Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

sache begegnen sie Personen von hohem Stande,
oder erhabener Geburt mit so großer Ehrerbie-
tung; denn nach ihrer Meynung sind sie zu
dem Götter- oder Heiligenstande bestimmt, den
sie durch ihre gute Werke zu verdienen bereits
angefangen haben. Diejenigen, deren Seelen
aus den Leibern der Thiere kommen, sind nicht
so vollkommen, und werden zur Armuth zur
Sclaverey und zu andern Unglückfällen gebo-
ren. Dennoch aber sind sie besser als diejenigen,
die eine Seele aus der Hölle bekommen. Was
diejenigen betrift, deren Seelen aus der Hölle
kommen, so sind sie das Spiel der schändlich-
sten und traurigsten Leidenschaften, und ihr
ganzes Leben ist weiter nichts, als ein Gewebe
von Lastern und Unglücksfällen.

Jede tugendhafte Handlung wird im Him-
mel belohnt, und jede Gottlosigkeit wird in der
Hölle bestraft. Wenn ein Mensch auf der
Erde stirbt, so erhält er im Himmel ein neues
Leben, und genießt so viel Glückseligkeit, als
seine guten Werke verdienen. Ist aber die Zeit
seiner Belohnung verstrichen, so stirbt er im
Himmel, und wird in der Hölle geboren, im
Fall er eine schwere Sünde auf sich hat. Hat
aber sein Verbrechen nicht viel zu bedeuten; so
kommt er nur in Gestalt eines Thieres auf
unsre Welt, und wird mit der Zeit, wenn er
dafür gebüßt hat, wieder zum Menschen. Dieß
ist die Auslegung, welche die Talapoinen von
der Seelenwanderung, als ein Hauptstück ihrer

Religion,

ſache begegnen ſie Perſonen von hohem Stande,
oder erhabener Geburt mit ſo großer Ehrerbie-
tung; denn nach ihrer Meynung ſind ſie zu
dem Goͤtter- oder Heiligenſtande beſtimmt, den
ſie durch ihre gute Werke zu verdienen bereits
angefangen haben. Diejenigen, deren Seelen
aus den Leibern der Thiere kommen, ſind nicht
ſo vollkommen, und werden zur Armuth zur
Sclaverey und zu andern Ungluͤckfaͤllen gebo-
ren. Dennoch aber ſind ſie beſſer als diejenigen,
die eine Seele aus der Hoͤlle bekommen. Was
diejenigen betrift, deren Seelen aus der Hoͤlle
kommen, ſo ſind ſie das Spiel der ſchaͤndlich-
ſten und traurigſten Leidenſchaften, und ihr
ganzes Leben iſt weiter nichts, als ein Gewebe
von Laſtern und Ungluͤcksfaͤllen.

Jede tugendhafte Handlung wird im Him-
mel belohnt, und jede Gottloſigkeit wird in der
Hoͤlle beſtraft. Wenn ein Menſch auf der
Erde ſtirbt, ſo erhaͤlt er im Himmel ein neues
Leben, und genießt ſo viel Gluͤckſeligkeit, als
ſeine guten Werke verdienen. Iſt aber die Zeit
ſeiner Belohnung verſtrichen, ſo ſtirbt er im
Himmel, und wird in der Hoͤlle geboren, im
Fall er eine ſchwere Suͤnde auf ſich hat. Hat
aber ſein Verbrechen nicht viel zu bedeuten; ſo
kommt er nur in Geſtalt eines Thieres auf
unſre Welt, und wird mit der Zeit, wenn er
dafuͤr gebuͤßt hat, wieder zum Menſchen. Dieß
iſt die Auslegung, welche die Talapoinen von
der Seelenwanderung, als ein Hauptſtuͤck ihrer

