Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

war, vielen Leuten lesen und bat sie, mich dahin zu weisen; allein jeder schüttelte den Kopf und ließ mich weiter ziehen. So kam ich vor das Zollhaus, wo alsogleich mein Bischen Gepäck in Empfang genommen und ich zum Inspector geführt wurde. Dieser sprach etwas deutsch; allein auch er berücksichtigte meine Bitte nicht. Er hieß mich in die Zollstube gehen und mein Kofferchen aufschließen.

Des Inspektors Frau und Schwester begleiteten mich. Ich war sehr erstaunt über diese Artigkeit, sah aber nur zu bald, daß ein anderer Grund sie dazu bewogen hatte, -- beide Damen wollten sehen, was ich mitgebracht habe. Sie ließen sich Stühle geben, nahmen vor meinem Kofferchen Platz, und kaum hatte ich es aufgeschlossen, so wühlten auch schon sechs Hände (die Hände der beiden Damen und jene eines Zollbeamten) darin. Ein Dutzend zusammengefalteter Papierchen, Münzen, getrocknete Blumen und andere Gegenstände von Babylon und Ninive enthaltend, waren in einem Augenblicke aufgerissen und herumgeworfen, jedes Band, jedes Häubchen wurde herausgenommen, ja der Frau Inspectorin sah man es deutlich an, daß es ihr einen Kampf kostete, die Bänder wieder aus den Händen zu lassen, -- - ich meinte am Ende wahrhaftig, erst jetzt unter Wilde gerathen zu sein.

Nachdem der Koffer genügend untersucht war, kam die Reihe an ein Kistchen, das meinen größten Schatz enthielt, einen kleinen Kopf in Relief von Ninive*). Man

*) Ich erhielt diesen Kopf erst, nachdem ich meine Effekten von Mossul abgesendet hatte, ich mußte ihn daher selbst mitnehmen.

war, vielen Leuten lesen und bat sie, mich dahin zu weisen; allein jeder schüttelte den Kopf und ließ mich weiter ziehen. So kam ich vor das Zollhaus, wo alsogleich mein Bischen Gepäck in Empfang genommen und ich zum Inspector geführt wurde. Dieser sprach etwas deutsch; allein auch er berücksichtigte meine Bitte nicht. Er hieß mich in die Zollstube gehen und mein Kofferchen aufschließen.

Des Inspektors Frau und Schwester begleiteten mich. Ich war sehr erstaunt über diese Artigkeit, sah aber nur zu bald, daß ein anderer Grund sie dazu bewogen hatte, — beide Damen wollten sehen, was ich mitgebracht habe. Sie ließen sich Stühle geben, nahmen vor meinem Kofferchen Platz, und kaum hatte ich es aufgeschlossen, so wühlten auch schon sechs Hände (die Hände der beiden Damen und jene eines Zollbeamten) darin. Ein Dutzend zusammengefalteter Papierchen, Münzen, getrocknete Blumen und andere Gegenstände von Babylon und Ninive enthaltend, waren in einem Augenblicke aufgerissen und herumgeworfen, jedes Band, jedes Häubchen wurde herausgenommen, ja der Frau Inspectorin sah man es deutlich an, daß es ihr einen Kampf kostete, die Bänder wieder aus den Händen zu lassen, — - ich meinte am Ende wahrhaftig, erst jetzt unter Wilde gerathen zu sein.

