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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Nase ufreißen. Na Gustav mag Dr's mal zeigen 's Lager.
Sowas giebt's in Halbenau freilich nich!" --

Karl Leberecht hegte noch die naive Freude des Empor¬
kömmlings an seinem Glücke. Es war ihm ein Genuß, sich
dem armen Verwandten gegenüber in seinem Wohlstande und
Ueberflusse zu zeigen. Er sprach von dem Umsatze, den er
jährlich habe, von den Leuten, die er beschäftige und den
Löhnen, welche er zahle, er brüstete sich mit seinen Geschäfts¬
verbindungen. Dann erzählte er, wie er von ganz klein ange¬
fangen, mit nichts. Er rühmte sich seiner armseligen Herkunft,
und kargte nicht mit Selbstlob. Seiner Tüchtigkeit allein ver¬
danke er es, daß er jetzt so dastehe. Er wolle dem Neffen
mal auseinandersetzen, warum der Büttnerbauer und der ganze
in Halbenau zurückgebliebene Teil der Familie es zu nichts
gebracht habe. Dabei stellte er sich protzig vor Gustav hin,
nnd legte ihm die Hände auf die Schultern: "Siehste! Ihr
Pauern megt noch so sehr schuften und würgen, Ihr megt
frih ufstehn und den ganzen Tag uf'n Flecke sein, Ihr megt
sparen und jeden Pfeng umdrehn, wie Dei Vater 's macht, das
nutzt Eich alles nischt! Ihr bringt's doch zu nischt, Ihr
Pauern! Vorwärts kommt Ihr im Leben nich, eher rück¬
wärts! Und das will ich Dir sagen, woran das liegt: das liegt
daran, daß Ihr nich rechnen kennt. Was a richtger Pauer
is, der kann nich rechnen. Und wer nich rechnen kann, der
versteht och von Gelde nischt, und zu'n Geschäfte taugt er dann
schon gar nischt. Heitzutage muß eener rechnen kennen; das is
die Hauptsache. Sieh mich a mal an! Ich bi in Halbenau
uf de Schule gegangen. Ich ha' och nich mehr gelernt, als dei
Vater. Ich war a rechter Nichtsnutz als Junge, das kannst
De globen! Aber, siehst De, rechnen hab' ich immer gekunnt.
Da war ich immer a Lumich! Siehst De! Und dadermit ha
ich's gemacht. Damit ha' ich mich durch de Welt gefunden.
Und wer bin ich jetzt, und was seid Ihr! -- Darum werd't
Ihr Pauern 's och nie nich zu was bringen, weil, daß Ihr
nich ordentlich rechnen kennt." --

Gustav, für den diese Auseinandersetzung nicht gerade

Naſe ufreißen. Na Guſtav mag Dr's mal zeigen 's Lager.
Sowas giebt's in Halbenau freilich nich!“ —

Karl Leberecht hegte noch die naive Freude des Empor¬
kömmlings an ſeinem Glücke. Es war ihm ein Genuß, ſich
dem armen Verwandten gegenüber in ſeinem Wohlſtande und
Ueberfluſſe zu zeigen. Er ſprach von dem Umſatze, den er
jährlich habe, von den Leuten, die er beſchäftige und den
Löhnen, welche er zahle, er brüſtete ſich mit ſeinen Geſchäfts¬
verbindungen. Dann erzählte er, wie er von ganz klein ange¬
fangen, mit nichts. Er rühmte ſich ſeiner armſeligen Herkunft,
und kargte nicht mit Selbſtlob. Seiner Tüchtigkeit allein ver¬
danke er es, daß er jetzt ſo daſtehe. Er wolle dem Neffen
mal auseinanderſetzen, warum der Büttnerbauer und der ganze
in Halbenau zurückgebliebene Teil der Familie es zu nichts
gebracht habe. Dabei ſtellte er ſich protzig vor Guſtav hin,
nnd legte ihm die Hände auf die Schultern: „Siehſte! Ihr
Pauern megt noch ſo ſehr ſchuften und würgen, Ihr megt
frih ufſtehn und den ganzen Tag uf'n Flecke ſein, Ihr megt
ſparen und jeden Pfeng umdrehn, wie Dei Vater 's macht, das
nutzt Eich alles niſcht! Ihr bringt's doch zu niſcht, Ihr
Pauern! Vorwärts kommt Ihr im Leben nich, eher rück¬
wärts! Und das will ich Dir ſagen, woran das liegt: das liegt
daran, daß Ihr nich rechnen kennt. Was a richtger Pauer
is, der kann nich rechnen. Und wer nich rechnen kann, der
verſteht och von Gelde niſcht, und zu'n Geſchäfte taugt er dann
ſchon gar niſcht. Heitzutage muß eener rechnen kennen; das is
die Hauptſache. Sieh mich a mal an! Ich bi in Halbenau
uf de Schule gegangen. Ich ha' och nich mehr gelernt, als dei
Vater. Ich war a rechter Nichtsnutz als Junge, das kannſt
De globen! Aber, ſiehſt De, rechnen hab' ich immer gekunnt.
Da war ich immer a Lumich! Siehſt De! Und dadermit ha
ich's gemacht. Damit ha' ich mich durch de Welt gefunden.
Und wer bin ich jetzt, und was ſeid Ihr! — Darum werd't
Ihr Pauern 's och nie nich zu was bringen, weil, daß Ihr
nich ordentlich rechnen kennt.“ —

