wie man sie bey uns zu machen pflegt. Der Name desjenigen, dem das Buch dedicirt seyn soll, wird nur in der Vorrede erwähnt, nach dem Artikel, welcher eine Lobpreisung Gottes und aller Heiligen enthält. --
Die Perser haben in ihrer Art zu studi- ren viel Sonderbares. Ich will hier etwas weniges davon erzählen, woraus man abneh- men kann, mit wie vielen Dingen sie sich auf einmal zu beschäfftigen pflegen. -- Wenn ein Student zu seinem Lehrer kommt, macht er zuförderst ein devotes Compliment, setzt sich, und sagt kein Wort. Der Lehrer pflegt ihm darauf einen Wink zu geben, wenn er anfan- gen soll. Der Student liest einige Reihen in einem Autor und hört auf zu reden. Ueber das nun, was der Student gelesen hat, hält der Lehrer, nach Art unsrer Professoren auf Akademien, einen langen Discours; hernach wird die Periode nochmals gelesen, und ein anderer fährt denn weiter fort, die folgende Strophe herzulesen, die der Lehrer auf eben die Art behandelt. Und so dauert ein solches Col- legium -- nach unsrer Art zu reden -- oft eine, auch wohl zwey Stunden, je nach dem es dem Lehrer gefällt. Ist die Zeit des Un- terrichts vorbey; so macht der Student seine Verbeugung und legt dabey seine Hand auf den Magen -- welches den größesten Respect ausdrückt -- und im Weggehen begleitet sie der Lehrer mit den Worten: Gott sey mit
euch.
wie man ſie bey uns zu machen pflegt. Der Name desjenigen, dem das Buch dedicirt ſeyn ſoll, wird nur in der Vorrede erwaͤhnt, nach dem Artikel, welcher eine Lobpreiſung Gottes und aller Heiligen enthaͤlt. —
Die Perſer haben in ihrer Art zu ſtudi- ren viel Sonderbares. Ich will hier etwas weniges davon erzaͤhlen, woraus man abneh- men kann, mit wie vielen Dingen ſie ſich auf einmal zu beſchaͤfftigen pflegen. — Wenn ein Student zu ſeinem Lehrer kommt, macht er zufoͤrderſt ein devotes Compliment, ſetzt ſich, und ſagt kein Wort. Der Lehrer pflegt ihm darauf einen Wink zu geben, wenn er anfan- gen ſoll. Der Student lieſt einige Reihen in einem Autor und hoͤrt auf zu reden. Ueber das nun, was der Student geleſen hat, haͤlt der Lehrer, nach Art unſrer Profeſſoren auf Akademien, einen langen Diſcours; hernach wird die Periode nochmals geleſen, und ein anderer faͤhrt denn weiter fort, die folgende Strophe herzuleſen, die der Lehrer auf eben die Art behandelt. Und ſo dauert ein ſolches Col- legium — nach unſrer Art zu reden — oft eine, auch wohl zwey Stunden, je nach dem es dem Lehrer gefaͤllt. Iſt die Zeit des Un- terrichts vorbey; ſo macht der Student ſeine Verbeugung und legt dabey ſeine Hand auf den Magen — welches den groͤßeſten Reſpect ausdruͤckt — und im Weggehen begleitet ſie der Lehrer mit den Worten: Gott ſey mit
euch.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0100"n="80"/>
wie man ſie bey uns zu machen pflegt. Der<lb/>
Name desjenigen, dem das Buch dedicirt ſeyn<lb/>ſoll, wird nur in der Vorrede erwaͤhnt, nach<lb/>
dem Artikel, welcher eine Lobpreiſung Gottes<lb/>
und aller Heiligen enthaͤlt. —</p><lb/><p>Die Perſer haben in ihrer <hirendition="#fr">Art zu ſtudi-<lb/>
ren</hi> viel Sonderbares. Ich will hier etwas<lb/>
weniges davon erzaͤhlen, woraus man abneh-<lb/>
men kann, mit wie vielen Dingen ſie ſich auf<lb/>
einmal zu beſchaͤfftigen pflegen. — Wenn<lb/>
ein Student zu ſeinem Lehrer kommt, macht<lb/>
er zufoͤrderſt ein devotes Compliment, ſetzt ſich,<lb/>
und ſagt kein Wort. Der Lehrer pflegt ihm<lb/>
darauf einen Wink zu geben, wenn er anfan-<lb/>
gen ſoll. Der Student lieſt einige Reihen in<lb/>
einem Autor und hoͤrt auf zu reden. Ueber<lb/>
das nun, was der Student geleſen hat, haͤlt<lb/>
der Lehrer, nach Art unſrer Profeſſoren auf<lb/>
Akademien, einen langen Diſcours; hernach<lb/>
wird die Periode nochmals geleſen, und ein<lb/>
anderer faͤhrt denn weiter fort, die folgende<lb/>
Strophe herzuleſen, die der Lehrer auf eben die<lb/>
Art behandelt. Und ſo dauert ein ſolches Col-<lb/>
legium — nach unſrer Art zu reden — oft<lb/>
eine, auch wohl zwey Stunden, je nach dem<lb/>
es dem Lehrer gefaͤllt. Iſt die Zeit des Un-<lb/>
terrichts vorbey; ſo macht der Student ſeine<lb/>
Verbeugung und legt dabey ſeine Hand auf<lb/>
den Magen — welches den groͤßeſten Reſpect<lb/>
ausdruͤckt — und im Weggehen begleitet ſie<lb/>
der Lehrer mit den Worten: <hirendition="#fr">Gott ſey mit</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">euch.</hi></fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[80/0100]
wie man ſie bey uns zu machen pflegt. Der
Name desjenigen, dem das Buch dedicirt ſeyn
ſoll, wird nur in der Vorrede erwaͤhnt, nach
dem Artikel, welcher eine Lobpreiſung Gottes
und aller Heiligen enthaͤlt. —
Die Perſer haben in ihrer Art zu ſtudi-
ren viel Sonderbares. Ich will hier etwas
weniges davon erzaͤhlen, woraus man abneh-
men kann, mit wie vielen Dingen ſie ſich auf
einmal zu beſchaͤfftigen pflegen. — Wenn
ein Student zu ſeinem Lehrer kommt, macht
er zufoͤrderſt ein devotes Compliment, ſetzt ſich,
und ſagt kein Wort. Der Lehrer pflegt ihm
darauf einen Wink zu geben, wenn er anfan-
gen ſoll. Der Student lieſt einige Reihen in
einem Autor und hoͤrt auf zu reden. Ueber
das nun, was der Student geleſen hat, haͤlt
der Lehrer, nach Art unſrer Profeſſoren auf
Akademien, einen langen Diſcours; hernach
wird die Periode nochmals geleſen, und ein
anderer faͤhrt denn weiter fort, die folgende
Strophe herzuleſen, die der Lehrer auf eben die
Art behandelt. Und ſo dauert ein ſolches Col-
legium — nach unſrer Art zu reden — oft
eine, auch wohl zwey Stunden, je nach dem
es dem Lehrer gefaͤllt. Iſt die Zeit des Un-
terrichts vorbey; ſo macht der Student ſeine
Verbeugung und legt dabey ſeine Hand auf
den Magen — welches den groͤßeſten Reſpect
ausdruͤckt — und im Weggehen begleitet ſie
der Lehrer mit den Worten: Gott ſey mit
euch.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/100>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.