012
So kannte auch Schiller, der durch Albrecht von Haller den Menschen ppe_519.013
als unselig Mittelding von Göttern und von Vieh zu betrachten ppe_519.014
gelernt hatte, im Grunde nur eine Kunst:

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Im Fleiß kann dich die Biene meistern, ppe_519.016
In der Geschicklichkeit ein Wurm dein Lehrer sein, ppe_519.017
Dein Wissen teilest du mit vorgezogenen Geistern, ppe_519.018
Die Kunst, o Mensch, hast du allein.

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Die vorausgehende Kunstlehre vieler Jahrhunderte hat sich mehr ppe_519.020
um die Sonderung der einzelnen Künste bemüht, als daß sie das ppe_519.021
Einende überhaupt erkannt hätte. In der mittelalterlichen Scholastik ppe_519.022
beispielsweise hatte die Dichtung unter den "septem artes liberales" ppe_519.023
überhaupt keinen Platz, wie ihn etwa Frau Musica einnahm; sie ppe_519.024
konnte dagegen Unterschlupf suchen bei "Grammatica" oder "Rhetorica", ppe_519.025
wenn sie nicht wie die Malerei Aufnahme fand bei der anderen ppe_519.026
Gruppe, die unter dem Namen "artes mechanicae (illiberales)" ppe_519.027
auf eine tiefere Stufe herabgedrückt war.

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Mit der Renaissance kam man zur Aufstellung einer entwicklungsgeschichtlichen ppe_519.029
Reihenfolge, bei der auf Grund der Nachahmungslehre ppe_519.030
zunächst der Malerei die Priorität zufiel. Narcissus, der zum ppe_519.031
Staunen über sich selbst gelangte Mensch, erschien als mythisches ppe_519.032
Sinnbild des ersten Kunsttriebes (Leon Battista Alberti 1540).

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An die Stelle der Naturnachahmung trat zwei Jahrhunderte später ppe_519.034
der Schöpfergedanke. Für die deutsche Bewegung des Sturmes und ppe_519.035
Dranges, die bei Hamann und Herder einsetzte, war die Poesie als ppe_519.036
Ursprache des Menschengeschlechtes allen anderen Künsten voraus; ppe_519.037
auch die Romantiker suchten die Ursprache teils in der Natur, teils ppe_519.038
in Hieroglyphen, teils in der Musik.

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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/543>, abgerufen am 22.11.2024.