sache begegnen sie Personen von hohem Stande, oder erhabener Geburt mit so großer Ehrerbie- tung; denn nach ihrer Meynung sind sie zu dem Götter- oder Heiligenstande bestimmt, den sie durch ihre gute Werke zu verdienen bereits angefangen haben. Diejenigen, deren Seelen aus den Leibern der Thiere kommen, sind nicht so vollkommen, und werden zur Armuth zur Sclaverey und zu andern Unglückfällen gebo- ren. Dennoch aber sind sie besser als diejenigen, die eine Seele aus der Hölle bekommen. Was diejenigen betrift, deren Seelen aus der Hölle kommen, so sind sie das Spiel der schändlich- sten und traurigsten Leidenschaften, und ihr ganzes Leben ist weiter nichts, als ein Gewebe von Lastern und Unglücksfällen.
Jede tugendhafte Handlung wird im Him- mel belohnt, und jede Gottlosigkeit wird in der Hölle bestraft. Wenn ein Mensch auf der Erde stirbt, so erhält er im Himmel ein neues Leben, und genießt so viel Glückseligkeit, als seine guten Werke verdienen. Ist aber die Zeit seiner Belohnung verstrichen, so stirbt er im Himmel, und wird in der Hölle geboren, im Fall er eine schwere Sünde auf sich hat. Hat aber sein Verbrechen nicht viel zu bedeuten; so kommt er nur in Gestalt eines Thieres auf unsre Welt, und wird mit der Zeit, wenn er dafür gebüßt hat, wieder zum Menschen. Dieß ist die Auslegung, welche die Talapoinen von der Seelenwanderung, als ein Hauptstück ihrer
Religion,
ſache begegnen ſie Perſonen von hohem Stande, oder erhabener Geburt mit ſo großer Ehrerbie- tung; denn nach ihrer Meynung ſind ſie zu dem Goͤtter- oder Heiligenſtande beſtimmt, den ſie durch ihre gute Werke zu verdienen bereits angefangen haben. Diejenigen, deren Seelen aus den Leibern der Thiere kommen, ſind nicht ſo vollkommen, und werden zur Armuth zur Sclaverey und zu andern Ungluͤckfaͤllen gebo- ren. Dennoch aber ſind ſie beſſer als diejenigen, die eine Seele aus der Hoͤlle bekommen. Was diejenigen betrift, deren Seelen aus der Hoͤlle kommen, ſo ſind ſie das Spiel der ſchaͤndlich- ſten und traurigſten Leidenſchaften, und ihr ganzes Leben iſt weiter nichts, als ein Gewebe von Laſtern und Ungluͤcksfaͤllen.
Jede tugendhafte Handlung wird im Him- mel belohnt, und jede Gottloſigkeit wird in der Hoͤlle beſtraft. Wenn ein Menſch auf der Erde ſtirbt, ſo erhaͤlt er im Himmel ein neues Leben, und genießt ſo viel Gluͤckſeligkeit, als ſeine guten Werke verdienen. Iſt aber die Zeit ſeiner Belohnung verſtrichen, ſo ſtirbt er im Himmel, und wird in der Hoͤlle geboren, im Fall er eine ſchwere Suͤnde auf ſich hat. Hat aber ſein Verbrechen nicht viel zu bedeuten; ſo kommt er nur in Geſtalt eines Thieres auf unſre Welt, und wird mit der Zeit, wenn er dafuͤr gebuͤßt hat, wieder zum Menſchen. Dieß iſt die Auslegung, welche die Talapoinen von der Seelenwanderung, als ein Hauptſtuͤck ihrer
Religion,
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ſache begegnen ſie Perſonen von hohem Stande,
oder erhabener Geburt mit ſo großer Ehrerbie-
tung; denn nach ihrer Meynung ſind ſie zu
dem Goͤtter- oder Heiligenſtande beſtimmt, den
ſie durch ihre gute Werke zu verdienen bereits
angefangen haben. Diejenigen, deren Seelen
aus den Leibern der Thiere kommen, ſind nicht
ſo vollkommen, und werden zur Armuth zur
Sclaverey und zu andern Ungluͤckfaͤllen gebo-
ren. Dennoch aber ſind ſie beſſer als diejenigen,
die eine Seele aus der Hoͤlle bekommen. Was
diejenigen betrift, deren Seelen aus der Hoͤlle
kommen, ſo ſind ſie das Spiel der ſchaͤndlich-
ſten und traurigſten Leidenſchaften, und ihr
ganzes Leben iſt weiter nichts, als ein Gewebe
von Laſtern und Ungluͤcksfaͤllen.
Jede tugendhafte Handlung wird im Him-
mel belohnt, und jede Gottloſigkeit wird in der
Hoͤlle beſtraft. Wenn ein Menſch auf der
Erde ſtirbt, ſo erhaͤlt er im Himmel ein neues
Leben, und genießt ſo viel Gluͤckſeligkeit, als
ſeine guten Werke verdienen. Iſt aber die Zeit
ſeiner Belohnung verſtrichen, ſo ſtirbt er im
Himmel, und wird in der Hoͤlle geboren, im
Fall er eine ſchwere Suͤnde auf ſich hat. Hat
aber ſein Verbrechen nicht viel zu bedeuten; ſo
kommt er nur in Geſtalt eines Thieres auf
unſre Welt, und wird mit der Zeit, wenn er
dafuͤr gebuͤßt hat, wieder zum Menſchen. Dieß
iſt die Auslegung, welche die Talapoinen von
der Seelenwanderung, als ein Hauptſtuͤck ihrer
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/372>, abgerufen am 22.11.2024.
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