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Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

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Gegen sein Antlitz herauf mit stillem Schauer erbebte, ppo_268.002
Und im Beben den Staub zahlloser Kinder von Adam, ppo_268.003
Alle verdorrten Gebeine der todten Sünder, bewegte, ppo_268.004
Lag der Messias, mit Augen, die, starr auf Tabor gerichtet, ppo_268.005
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Nichts Erschaffenes sahn, des Richtenden Antlitz nur ppo_268.007
schauten, ppo_268.008
Bang, mit Todesschweiße bedeckt, mit gerungenen Händen, ppo_268.009
Sprachlos, aber gedrängt von Empfindungen! Stark, ppo_268.010
wie der Tod trifft, ppo_268.011
Schnell, wie Gottes Gedanken, erschütterten Schauer ppo_268.012
auf Schauer, ppo_268.013
Auf Empfindung Empfindung, des ewigen Todes Empfindung ppo_268.014
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Den, der Gott war, und Mensch. Er lag, und fühlt', ppo_268.016
und verstummte. ppo_268.017
Aber da immer bänger die Bangigkeit, heißer die Angst ppo_268.018
ward, ppo_268.019
Dunkler die Nacht, gewaltiger klang die Donnerposaune; ppo_268.020
Da stets tiefer bebte der Tabor unter Jehovah; ppo_268.021
Statt des Todtesschweißes, vom Antlitz des Leidenden ppo_268.022
Blut rann: ppo_268.023
Hub er vom Staube sich auf, und streckte gen Himmel ppo_268.024
die Arm' aus; ppo_268.025
Thränen flossen ins Blut; er betete laut zu dem Richter: ppo_268.026
Vater, die Welt war noch nicht. Bald starb der Erste ppo_268.027
der Menschen; ppo_268.028
Bald ward jede der Stunden mit sterbenden Sündern ppo_268.029
bezeichnet! ppo_268.030
Ganze Jahrhunderte sind, von deinem Fluche belastet, ppo_268.031
Also vorübergegangen. Nun ist sie, Vater, gekommen; ppo_268.032
Da die Welt noch nicht war, da noch kein Todter verwes'te, ppo_268.033
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Wurde sie schon die selige Stunde des Leidens erkohren!
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Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/280>, abgerufen am 16.07.2024.