Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Perser lieben weder die Spatziergänge,
noch auch die Reisen. Das Spatzierengehen
kommt ihnen als eine abgeschmackte Gewohn-
heit der Europäer vor: und die Spatzierenge-
her halten sie für Leute, denen der gemeine
Menschenverstand fehlt. Das Auf- und Ab-
gehen in den Aleen kommt ihnen absurd vor;
denn, sagen sie, warum soll ich nach einen Ort
gehen, ohne da Geschäfte zu haben? -- Viel-
leicht kommt dieß daher, weil sie in einem bes-
sern und gemäßigtern Clima leben, als wir.
Sie haben nicht so viel aufwallendes Blut, als
wir nördlichen Völker. -- In Persien kennt
man das nicht, was wir Motion, (Bewegung)
nennen. Bey dem Stillsitzen befinden sie sich
auch würklich besser, als bey dem vielen Gehen.
Das Frauenzimmer und die Verschnittenen
machen sich überhaupt wenig oder gar keine Be-
wegung; sie sitzen oder liegen beständig, ohne
daß ihre Gesundheit darunter leidet. Die
Mannspersonen hingegen reiten und gehen sel-
ten zu Fuße. Ueberhaupt beschäftigen sie sich
mit den Leibesübungen bloß des Vergnügens
und nicht der Gesundheit wegen.

Das Clima einer jeden Nation ist vermuth-
lich allemal die Hauptursache der Neigungen
und Gebräuche der Menschen. Wenigstens
werden diese durch jene bestimmt.

Zum Reisen haben die Perser gar keinen
Hang. Sie kennen das Vergnügen, welches
das Reisen und die Beobachtung der Sitten

und

Die Perſer lieben weder die Spatziergaͤnge,
noch auch die Reiſen. Das Spatzierengehen
kommt ihnen als eine abgeſchmackte Gewohn-
heit der Europaͤer vor: und die Spatzierenge-
her halten ſie fuͤr Leute, denen der gemeine
Menſchenverſtand fehlt. Das Auf- und Ab-
gehen in den Aleen kommt ihnen abſurd vor;
denn, ſagen ſie, warum ſoll ich nach einen Ort
gehen, ohne da Geſchaͤfte zu haben? — Viel-
leicht kommt dieß daher, weil ſie in einem beſ-
ſern und gemaͤßigtern Clima leben, als wir.
Sie haben nicht ſo viel aufwallendes Blut, als
wir noͤrdlichen Voͤlker. — In Perſien kennt
man das nicht, was wir Motion, (Bewegung)
nennen. Bey dem Stillſitzen befinden ſie ſich
auch wuͤrklich beſſer, als bey dem vielen Gehen.
Das Frauenzimmer und die Verſchnittenen
machen ſich uͤberhaupt wenig oder gar keine Be-
wegung; ſie ſitzen oder liegen beſtaͤndig, ohne
daß ihre Geſundheit darunter leidet. Die
Mannsperſonen hingegen reiten und gehen ſel-
ten zu Fuße. Ueberhaupt beſchaͤftigen ſie ſich
mit den Leibesuͤbungen bloß des Vergnuͤgens
und nicht der Geſundheit wegen.

Das Clima einer jeden Nation iſt vermuth-
lich allemal die Haupturſache der Neigungen
und Gebraͤuche der Menſchen. Wenigſtens
werden dieſe durch jene beſtimmt.

Zum Reiſen haben die Perſer gar keinen
Hang. Sie kennen das Vergnuͤgen, welches
das Reiſen und die Beobachtung der Sitten

