Die Kameele gehen, eins an des andern Schwanz gebunden, hinter einander her, und die vorder- sten führen. Auf dem ganzen Wege, der ohn- gefähr sechs bis sieben und dreyßig Tage beträgt, werden Verse aus dem Koran gesungen. Die Begierde, diese Pflicht zu erfüllen, ist so groß, daß manche ganz entkräftet hinfallen und unter dem Singen sterben. Zuerst geht die Reise auf den Berg Arat, wo die Pilgrimme einen Theil ihrer Kleider ablegen, und einen weissen Mantel umhängen. Sie gehen in Procession um den Berg herum, und veranstalten hernach ein Schlachtopfer, zum Gedächtniß des Opfers Abrahams. Zwey Tage vorher, ehe sie nach Mecca kommen, legen sie vollends ihre Kleider ab, und machen sich Sohlen an die Füße, um die heilige Erde nicht mit bloßen Füßen zu be- treten.
Auf diese Art bringen sie acht Tage lang sehr eingezogen hin, sie beten unaufhörlich, theilen viele Almosen aus und essen nur des Abends. Nach Verlauf dieser Zeit wird die Reise fortge- setzt, und so bald man, auch in der größesten Entfernung, die Thore der Stadt erblickt, fällt man nieder, und berührt die Erde dreymal mit der Stirne. Man geht nachher, unter Anstimmung geistlicher Gesänge, zu Ehren des Propheten vollends in die Stadt. Die Wall- farth nach dem Kaba dauert nur drey Tage, und derjenige, der zuerst den schwarzen Stein küßt, wird für einen Heiligen gehalten; es muß
aber
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Die Kameele gehen, eins an des andern Schwanz gebunden, hinter einander her, und die vorder- ſten fuͤhren. Auf dem ganzen Wege, der ohn- gefaͤhr ſechs bis ſieben und dreyßig Tage betraͤgt, werden Verſe aus dem Koran geſungen. Die Begierde, dieſe Pflicht zu erfuͤllen, iſt ſo groß, daß manche ganz entkraͤftet hinfallen und unter dem Singen ſterben. Zuerſt geht die Reiſe auf den Berg Arat, wo die Pilgrimme einen Theil ihrer Kleider ablegen, und einen weiſſen Mantel umhaͤngen. Sie gehen in Proceſſion um den Berg herum, und veranſtalten hernach ein Schlachtopfer, zum Gedaͤchtniß des Opfers Abrahams. Zwey Tage vorher, ehe ſie nach Mecca kommen, legen ſie vollends ihre Kleider ab, und machen ſich Sohlen an die Fuͤße, um die heilige Erde nicht mit bloßen Fuͤßen zu be- treten.
Auf dieſe Art bringen ſie acht Tage lang ſehr eingezogen hin, ſie beten unaufhoͤrlich, theilen viele Almoſen aus und eſſen nur des Abends. Nach Verlauf dieſer Zeit wird die Reiſe fortge- ſetzt, und ſo bald man, auch in der groͤßeſten Entfernung, die Thore der Stadt erblickt, faͤllt man nieder, und beruͤhrt die Erde dreymal mit der Stirne. Man geht nachher, unter Anſtimmung geiſtlicher Geſaͤnge, zu Ehren des Propheten vollends in die Stadt. Die Wall- farth nach dem Kaba dauert nur drey Tage, und derjenige, der zuerſt den ſchwarzen Stein kuͤßt, wird fuͤr einen Heiligen gehalten; es muß
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Die Kameele gehen, eins an des andern Schwanz
gebunden, hinter einander her, und die vorder-
ſten fuͤhren. Auf dem ganzen Wege, der ohn-
gefaͤhr ſechs bis ſieben und dreyßig Tage betraͤgt,
werden Verſe aus dem Koran geſungen. Die
Begierde, dieſe Pflicht zu erfuͤllen, iſt ſo groß,
daß manche ganz entkraͤftet hinfallen und unter
dem Singen ſterben. Zuerſt geht die Reiſe
auf den Berg Arat, wo die Pilgrimme einen
Theil ihrer Kleider ablegen, und einen weiſſen
Mantel umhaͤngen. Sie gehen in Proceſſion
um den Berg herum, und veranſtalten hernach
ein Schlachtopfer, zum Gedaͤchtniß des Opfers
Abrahams. Zwey Tage vorher, ehe ſie nach
Mecca kommen, legen ſie vollends ihre Kleider
ab, und machen ſich Sohlen an die Fuͤße, um
die heilige Erde nicht mit bloßen Fuͤßen zu be-
treten.
Auf dieſe Art bringen ſie acht Tage lang ſehr
eingezogen hin, ſie beten unaufhoͤrlich, theilen
viele Almoſen aus und eſſen nur des Abends.
Nach Verlauf dieſer Zeit wird die Reiſe fortge-
ſetzt, und ſo bald man, auch in der groͤßeſten
Entfernung, die Thore der Stadt erblickt,
faͤllt man nieder, und beruͤhrt die Erde dreymal
mit der Stirne. Man geht nachher, unter
Anſtimmung geiſtlicher Geſaͤnge, zu Ehren des
Propheten vollends in die Stadt. Die Wall-
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und derjenige, der zuerſt den ſchwarzen Stein
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/207>, abgerufen am 16.02.2025.
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