Kindeskind. Das Thema geb' uns deine Gunst, Wir schmücken dann es reichlich aus mit jedem holden Schmuck der Kunst.
Jokaste. So stell' ich euch die Frage denn, ob ein verliebter Dichter mehr, Ob mehr ein unverliebter gilt bei'm literärischen Verkehr?
Kind. Mich dünkt, daß ein verliebter mehr vermag.
Kindeskind. Ein unverliebter, mich.
Jokaste. Ein Thema, das man oft glossirt, ich geb' es euch geflissentlich: Süße Liebe denkt in Tönen, Denn Gedanken stehn zu ferne, Nur in Tönen mag sie gerne Alles, was sie will, verschönen.
Kind. Soll das Herz sich ganz ergießen, Strömen lassen alle Triebe, Muß es voll sein und genießen; Aber was, so möcht' ich schließen, Macht das Herz so voll wie Liebe? Tausend Harmonien entkeimen Unserm Busen im Geheimen Durch die Gegenwart des Schönen: Liebe spricht von selbst in Reimen, Süße Liebe denkt in Tönen.
Kindes-
Kindeskind. Das Thema geb' uns deine Gunſt, Wir ſchmuͤcken dann es reichlich aus mit jedem holden Schmuck der Kunſt.
Jokaſte. So ſtell' ich euch die Frage denn, ob ein verliebter Dichter mehr, Ob mehr ein unverliebter gilt bei'm literaͤriſchen Verkehr?
Kind. Mich duͤnkt, daß ein verliebter mehr vermag.
Kindeskind. Ein unverliebter, mich.
Jokaſte. Ein Thema, das man oft gloſſirt, ich geb' es euch gefliſſentlich: Suͤße Liebe denkt in Toͤnen, Denn Gedanken ſtehn zu ferne, Nur in Toͤnen mag ſie gerne Alles, was ſie will, verſchoͤnen.
Kind. Soll das Herz ſich ganz ergießen, Stroͤmen laſſen alle Triebe, Muß es voll ſein und genießen; Aber was, ſo moͤcht' ich ſchließen, Macht das Herz ſo voll wie Liebe? Tauſend Harmonien entkeimen Unſerm Buſen im Geheimen Durch die Gegenwart des Schoͤnen: Liebe ſpricht von ſelbſt in Reimen, Suͤße Liebe denkt in Toͤnen.
Kindes-
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Kindeskind.
Das Thema geb' uns deine Gunſt,
Wir ſchmuͤcken dann es reichlich aus mit jedem holden Schmuck
der Kunſt.
Jokaſte.
So ſtell' ich euch die Frage denn, ob ein verliebter Dichter
mehr,
Ob mehr ein unverliebter gilt bei'm literaͤriſchen Verkehr?
Kind.
Mich duͤnkt, daß ein verliebter mehr vermag.
Kindeskind.
Ein unverliebter, mich.
Jokaſte.
Ein Thema, das man oft gloſſirt, ich geb' es euch gefliſſentlich:
Suͤße Liebe denkt in Toͤnen,
Denn Gedanken ſtehn zu ferne,
Nur in Toͤnen mag ſie gerne
Alles, was ſie will, verſchoͤnen.
Kind.
Soll das Herz ſich ganz ergießen,
Stroͤmen laſſen alle Triebe,
Muß es voll ſein und genießen;
Aber was, ſo moͤcht' ich ſchließen,
Macht das Herz ſo voll wie Liebe?
Tauſend Harmonien entkeimen
Unſerm Buſen im Geheimen
Durch die Gegenwart des Schoͤnen:
Liebe ſpricht von ſelbſt in Reimen,
Suͤße Liebe denkt in Toͤnen.
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Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_oedipus_1829/54>, abgerufen am 11.02.2025.
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