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0047" n="27"/>
          <p>Die Per&#x017F;er lieben weder die Spatzierga&#x0364;nge,<lb/>
noch auch die Rei&#x017F;en. Das Spatzierengehen<lb/>
kommt ihnen als eine abge&#x017F;chmackte Gewohn-<lb/>
heit der Europa&#x0364;er vor: und die Spatzierenge-<lb/>
her halten &#x017F;ie fu&#x0364;r Leute, denen der gemeine<lb/>
Men&#x017F;chenver&#x017F;tand fehlt. Das Auf- und Ab-<lb/>
gehen in den Aleen kommt ihnen ab&#x017F;urd vor;<lb/>
denn, &#x017F;agen &#x017F;ie, warum &#x017F;oll ich nach einen Ort<lb/>
gehen, ohne da Ge&#x017F;cha&#x0364;fte zu haben? &#x2014; Viel-<lb/>
leicht kommt dieß daher, weil &#x017F;ie in einem be&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ern und gema&#x0364;ßigtern Clima leben, als wir.<lb/>
Sie haben nicht &#x017F;o viel aufwallendes Blut, als<lb/>
wir no&#x0364;rdlichen Vo&#x0364;lker. &#x2014; In Per&#x017F;ien kennt<lb/>
man das nicht, was wir Motion, (Bewegung)<lb/>
nennen. Bey dem Still&#x017F;itzen befinden &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
auch wu&#x0364;rklich be&#x017F;&#x017F;er, als bey dem vielen Gehen.<lb/>
Das Frauenzimmer und die Ver&#x017F;chnittenen<lb/>
machen &#x017F;ich u&#x0364;berhaupt wenig oder gar keine Be-<lb/>
wegung; &#x017F;ie &#x017F;itzen oder liegen be&#x017F;ta&#x0364;ndig, ohne<lb/>
daß ihre Ge&#x017F;undheit darunter leidet. Die<lb/>
Mannsper&#x017F;onen hingegen reiten und gehen &#x017F;el-<lb/>
ten zu Fuße. Ueberhaupt be&#x017F;cha&#x0364;ftigen &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
mit den Leibesu&#x0364;bungen bloß des Vergnu&#x0364;gens<lb/>
und nicht der Ge&#x017F;undheit wegen.</p><lb/>
          <p>Das Clima einer jeden Nation i&#x017F;t vermuth-<lb/>
lich allemal die Hauptur&#x017F;ache der Neigungen<lb/>
und Gebra&#x0364;uche der Men&#x017F;chen. Wenig&#x017F;tens<lb/>
werden die&#x017F;e durch jene be&#x017F;timmt.</p><lb/>
          <p>Zum <hi rendition="#fr">Rei&#x017F;en</hi> haben die Per&#x017F;er gar keinen<lb/>
Hang. Sie kennen das Vergnu&#x0364;gen, welches<lb/>
das Rei&#x017F;en und die Beobachtung der Sitten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0047] Die Perſer lieben weder die Spatziergaͤnge, noch auch die Reiſen. Das Spatzierengehen kommt ihnen als eine abgeſchmackte Gewohn- heit der Europaͤer vor: und die Spatzierenge- her halten ſie fuͤr Leute, denen der gemeine Menſchenverſtand fehlt. Das Auf- und Ab- gehen in den Aleen kommt ihnen abſurd vor; denn, ſagen ſie, warum ſoll ich nach einen Ort gehen, ohne da Geſchaͤfte zu haben? — Viel- leicht kommt dieß daher, weil ſie in einem beſ- ſern und gemaͤßigtern Clima leben, als wir. Sie haben nicht ſo viel aufwallendes Blut, als wir noͤrdlichen Voͤlker. — In Perſien kennt man das nicht, was wir Motion, (Bewegung) nennen. Bey dem Stillſitzen befinden ſie ſich auch wuͤrklich beſſer, als bey dem vielen Gehen. Das Frauenzimmer und die Verſchnittenen machen ſich uͤberhaupt wenig oder gar keine Be- wegung; ſie ſitzen oder liegen beſtaͤndig, ohne daß ihre Geſundheit darunter leidet. Die Mannsperſonen hingegen reiten und gehen ſel- ten zu Fuße. Ueberhaupt beſchaͤftigen ſie ſich mit den Leibesuͤbungen bloß des Vergnuͤgens und nicht der Geſundheit wegen. Das Clima einer jeden Nation iſt vermuth- lich allemal die Haupturſache der Neigungen und Gebraͤuche der Menſchen. Wenigſtens werden dieſe durch jene beſtimmt. Zum Reiſen haben die Perſer gar keinen Hang. Sie kennen das Vergnuͤgen, welches das Reiſen und die Beobachtung der Sitten und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/47
Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/47>, abgerufen am 21.11.2024.