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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Sie kniete neben ihn nieder und streichelte ihm den
struppigen Kopf. Er drehte ihr sein rotes Gesicht halb zu und
schlang die Arme um sie.

Er werde sich ein Leid anthun, schwor er, wenn sie ihn
nicht erhöre.

"Was willst De denne?" fragte sie, während er sie mit
starkem Arme schon halb zu sich herabgezogen hatte,

"Red' nich so dumm, Ernstinel!" flüsterte er ihr in's Ohr.

Und damit lag sie nur noch halb widerstrebend neben ihm
im Schatten der Strohfeime.


Es gab unter den Wanderarbeitern mancherlei Streitig¬
keiten und Ränke, aber auch Zuneigung und Eifersucht.

Gustav, in seiner Stellung als Aufseher, bekam davon
wenig zu merken. Die Liebeleien, die es etwa unter den jungen
Leuten geben mochte, wurden vor ihm nach Möglichkeit ver¬
borgen.

Die drei männlichen Arbeiter, die nach der Flucht des
Polen noch da waren, vertrugen sich untereinander leidlich.
Häschke hatte durch Anlagen und Erfahrung so sehr die Ober¬
hand, daß ein Aufkommen gegen ihn ausgeschlossen war. Welke,
der gewesene Stallbursche, war eine harmlos ehrliche Haut.
Von den Mädchen wurde er vielfach gehänselt. Er that ihnen
den Gefallen, verlegen zu werden und sich zu ärgern, was
man bei seiner hellen Hautfarbe leicht am Rotwerden erkennen
konnte. Fumfack, der ehemalige Schmiedegeselle, war ein großer
ungeschlachter Geselle, stark wie ein Bär, schwerfällig, wortkarg.
Er war im stande einen geschlagenen Tag zuzubringen, ohne
seinen Mund zu öffnen, außer zum Essen und Gähnen. Des
Nachts wußte er sich um so entschiedener durch furchtbares
Schnarchen Gehör zu verschaffen. Fumfack hatte eine Liebschaft.
Die Sache war schon älteren Datums. Wahrscheinlich hatte
er sich den Sachsengängern nur angeschlossen, um die Geliebte
zu bewachen. Eine Vorsicht, die in Anbetracht der außerge¬

Sie kniete neben ihn nieder und ſtreichelte ihm den
ſtruppigen Kopf. Er drehte ihr ſein rotes Geſicht halb zu und
ſchlang die Arme um ſie.

Er werde ſich ein Leid anthun, ſchwor er, wenn ſie ihn
nicht erhöre.

„Was willſt De denne?“ fragte ſie, während er ſie mit
ſtarkem Arme ſchon halb zu ſich herabgezogen hatte,

„Red' nich ſo dumm, Ernſtinel!“ flüſterte er ihr in's Ohr.

Und damit lag ſie nur noch halb widerſtrebend neben ihm
im Schatten der Strohfeime.


Es gab unter den Wanderarbeitern mancherlei Streitig¬
keiten und Ränke, aber auch Zuneigung und Eiferſucht.

Guſtav, in ſeiner Stellung als Aufſeher, bekam davon
wenig zu merken. Die Liebeleien, die es etwa unter den jungen
Leuten geben mochte, wurden vor ihm nach Möglichkeit ver¬
borgen.

Die drei männlichen Arbeiter, die nach der Flucht des
Polen noch da waren, vertrugen ſich untereinander leidlich.
Häſchke hatte durch Anlagen und Erfahrung ſo ſehr die Ober¬
hand, daß ein Aufkommen gegen ihn ausgeſchloſſen war. Welke,
der geweſene Stallburſche, war eine harmlos ehrliche Haut.
Von den Mädchen wurde er vielfach gehänſelt. Er that ihnen
den Gefallen, verlegen zu werden und ſich zu ärgern, was
man bei ſeiner hellen Hautfarbe leicht am Rotwerden erkennen
konnte. Fumfack, der ehemalige Schmiedegeſelle, war ein großer
ungeſchlachter Geſelle, ſtark wie ein Bär, ſchwerfällig, wortkarg.
Er war im ſtande einen geſchlagenen Tag zuzubringen, ohne
ſeinen Mund zu öffnen, außer zum Eſſen und Gähnen. Des
Nachts wußte er ſich um ſo entſchiedener durch furchtbares
Schnarchen Gehör zu verſchaffen. Fumfack hatte eine Liebſchaft.
Die Sache war ſchon älteren Datums. Wahrſcheinlich hatte
er ſich den Sachſengängern nur angeſchloſſen, um die Geliebte
zu bewachen. Eine Vorſicht, die in Anbetracht der außerge¬

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[315/0329] Sie kniete neben ihn nieder und ſtreichelte ihm den ſtruppigen Kopf. Er drehte ihr ſein rotes Geſicht halb zu und ſchlang die Arme um ſie. Er werde ſich ein Leid anthun, ſchwor er, wenn ſie ihn nicht erhöre. „Was willſt De denne?“ fragte ſie, während er ſie mit ſtarkem Arme ſchon halb zu ſich herabgezogen hatte, „Red' nich ſo dumm, Ernſtinel!“ flüſterte er ihr in's Ohr. Und damit lag ſie nur noch halb widerſtrebend neben ihm im Schatten der Strohfeime. Es gab unter den Wanderarbeitern mancherlei Streitig¬ keiten und Ränke, aber auch Zuneigung und Eiferſucht. Guſtav, in ſeiner Stellung als Aufſeher, bekam davon wenig zu merken. Die Liebeleien, die es etwa unter den jungen Leuten geben mochte, wurden vor ihm nach Möglichkeit ver¬ borgen. Die drei männlichen Arbeiter, die nach der Flucht des Polen noch da waren, vertrugen ſich untereinander leidlich. Häſchke hatte durch Anlagen und Erfahrung ſo ſehr die Ober¬ hand, daß ein Aufkommen gegen ihn ausgeſchloſſen war. Welke, der geweſene Stallburſche, war eine harmlos ehrliche Haut. Von den Mädchen wurde er vielfach gehänſelt. Er that ihnen den Gefallen, verlegen zu werden und ſich zu ärgern, was man bei ſeiner hellen Hautfarbe leicht am Rotwerden erkennen konnte. Fumfack, der ehemalige Schmiedegeſelle, war ein großer ungeſchlachter Geſelle, ſtark wie ein Bär, ſchwerfällig, wortkarg. Er war im ſtande einen geſchlagenen Tag zuzubringen, ohne ſeinen Mund zu öffnen, außer zum Eſſen und Gähnen. Des Nachts wußte er ſich um ſo entſchiedener durch furchtbares Schnarchen Gehör zu verſchaffen. Fumfack hatte eine Liebſchaft. Die Sache war ſchon älteren Datums. Wahrſcheinlich hatte er ſich den Sachſengängern nur angeſchloſſen, um die Geliebte zu bewachen. Eine Vorſicht, die in Anbetracht der außerge¬

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/329>, abgerufen am 22.11.2024.