Denn nie geglaubt noch haben sie's den Kritikern. Auch wird Kritik noch stümperhafter ausgeübt, Und meist von Dichterlingen selbst. Verrücktes wird Gemüthlich tief, Gedankenloses klar genannt, Und Plattes höchst natürlich; aber dieses Lob Ist nicht das Schlimmste! Denn es wird Vorzügliches Zugleich herabgewürdiget durch den leichten Kniff, Zu sagen: Dieses fehlt dem Werk, und freilich muß Gar Vieles jedem Werke fehlen, freilich ganz Unmöglich ist es, Calderon und Aeschylus, Moliere und Aristophanes zugleich zu sein!
Publicum. Es spricht der Mann gescheuter, als ich's dachte mir, Und freigesinnt fast macht er mich: Ich glaubte sonst, Daß Alles, was ein Recensent abdrucken läßt, Buchstäblich wahr sei.
Chor. Schweige nun! Es nähert sich Der Stolz des Weltalls.
Publicum. Nimmermann?
Chor. Er ist es selbst! Die Vorigen. Nimmermann.
Chor. Auf, auf, o Genossen! Den Sänger begrüßt! Er bezwingt die Natur, fügt Steine dem Bau, Lehrt Bären den Tanz! Im Erschaffenen rings
Denn nie geglaubt noch haben ſie's den Kritikern. Auch wird Kritik noch ſtuͤmperhafter ausgeuͤbt, Und meiſt von Dichterlingen ſelbſt. Verruͤcktes wird Gemuͤthlich tief, Gedankenloſes klar genannt, Und Plattes hoͤchſt natuͤrlich; aber dieſes Lob Iſt nicht das Schlimmſte! Denn es wird Vorzuͤgliches Zugleich herabgewuͤrdiget durch den leichten Kniff, Zu ſagen: Dieſes fehlt dem Werk, und freilich muß Gar Vieles jedem Werke fehlen, freilich ganz Unmoͤglich iſt es, Calderon und Aeſchylus, Moliere und Ariſtophanes zugleich zu ſein!
Publicum. Es ſpricht der Mann geſcheuter, als ich's dachte mir, Und freigeſinnt faſt macht er mich: Ich glaubte ſonſt, Daß Alles, was ein Recenſent abdrucken laͤßt, Buchſtaͤblich wahr ſei.
Chor. Schweige nun! Es naͤhert ſich Der Stolz des Weltalls.
Publicum. Nimmermann?
Chor. Er iſt es ſelbſt! Die Vorigen. Nimmermann.
Chor. Auf, auf, o Genoſſen! Den Saͤnger begruͤßt! Er bezwingt die Natur, fuͤgt Steine dem Bau, Lehrt Baͤren den Tanz! Im Erſchaffenen rings
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><spwho="#VER"><p><pbfacs="#f0090"n="84"/>
Denn nie geglaubt noch haben ſie's den Kritikern.<lb/>
Auch wird Kritik noch ſtuͤmperhafter ausgeuͤbt,<lb/>
Und meiſt von Dichterlingen ſelbſt. Verruͤcktes wird<lb/>
Gemuͤthlich tief, Gedankenloſes klar genannt,<lb/>
Und Plattes hoͤchſt natuͤrlich; aber dieſes Lob<lb/>
Iſt nicht das Schlimmſte! Denn es wird Vorzuͤgliches<lb/>
Zugleich herabgewuͤrdiget durch den leichten Kniff,<lb/>
Zu ſagen: Dieſes fehlt dem Werk, und freilich muß<lb/>
Gar Vieles jedem Werke fehlen, freilich ganz<lb/>
Unmoͤglich iſt es, Calderon und Aeſchylus,<lb/>
Moliere und Ariſtophanes zugleich zu ſein!</p></sp><lb/><spwho="#PUB"><speaker><hirendition="#c"><hirendition="#g">Publicum</hi>.</hi></speaker><lb/><p>Es ſpricht der Mann geſcheuter, als ich's dachte mir,<lb/>
Und freigeſinnt faſt macht er mich: Ich glaubte ſonſt,<lb/>
Daß Alles, was ein Recenſent abdrucken laͤßt,<lb/>
Buchſtaͤblich wahr ſei.</p></sp><lb/><spwho="#CHO"><speaker><hirendition="#c"><hirendition="#g">Chor</hi>.</hi></speaker><lb/><p>Schweige nun! Es naͤhert ſich<lb/>
Der Stolz des Weltalls.</p></sp><lb/><spwho="#PUB"><speaker><hirendition="#c"><hirendition="#g">Publicum</hi>.</hi></speaker><lb/><p>Nimmermann?</p></sp><lb/><spwho="#CHO"><speaker><hirendition="#c"><hirendition="#g">Chor</hi>.</hi></speaker><lb/><p>Er iſt es ſelbſt!</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><stage><hirendition="#c">Die <hirendition="#g">Vorigen. Nimmermann</hi>.</hi></stage></sp><lb/><spwho="#CHO"><speaker><hirendition="#c"><hirendition="#g">Chor</hi>.</hi></speaker><lb/><p>Auf, auf, o Genoſſen! Den Saͤnger begruͤßt!<lb/>
Er bezwingt die Natur, fuͤgt Steine dem Bau,<lb/>
Lehrt Baͤren den Tanz! Im Erſchaffenen rings<lb/></p></sp></div></div></body></text></TEI>
[84/0090]
Denn nie geglaubt noch haben ſie's den Kritikern.
Auch wird Kritik noch ſtuͤmperhafter ausgeuͤbt,
Und meiſt von Dichterlingen ſelbſt. Verruͤcktes wird
Gemuͤthlich tief, Gedankenloſes klar genannt,
Und Plattes hoͤchſt natuͤrlich; aber dieſes Lob
Iſt nicht das Schlimmſte! Denn es wird Vorzuͤgliches
Zugleich herabgewuͤrdiget durch den leichten Kniff,
Zu ſagen: Dieſes fehlt dem Werk, und freilich muß
Gar Vieles jedem Werke fehlen, freilich ganz
Unmoͤglich iſt es, Calderon und Aeſchylus,
Moliere und Ariſtophanes zugleich zu ſein!
Publicum.
Es ſpricht der Mann geſcheuter, als ich's dachte mir,
Und freigeſinnt faſt macht er mich: Ich glaubte ſonſt,
Daß Alles, was ein Recenſent abdrucken laͤßt,
Buchſtaͤblich wahr ſei.
Chor.
Schweige nun! Es naͤhert ſich
Der Stolz des Weltalls.
Publicum.
Nimmermann?
Chor.
Er iſt es ſelbſt!
Die Vorigen. Nimmermann.
Chor.
Auf, auf, o Genoſſen! Den Saͤnger begruͤßt!
Er bezwingt die Natur, fuͤgt Steine dem Bau,
Lehrt Baͤren den Tanz! Im Erſchaffenen rings
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_oedipus_1829/90>, abgerufen am 11.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.