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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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Zwey hundert Maximen
CXCV. Nach den mathematischen Wissen-
schaften ist die Cryptographie, oder Chifrirungs-
und Dechifrirungs-Kunst auch heut zu Tage ei-
ne bey hohen Standespersonen sonderlich im
Schwange gehende Wissenschaft, und lehret auf
verdeckte Art zu schreiben, durch Verwandlung ei-
ner Schrift in abgeredte Zahlen, oder versetzte
Buchstaben, oder verworfene Lese-Arten, daß man
sie ohne Schlüssel nicht füglich lesen kann, wie
auch, wenn solche Chifer-Schriften gefunden oder
aufgefangen werden, wie man hinter ihren Jnhalt
kommen könne.
CXCVI. Die Zeichnungs- und Maler-
Kunst,
desgleichen das Kupferstechen, Bild-
hauen, Bildgiessen, Steinschneiden,
und im
Feuer emailliren, sind curieuse Wissenschaften,
die anmuthig in die Augen fallen, und die Natur
nachahmen. Die Meister in solchen Künsten
werden oft höher geschätzet, als Gelehrte vom
öbersten Range.
CXCVII. Die Music, sowol die Singekunst,
als auf Jnstrumenten zu spielen, hat viel Reizen-
des
für die Ohren. Einige finden mehr Geschmack
am rauschenden Getöne der Trompeten, Pauken,
Waldhörner, Orgeln und Posaunen; andere an
den sanften Tönen einer Laute, Clavecimbels, Cy-
ther, Traverse, Flöte und Violine. Die Vir-
tuosen
in der Music bekommen oft stärkere Pensio-
nen, als die Gelehrten von der obersten Classe.
CXCVIII. Alle Künste und Handwerker sind
Hilfs-Wissenschaften zur Bequemlichkeit des
mensch-
Zwey hundert Maximen
CXCV. Nach den mathematiſchen Wiſſen-
ſchaften iſt die Cryptographie, oder Chifrirungs-
und Dechifrirungs-Kunſt auch heut zu Tage ei-
ne bey hohen Standesperſonen ſonderlich im
Schwange gehende Wiſſenſchaft, und lehret auf
verdeckte Art zu ſchreiben, durch Verwandlung ei-
ner Schrift in abgeredte Zahlen, oder verſetzte
Buchſtaben, oder verworfene Leſe-Arten, daß man
ſie ohne Schluͤſſel nicht fuͤglich leſen kann, wie
auch, wenn ſolche Chifer-Schriften gefunden oder
aufgefangen werden, wie man hinter ihren Jnhalt
kommen koͤnne.
CXCVI. Die Zeichnungs- und Maler-
Kunſt,
desgleichen das Kupferſtechen, Bild-
hauen, Bildgieſſen, Steinſchneiden,
und im
Feuer emailliren, ſind curieuſe Wiſſenſchaften,
die anmuthig in die Augen fallen, und die Natur
nachahmen. Die Meiſter in ſolchen Kuͤnſten
werden oft hoͤher geſchaͤtzet, als Gelehrte vom
oͤberſten Range.
CXCVII. Die Muſic, ſowol die Singekunſt,
als auf Jnſtrumenten zu ſpielen, hat viel Reizen-
des
fuͤr die Ohren. Einige finden mehr Geſchmack
am rauſchenden Getoͤne der Trompeten, Pauken,
Waldhoͤrner, Orgeln und Poſaunen; andere an
den ſanften Toͤnen einer Laute, Clavecimbels, Cy-
ther, Traverſe, Floͤte und Violine. Die Vir-
tuoſen
in der Muſic bekommen oft ſtaͤrkere Penſio-
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[254/0262] Zwey hundert Maximen CXCV. Nach den mathematiſchen Wiſſen- ſchaften iſt die Cryptographie, oder Chifrirungs- und Dechifrirungs-Kunſt auch heut zu Tage ei- ne bey hohen Standesperſonen ſonderlich im Schwange gehende Wiſſenſchaft, und lehret auf verdeckte Art zu ſchreiben, durch Verwandlung ei- ner Schrift in abgeredte Zahlen, oder verſetzte Buchſtaben, oder verworfene Leſe-Arten, daß man ſie ohne Schluͤſſel nicht fuͤglich leſen kann, wie auch, wenn ſolche Chifer-Schriften gefunden oder aufgefangen werden, wie man hinter ihren Jnhalt kommen koͤnne. CXCVI. Die Zeichnungs- und Maler- Kunſt, desgleichen das Kupferſtechen, Bild- hauen, Bildgieſſen, Steinſchneiden, und im Feuer emailliren, ſind curieuſe Wiſſenſchaften, die anmuthig in die Augen fallen, und die Natur nachahmen. Die Meiſter in ſolchen Kuͤnſten werden oft hoͤher geſchaͤtzet, als Gelehrte vom oͤberſten Range. CXCVII. Die Muſic, ſowol die Singekunſt, als auf Jnſtrumenten zu ſpielen, hat viel Reizen- des fuͤr die Ohren. Einige finden mehr Geſchmack am rauſchenden Getoͤne der Trompeten, Pauken, Waldhoͤrner, Orgeln und Poſaunen; andere an den ſanften Toͤnen einer Laute, Clavecimbels, Cy- ther, Traverſe, Floͤte und Violine. Die Vir- tuoſen in der Muſic bekommen oft ſtaͤrkere Penſio- nen, als die Gelehrten von der oberſten Claſſe. CXCVIII. Alle Kuͤnſte und Handwerker ſind Hilfs-Wiſſenſchaften zur Bequemlichkeit des menſch-

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/262>, abgerufen am 24.11.2024.