Man muß ihn, ehe man ihn gebraucht, an der Sonne durchsieben. Um seine Güte zu erfah- ren, ist es genug, daß man einen Tropfen da- von in ein Gefäß mit Wasser gießt. Wenn er gerade auf den Grund fällt, ohne sich aufzu- lösen -- ist es ein Zeichen, daß er von guter Eigenschaft und nicht vermischt ist. Wenn er aber auf dem Wasser schwimmt, oder wenn seine Theile sich auflösen, so ist er verfälscht, und nur von mittelmäßiger Güte.
Die gemeinen Handwerke sind bey dem Pöbel das Fischen, und bey den, die reich ge- nug dazu sind, die Handlung. Weil aber der auswärtige Handel fast allein in den Händen des Königes ist; so ist bey dem einheimischen kein großer Vortheil. Eben diese Einfalt in der Lebensart, welche eine große Menge Künste für die Siamer unnütz macht, benimmt ihnen auch die Lust zu dem größesten Theile der Waaren, die man in Europa für unentbehrlich hält. In dessen haben sie doch gewisse eingeführ- te Gebräuche im Handel. Beym Geldleihen schreibt allemal ein dritter den Wechsel. Diese Vorsichtigkeit ist bey ihnen schon hinreichend: denn im Falle der Schuldner die Schuld leug- net; so fällt vor Gerichte die Vormuthung allemal gegen ihn, weil er zwey Zeugen, nem- lich den, der die Schuld fodert, und den der den Schein geschrieben hat, wider ihn. -- Im täglichen Handkauf wird Treue und Glauben so fest gehalten, daß weder der Verkäufer das
empfan-
Man muß ihn, ehe man ihn gebraucht, an der Sonne durchſieben. Um ſeine Guͤte zu erfah- ren, iſt es genug, daß man einen Tropfen da- von in ein Gefaͤß mit Waſſer gießt. Wenn er gerade auf den Grund faͤllt, ohne ſich aufzu- loͤſen — iſt es ein Zeichen, daß er von guter Eigenſchaft und nicht vermiſcht iſt. Wenn er aber auf dem Waſſer ſchwimmt, oder wenn ſeine Theile ſich aufloͤſen, ſo iſt er verfaͤlſcht, und nur von mittelmaͤßiger Guͤte.
Die gemeinen Handwerke ſind bey dem Poͤbel das Fiſchen, und bey den, die reich ge- nug dazu ſind, die Handlung. Weil aber der auswaͤrtige Handel faſt allein in den Haͤnden des Koͤniges iſt; ſo iſt bey dem einheimiſchen kein großer Vortheil. Eben dieſe Einfalt in der Lebensart, welche eine große Menge Kuͤnſte fuͤr die Siamer unnuͤtz macht, benimmt ihnen auch die Luſt zu dem groͤßeſten Theile der Waaren, die man in Europa fuͤr unentbehrlich haͤlt. In deſſen haben ſie doch gewiſſe eingefuͤhr- te Gebraͤuche im Handel. Beym Geldleihen ſchreibt allemal ein dritter den Wechſel. Dieſe Vorſichtigkeit iſt bey ihnen ſchon hinreichend: denn im Falle der Schuldner die Schuld leug- net; ſo faͤllt vor Gerichte die Vormuthung allemal gegen ihn, weil er zwey Zeugen, nem- lich den, der die Schuld fodert, und den der den Schein geſchrieben hat, wider ihn. — Im taͤglichen Handkauf wird Treue und Glauben ſo feſt gehalten, daß weder der Verkaͤufer das
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Man muß ihn, ehe man ihn gebraucht, an der
Sonne durchſieben. Um ſeine Guͤte zu erfah-
ren, iſt es genug, daß man einen Tropfen da-
von in ein Gefaͤß mit Waſſer gießt. Wenn er
gerade auf den Grund faͤllt, ohne ſich aufzu-
loͤſen — iſt es ein Zeichen, daß er von guter
Eigenſchaft und nicht vermiſcht iſt. Wenn er
aber auf dem Waſſer ſchwimmt, oder wenn
ſeine Theile ſich aufloͤſen, ſo iſt er verfaͤlſcht,
und nur von mittelmaͤßiger Guͤte.
Die gemeinen Handwerke ſind bey dem
Poͤbel das Fiſchen, und bey den, die reich ge-
nug dazu ſind, die Handlung. Weil aber der
auswaͤrtige Handel faſt allein in den Haͤnden
des Koͤniges iſt; ſo iſt bey dem einheimiſchen
kein großer Vortheil. Eben dieſe Einfalt
in der Lebensart, welche eine große Menge
Kuͤnſte fuͤr die Siamer unnuͤtz macht, benimmt
ihnen auch die Luſt zu dem groͤßeſten Theile der
Waaren, die man in Europa fuͤr unentbehrlich
haͤlt. In deſſen haben ſie doch gewiſſe eingefuͤhr-
te Gebraͤuche im Handel. Beym Geldleihen
ſchreibt allemal ein dritter den Wechſel. Dieſe
Vorſichtigkeit iſt bey ihnen ſchon hinreichend:
denn im Falle der Schuldner die Schuld leug-
net; ſo faͤllt vor Gerichte die Vormuthung
allemal gegen ihn, weil er zwey Zeugen, nem-
lich den, der die Schuld fodert, und den der
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/345>, abgerufen am 22.11.2024.
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