Guſtav, für den dieſe Auseinanderſetzung nicht gerade

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[178/0192] Naſe ufreißen. Na Guſtav mag Dr's mal zeigen 's Lager. Sowas giebt's in Halbenau freilich nich!“ — Karl Leberecht hegte noch die naive Freude des Empor¬ kömmlings an ſeinem Glücke. Es war ihm ein Genuß, ſich dem armen Verwandten gegenüber in ſeinem Wohlſtande und Ueberfluſſe zu zeigen. Er ſprach von dem Umſatze, den er jährlich habe, von den Leuten, die er beſchäftige und den Löhnen, welche er zahle, er brüſtete ſich mit ſeinen Geſchäfts¬ verbindungen. Dann erzählte er, wie er von ganz klein ange¬ fangen, mit nichts. Er rühmte ſich ſeiner armſeligen Herkunft, und kargte nicht mit Selbſtlob. Seiner Tüchtigkeit allein ver¬ danke er es, daß er jetzt ſo daſtehe. Er wolle dem Neffen mal auseinanderſetzen, warum der Büttnerbauer und der ganze in Halbenau zurückgebliebene Teil der Familie es zu nichts gebracht habe. Dabei ſtellte er ſich protzig vor Guſtav hin, nnd legte ihm die Hände auf die Schultern: „Siehſte! Ihr Pauern megt noch ſo ſehr ſchuften und würgen, Ihr megt frih ufſtehn und den ganzen Tag uf'n Flecke ſein, Ihr megt ſparen und jeden Pfeng umdrehn, wie Dei Vater 's macht, das nutzt Eich alles niſcht! Ihr bringt's doch zu niſcht, Ihr Pauern! Vorwärts kommt Ihr im Leben nich, eher rück¬ wärts! Und das will ich Dir ſagen, woran das liegt: das liegt daran, daß Ihr nich rechnen kennt. Was a richtger Pauer is, der kann nich rechnen. Und wer nich rechnen kann, der verſteht och von Gelde niſcht, und zu'n Geſchäfte taugt er dann ſchon gar niſcht. Heitzutage muß eener rechnen kennen; das is die Hauptſache. Sieh mich a mal an! Ich bi in Halbenau uf de Schule gegangen. Ich ha' och nich mehr gelernt, als dei Vater. Ich war a rechter Nichtsnutz als Junge, das kannſt De globen! Aber, ſiehſt De, rechnen hab' ich immer gekunnt. Da war ich immer a Lumich! Siehſt De! Und dadermit ha ich's gemacht. Damit ha' ich mich durch de Welt gefunden. Und wer bin ich jetzt, und was ſeid Ihr! — Darum werd't Ihr Pauern 's och nie nich zu was bringen, weil, daß Ihr nich ordentlich rechnen kennt.“ — Guſtav, für den dieſe Auseinanderſetzung nicht gerade

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/192>, abgerufen am 17.05.2024.