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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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Gelegenheiten ebenso wie die differenzierenden Faktoren, ppe_545.002
die die Generationsbildung nicht verhindern können. Dafür ist in der ppe_545.003
Ausführung ein entwicklungsmäßiger Gang innegehalten, der den ppe_545.004
Wellenschlag mit der Zeitlupe sehen läßt und gewissermaßen Generationen ppe_545.005
innerhalb der Generation auseinanderlegt, nämlich Vorläufer, ppe_545.006
Pfadfinder, führende Talente, Genies (wenn sie da sind), selbständige ppe_545.007
Talente ohne führende Bedeutung, abhängige Talente, Industrietalente. ppe_545.008
Auf die Geburtsdaten ist keinerlei Wert gelegt, sondern nur ppe_545.009
auf den Zeitpunkt des Auftretens; der von Pinder so richtig gesehene ppe_545.010
Unterschied zwischen Gleichzeitigkeit und Gleichaltrigkeit ist daher ppe_545.011
nicht in aller Schärfe erkannt; vielmehr erlaubt das Duldungsprinzip ppe_545.012
"aller etwa gleichzeitig lebenden Menschen" einen Austausch innerhalb ppe_545.013
der Altersgruppen, so daß der 1819 geborene Fontane künstlerisch ppe_545.014
zur fünften Generation des Jahrhunderts, also den um 1860 geborenen ppe_545.015
Naturalisten gezählt wird, während der 1857 geborene Sudermann ppe_545.016
sich in die vierte Generation, in die Nachbarschaft Spielhagens ppe_545.017
und Lindaus zurückversetzen lassen muß. Die Kritik Hans ppe_545.018
v. Müllers, daß hier nicht Dichtergenerationen, sondern Lesergenerationen ppe_545.019
gemeint seien, schießt vielleicht über das Ziel hinaus, aber die ppe_545.020
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der Probleme macht, vermag den Rechenfehler aufzuzeigen. ppe_545.022
Fontane hat in der Tat die Mittel mit der jüngeren, die Probleme ppe_545.023
aber mit seiner eigenen Generation gemeinsam.

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In diesem Zusammenhang muß ich auch meine eigene Beschäftigung ppe_545.025
mit der Generationsfrage kurz erwähnen. In der 1913 gehaltenen ppe_545.026
Baseler Antrittsvorlesung "Literaturgeschichte als Wissenschaft" ppe_545.027
(Heidelberg 1914) hatte ich bereits Veranlassung, mich mit Kummers ppe_545.028
Generationslehre auseinanderzusetzen und zu bemängeln, daß neben ppe_545.029
der zeitlichen und kulturellen Gemeinschaft die lokale Gruppenbildung ppe_545.030
als dritte Koordinate des dreidimensionalen Wirkungszusammenhanges ppe_545.031
zu kurz komme. Die potentielle Trennung in führende ppe_545.032
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Talente riß beispielsweise die drei annähernd gleichaltrigen ppe_545.034
Landsleute Uhland, Kerner und Schwab in Kummers Darstellung auseinander ppe_545.035
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Anderseits war Kummer darin Recht zu geben, daß gleiches Geburtsdatum ppe_545.037
nicht unbedingt eine Zusammengehörigkeit verbürge. Als Beispiel ppe_545.038
nannte ich aus dem 18. Jahrhundert Jak. Mich. Reinh. Lenz ppe_545.039
und Johann Heinrich Voß, die man schwerlich auf einen Nenner ppe_545.040
bringen kann, obwohl beide in zwei aufeinanderfolgenden Monaten ppe_545.041
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In diesem Zusammenhang muß ich auch meine eigene Beschäftigung ppe_545.025
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[545/0569] ppe_545.001 Gelegenheiten ebenso wie die differenzierenden Faktoren, ppe_545.002 die die Generationsbildung nicht verhindern können. Dafür ist in der ppe_545.003 Ausführung ein entwicklungsmäßiger Gang innegehalten, der den ppe_545.004 Wellenschlag mit der Zeitlupe sehen läßt und gewissermaßen Generationen ppe_545.005 innerhalb der Generation auseinanderlegt, nämlich Vorläufer, ppe_545.006 Pfadfinder, führende Talente, Genies (wenn sie da sind), selbständige ppe_545.007 Talente ohne führende Bedeutung, abhängige Talente, Industrietalente. ppe_545.008 Auf die Geburtsdaten ist keinerlei Wert gelegt, sondern nur ppe_545.009 auf den Zeitpunkt des Auftretens; der von Pinder so richtig gesehene ppe_545.010 Unterschied zwischen Gleichzeitigkeit und Gleichaltrigkeit ist daher ppe_545.011 nicht in aller Schärfe erkannt; vielmehr erlaubt das Duldungsprinzip ppe_545.012 „aller etwa gleichzeitig lebenden Menschen“ einen Austausch innerhalb ppe_545.013 der Altersgruppen, so daß der 1819 geborene Fontane künstlerisch ppe_545.014 zur fünften Generation des Jahrhunderts, also den um 1860 geborenen ppe_545.015 Naturalisten gezählt wird, während der 1857 geborene Sudermann ppe_545.016 sich in die vierte Generation, in die Nachbarschaft Spielhagens ppe_545.017 und Lindaus zurückversetzen lassen muß. Die Kritik Hans ppe_545.018 v. Müllers, daß hier nicht Dichtergenerationen, sondern Lesergenerationen ppe_545.019 gemeint seien, schießt vielleicht über das Ziel hinaus, aber die ppe_545.020 richtige Trennung, die Pinder zwischen Einheit der Mittel und Einheit ppe_545.021 der Probleme macht, vermag den Rechenfehler aufzuzeigen. ppe_545.022 Fontane hat in der Tat die Mittel mit der jüngeren, die Probleme ppe_545.023 aber mit seiner eigenen Generation gemeinsam. ppe_545.024 In diesem Zusammenhang muß ich auch meine eigene Beschäftigung ppe_545.025 mit der Generationsfrage kurz erwähnen. In der 1913 gehaltenen ppe_545.026 Baseler Antrittsvorlesung „Literaturgeschichte als Wissenschaft“ ppe_545.027 (Heidelberg 1914) hatte ich bereits Veranlassung, mich mit Kummers ppe_545.028 Generationslehre auseinanderzusetzen und zu bemängeln, daß neben ppe_545.029 der zeitlichen und kulturellen Gemeinschaft die lokale Gruppenbildung ppe_545.030 als dritte Koordinate des dreidimensionalen Wirkungszusammenhanges ppe_545.031 zu kurz komme. Die potentielle Trennung in führende ppe_545.032 Talente, selbständige Talente ohne führende Bedeutung und abhängige ppe_545.033 Talente riß beispielsweise die drei annähernd gleichaltrigen ppe_545.034 Landsleute Uhland, Kerner und Schwab in Kummers Darstellung auseinander ppe_545.035 und zerstörte damit eine landschaftliche Generationseinheit. ppe_545.036 Anderseits war Kummer darin Recht zu geben, daß gleiches Geburtsdatum ppe_545.037 nicht unbedingt eine Zusammengehörigkeit verbürge. Als Beispiel ppe_545.038 nannte ich aus dem 18. Jahrhundert Jak. Mich. Reinh. Lenz ppe_545.039 und Johann Heinrich Voß, die man schwerlich auf einen Nenner ppe_545.040 bringen kann, obwohl beide in zwei aufeinanderfolgenden Monaten ppe_545.041 des Jahres 1751 geboren sind.

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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/569>, abgerufen am 22.11.2024.