Nachdem der Koffer genügend untersucht war, kam die Reihe an ein Kistchen, das meinen größten Schatz enthielt, einen kleinen Kopf in Relief von Ninive*). Man

*) Ich erhielt diesen Kopf erst, nachdem ich meine Effekten von Mossul abgesendet hatte, ich mußte ihn daher selbst mitnehmen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0251" n="243"/>
war, vielen Leuten lesen und bat sie, mich dahin zu weisen; allein jeder schüttelte den Kopf und ließ mich weiter ziehen. So kam ich vor das Zollhaus, wo alsogleich mein Bischen Gepäck in Empfang genommen und ich zum Inspector geführt wurde. Dieser sprach etwas deutsch; allein auch er berücksichtigte meine Bitte nicht. Er hieß mich in die Zollstube gehen und mein Kofferchen aufschließen.</p>
        <p>Des Inspektors Frau und Schwester begleiteten mich. Ich war sehr erstaunt über diese Artigkeit, sah aber nur zu bald, daß ein anderer Grund sie dazu bewogen hatte, &#x2014; beide Damen wollten sehen, was ich mitgebracht habe. Sie ließen sich Stühle geben, nahmen vor meinem Kofferchen Platz, und kaum hatte ich es aufgeschlossen, so wühlten auch schon sechs Hände (die Hände der beiden Damen und jene eines Zollbeamten) darin. Ein Dutzend zusammengefalteter Papierchen, Münzen, getrocknete Blumen und andere Gegenstände von <hi rendition="#aq">Babylon</hi> und <hi rendition="#aq">Ninive</hi> enthaltend, waren in einem Augenblicke aufgerissen und herumgeworfen, jedes Band, jedes Häubchen wurde herausgenommen, ja der Frau Inspectorin sah man es deutlich an, daß es ihr einen Kampf kostete, die Bänder wieder aus den Händen zu lassen, &#x2014; - ich meinte am Ende wahrhaftig, erst jetzt unter Wilde gerathen zu sein.</p>
        <p>Nachdem der Koffer genügend untersucht war, kam die Reihe an ein Kistchen, das meinen größten Schatz enthielt, einen kleinen Kopf in Relief von <hi rendition="#aq">Ninive</hi><note place="foot" n="*)">Ich erhielt diesen Kopf erst, nachdem ich meine Effekten von <hi rendition="#aq">Mossul</hi> abgesendet hatte, ich mußte ihn daher selbst mitnehmen.</note>. Man
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0251] war, vielen Leuten lesen und bat sie, mich dahin zu weisen; allein jeder schüttelte den Kopf und ließ mich weiter ziehen. So kam ich vor das Zollhaus, wo alsogleich mein Bischen Gepäck in Empfang genommen und ich zum Inspector geführt wurde. Dieser sprach etwas deutsch; allein auch er berücksichtigte meine Bitte nicht. Er hieß mich in die Zollstube gehen und mein Kofferchen aufschließen. Des Inspektors Frau und Schwester begleiteten mich. Ich war sehr erstaunt über diese Artigkeit, sah aber nur zu bald, daß ein anderer Grund sie dazu bewogen hatte, — beide Damen wollten sehen, was ich mitgebracht habe. Sie ließen sich Stühle geben, nahmen vor meinem Kofferchen Platz, und kaum hatte ich es aufgeschlossen, so wühlten auch schon sechs Hände (die Hände der beiden Damen und jene eines Zollbeamten) darin. Ein Dutzend zusammengefalteter Papierchen, Münzen, getrocknete Blumen und andere Gegenstände von Babylon und Ninive enthaltend, waren in einem Augenblicke aufgerissen und herumgeworfen, jedes Band, jedes Häubchen wurde herausgenommen, ja der Frau Inspectorin sah man es deutlich an, daß es ihr einen Kampf kostete, die Bänder wieder aus den Händen zu lassen, — - ich meinte am Ende wahrhaftig, erst jetzt unter Wilde gerathen zu sein. Nachdem der Koffer genügend untersucht war, kam die Reihe an ein Kistchen, das meinen größten Schatz enthielt, einen kleinen Kopf in Relief von Ninive *). Man *) Ich erhielt diesen Kopf erst, nachdem ich meine Effekten von Mossul abgesendet hatte, ich mußte ihn daher selbst mitnehmen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition (2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.) sind nicht konsequent wie in der Vorlage gekennzeichnet



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/251
Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/251>, abgerufen am 22.11.2024.