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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776.

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ungemein vieler Freyheit verfaßt, und dürfen
nicht mehr, als höchstens dreyßig Reihen aus-
machen: sie dürfen aber auch nicht unter zwölf
Zeilen seyn. Eine solche Art von Gedichten
nennt man Kasel. Aber doch nicht in allen
solchen Gedichten findet man diese übertriebene
Freyheit. -- Die zweyte Art von Gedichten
heißt Keside. Diese pflegen sie zu gebrau-
chen, wenn sie den Ruhm großer Männer und
Helden der Nachwelt hinterlassen wollen. Ein
solches Stück darf nicht über zweyhundert
Verse groß seyn. Man pflegt in denselben
kleine Erzählungen und Mährchen anzubrin-
gen. Große Gedichte, wo man hinter einan-
der fortlesen muß, werden gar nicht geachtet:
man findet in ihren Büchern wenige, die über
achtzig oder hundert Verse lang sind. Dieß
versteht sich aber nur bloß von den zwey Ar-
ten von Gedichten; denn sie haben auch große
Werke, die ganz aus Poesien bestehen. So
enthält z. E. die Chaname sechs und sechzig
tausend Verse: es ist aber ein Werk, worinn
viele andere Materien mit abgehandelt sind,
und das in viele Kapitel abgetheilt ist. Sie nen-
nen diese großen Werke in ihrer Sprache Di-
van,
welches so viel heißt: als die Ver-
sammlung der Weisen
oder der Alten.

Ihre Gedichte reimen sich, wie die Unsri-
gen; sie haben auch scandirte Verse, wie die
Griechen, Römer u. s. w. und lassen kurze
und lange Sylben mit einander abwechseln.

Ueber-

ungemein vieler Freyheit verfaßt, und duͤrfen
nicht mehr, als hoͤchſtens dreyßig Reihen aus-
machen: ſie duͤrfen aber auch nicht unter zwoͤlf
Zeilen ſeyn. Eine ſolche Art von Gedichten
nennt man Kaſel. Aber doch nicht in allen
ſolchen Gedichten findet man dieſe uͤbertriebene
Freyheit. — Die zweyte Art von Gedichten
heißt Keſide. Dieſe pflegen ſie zu gebrau-
chen, wenn ſie den Ruhm großer Maͤnner und
Helden der Nachwelt hinterlaſſen wollen. Ein
ſolches Stuͤck darf nicht uͤber zweyhundert
Verſe groß ſeyn. Man pflegt in denſelben
kleine Erzaͤhlungen und Maͤhrchen anzubrin-
gen. Große Gedichte, wo man hinter einan-
der fortleſen muß, werden gar nicht geachtet:
man findet in ihren Buͤchern wenige, die uͤber
achtzig oder hundert Verſe lang ſind. Dieß
verſteht ſich aber nur bloß von den zwey Ar-
ten von Gedichten; denn ſie haben auch große
Werke, die ganz aus Poeſien beſtehen. So
enthaͤlt z. E. die Chaname ſechs und ſechzig
tauſend Verſe: es iſt aber ein Werk, worinn
viele andere Materien mit abgehandelt ſind,
und das in viele Kapitel abgetheilt iſt. Sie nen-
nen dieſe großen Werke in ihrer Sprache Di-
van,
welches ſo viel heißt: als die Ver-
ſammlung der Weiſen
oder der Alten.

Ihre Gedichte reimen ſich, wie die Unſri-
gen; ſie haben auch ſcandirte Verſe, wie die
Griechen, Roͤmer u. ſ. w. und laſſen kurze
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[90/0110] ungemein vieler Freyheit verfaßt, und duͤrfen nicht mehr, als hoͤchſtens dreyßig Reihen aus- machen: ſie duͤrfen aber auch nicht unter zwoͤlf Zeilen ſeyn. Eine ſolche Art von Gedichten nennt man Kaſel. Aber doch nicht in allen ſolchen Gedichten findet man dieſe uͤbertriebene Freyheit. — Die zweyte Art von Gedichten heißt Keſide. Dieſe pflegen ſie zu gebrau- chen, wenn ſie den Ruhm großer Maͤnner und Helden der Nachwelt hinterlaſſen wollen. Ein ſolches Stuͤck darf nicht uͤber zweyhundert Verſe groß ſeyn. Man pflegt in denſelben kleine Erzaͤhlungen und Maͤhrchen anzubrin- gen. Große Gedichte, wo man hinter einan- der fortleſen muß, werden gar nicht geachtet: man findet in ihren Buͤchern wenige, die uͤber achtzig oder hundert Verſe lang ſind. Dieß verſteht ſich aber nur bloß von den zwey Ar- ten von Gedichten; denn ſie haben auch große Werke, die ganz aus Poeſien beſtehen. So enthaͤlt z. E. die Chaname ſechs und ſechzig tauſend Verſe: es iſt aber ein Werk, worinn viele andere Materien mit abgehandelt ſind, und das in viele Kapitel abgetheilt iſt. Sie nen- nen dieſe großen Werke in ihrer Sprache Di- van, welches ſo viel heißt: als die Ver- ſammlung der Weiſen oder der Alten. Ihre Gedichte reimen ſich, wie die Unſri- gen; ſie haben auch ſcandirte Verſe, wie die Griechen, Roͤmer u. ſ. w. und laſſen kurze und lange Sylben mit einander abwechſeln. Ueber-

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Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/110>, abgerufen am 21.11.2024.