Religion,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0372" n="346"/>
&#x017F;ache begegnen &#x017F;ie Per&#x017F;onen von hohem Stande,<lb/>
oder erhabener Geburt mit &#x017F;o großer Ehrerbie-<lb/>
tung; denn nach ihrer Meynung &#x017F;ind &#x017F;ie zu<lb/>
dem Go&#x0364;tter- oder Heiligen&#x017F;tande be&#x017F;timmt, den<lb/>
&#x017F;ie durch ihre gute Werke zu verdienen bereits<lb/>
angefangen haben. Diejenigen, deren Seelen<lb/>
aus den Leibern der Thiere kommen, &#x017F;ind nicht<lb/>
&#x017F;o vollkommen, und werden zur Armuth zur<lb/>
Sclaverey und zu andern Unglu&#x0364;ckfa&#x0364;llen gebo-<lb/>
ren. Dennoch aber &#x017F;ind &#x017F;ie be&#x017F;&#x017F;er als diejenigen,<lb/>
die eine Seele aus der Ho&#x0364;lle bekommen. Was<lb/>
diejenigen betrift, deren Seelen aus der Ho&#x0364;lle<lb/>
kommen, &#x017F;o &#x017F;ind &#x017F;ie das Spiel der &#x017F;cha&#x0364;ndlich-<lb/>
&#x017F;ten und traurig&#x017F;ten Leiden&#x017F;chaften, und ihr<lb/>
ganzes Leben i&#x017F;t weiter nichts, als ein Gewebe<lb/>
von La&#x017F;tern und Unglu&#x0364;cksfa&#x0364;llen.</p><lb/>
          <p>Jede tugendhafte Handlung wird im Him-<lb/>
mel belohnt, und jede Gottlo&#x017F;igkeit wird in der<lb/>
Ho&#x0364;lle be&#x017F;traft. Wenn ein Men&#x017F;ch auf der<lb/>
Erde &#x017F;tirbt, &#x017F;o erha&#x0364;lt er im Himmel ein neues<lb/>
Leben, und genießt &#x017F;o viel Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit, als<lb/>
&#x017F;eine guten Werke verdienen. I&#x017F;t aber die Zeit<lb/>
&#x017F;einer Belohnung ver&#x017F;trichen, &#x017F;o &#x017F;tirbt er im<lb/>
Himmel, und wird in der Ho&#x0364;lle geboren, im<lb/>
Fall er eine &#x017F;chwere Su&#x0364;nde auf &#x017F;ich hat. Hat<lb/>
aber &#x017F;ein Verbrechen nicht viel zu bedeuten; &#x017F;o<lb/>
kommt er nur in Ge&#x017F;talt eines Thieres auf<lb/>
un&#x017F;re Welt, und wird mit der Zeit, wenn er<lb/>
dafu&#x0364;r gebu&#x0364;ßt hat, wieder zum Men&#x017F;chen. Dieß<lb/>
i&#x017F;t die Auslegung, welche die Talapoinen von<lb/>
der Seelenwanderung, als ein Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck ihrer<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Religion,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[346/0372] ſache begegnen ſie Perſonen von hohem Stande, oder erhabener Geburt mit ſo großer Ehrerbie- tung; denn nach ihrer Meynung ſind ſie zu dem Goͤtter- oder Heiligenſtande beſtimmt, den ſie durch ihre gute Werke zu verdienen bereits angefangen haben. Diejenigen, deren Seelen aus den Leibern der Thiere kommen, ſind nicht ſo vollkommen, und werden zur Armuth zur Sclaverey und zu andern Ungluͤckfaͤllen gebo- ren. Dennoch aber ſind ſie beſſer als diejenigen, die eine Seele aus der Hoͤlle bekommen. Was diejenigen betrift, deren Seelen aus der Hoͤlle kommen, ſo ſind ſie das Spiel der ſchaͤndlich- ſten und traurigſten Leidenſchaften, und ihr ganzes Leben iſt weiter nichts, als ein Gewebe von Laſtern und Ungluͤcksfaͤllen. Jede tugendhafte Handlung wird im Him- mel belohnt, und jede Gottloſigkeit wird in der Hoͤlle beſtraft. Wenn ein Menſch auf der Erde ſtirbt, ſo erhaͤlt er im Himmel ein neues Leben, und genießt ſo viel Gluͤckſeligkeit, als ſeine guten Werke verdienen. Iſt aber die Zeit ſeiner Belohnung verſtrichen, ſo ſtirbt er im Himmel, und wird in der Hoͤlle geboren, im Fall er eine ſchwere Suͤnde auf ſich hat. Hat aber ſein Verbrechen nicht viel zu bedeuten; ſo kommt er nur in Geſtalt eines Thieres auf unſre Welt, und wird mit der Zeit, wenn er dafuͤr gebuͤßt hat, wieder zum Menſchen. Dieß iſt die Auslegung, welche die Talapoinen von der Seelenwanderung, als ein Hauptſtuͤck ihrer Religion,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/372
Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/372>, abgerufen am 22.11.2024.