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Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

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Du selbst, Verklärter, schwangst mit Lichtstralsschnelle ppo_165.002
Dich über Erdengram und Sargesnacht ppo_165.003
Und Grabeseng' empor zu deines Edens Schwelle, ppo_165.004
Wo dir ein mildrer Himmel lacht;
ppo_165.005
Wo eine schön're Sonne dich umlächelt, ppo_165.006
Wo eine schön're Erde dich umglänzt, ppo_165.007
Wo linde Kühlung dir die heißen Schläfen fächelt, ppo_165.008
Und der Vollendung Kranz dich kränzt. --
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Wie war dir, Sel'ger, als die neue Sonne ppo_165.010
Dir Staunenden entgegen funkelte? ppo_165.011
Als dich des Paradieses namenlose Wonne ppo_165.012
Hochwogig überflutete?
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Als Er, der Menschenretter Erster, Größter, ppo_165.014
Als Jesus Christus lächelnd zu dir sprach: ppo_165.015
"Sey mir gegrüßt, Geliebter, sey getrost, Erlöster! ppo_165.016
Dir folgen deine Thaten nach."
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"Mich hungerte, und du hast mich gespeiset! ppo_165.018
Mich schauderte, und du hast mich erwarmt! ppo_165.019
Nackt war ich und entblößt, verlassen und verwaiset, ppo_165.020
Und du hast meiner dich erbarmt!"
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"Jch ward verklagt, und du hast mich vertreten; ppo_165.022
Krank lag ich, und du nahmst dich meiner an; ppo_165.023
Gefangen saß ich hart, du hast mich losgebeten, ppo_165.024
Und mich befreit von Acht und Bann!"
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Da sprachst du: "Herr, mein Heiland, Quell des Guten, ppo_165.026
Wann hätt' ich jemals hungernd dich erblickt, ppo_165.027
Dich, der die Raben speist? dich durstig, der mit Fluten ppo_165.028
Lebend'gen Wassers uns erquickt?
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Dich nackend, der die Frühlingsanger kleidet, ppo_165.030
Dich eingekerkert, der die Himmel füllt, ppo_165.031
Dich heimlos, der in Eden neue Rosen weidet, ppo_165.032
Dich krank, dem alle Kraft entquillt?
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Du selbst, Verklärter, schwangst mit Lichtstralsschnelle ppo_165.002
Dich über Erdengram und Sargesnacht ppo_165.003
Und Grabeseng' empor zu deines Edens Schwelle, ppo_165.004
Wo dir ein mildrer Himmel lacht;
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Wo eine schön're Sonne dich umlächelt, ppo_165.006
Wo eine schön're Erde dich umglänzt, ppo_165.007
Wo linde Kühlung dir die heißen Schläfen fächelt, ppo_165.008
Und der Vollendung Kranz dich kränzt. —
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Wie war dir, Sel'ger, als die neue Sonne ppo_165.010
Dir Staunenden entgegen funkelte? ppo_165.011
Als dich des Paradieses namenlose Wonne ppo_165.012
Hochwogig überflutete?
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Als Er, der Menschenretter Erster, Größter, ppo_165.014
Als Jesus Christus lächelnd zu dir sprach: ppo_165.015
„Sey mir gegrüßt, Geliebter, sey getrost, Erlöster! ppo_165.016
Dir folgen deine Thaten nach.“
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Mich schauderte, und du hast mich erwarmt! ppo_165.019
Nackt war ich und entblößt, verlassen und verwaiset, ppo_165.020
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Gefangen saß ich hart, du hast mich losgebeten, ppo_165.024
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Da sprachst du: „Herr, mein Heiland, Quell des Guten, ppo_165.026
Wann hätt' ich jemals hungernd dich erblickt, ppo_165.027
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Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/177>, abgerufen am 15.05.2024.