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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777.

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Geschöpfe, angelegt habe. Wenn sie sehen,
daß jemand etwa einen kranken Ochsen hat, so
bitten sie ihn, daß er ihnen den Ochsen zur
Pflege ausliefern möchte, und geben ihm dafür
so viel, wie er verlangt. -- Die Baniyanen
richten auch jährlich einmal ein großes Gastmal
für alle in ihren Häusern befindliche Fliegen von
süßer Milch und Zucker in großen flachen Schüs-
seln an, die sie auf die Tische herumsetzen. Zu-
weilen gehen sie mit Reissäcken unter dem Arme
einige Meilen ins Land hinein, stehen bey jedem
Ameisenhaufen stille, und legen eine Handvoll
Reis darauf. Am aller seltsamsten ist die Sor-
ge, welche sie für die Erhaltung der Flöhe,
Wanzen und anderer Thiere beweisen, die das
Blut wegsaugen. -- Ovingtons (voy. to
Surat.)
erzählt, daß in einem Hospital, welches
zur Pflege solcher Thiere erbaut ist, zuweilen
ein armer Mann gemiethet werde, der die gan-
ze Nacht auf dem Kothe liegen müsse, worinn
sich das Ungeziefer befände; und damit dieser
Mann durch ihr Stechen nicht gezwungen wer-
den möchte, vor Tage davon zu laufen; -- so
werde er an dem Orte angebunden, damit sich
die Thierchens an dem Menschenblute recht säti-
gen könnten. Diese Erzählung scheint wohl
nicht unrichtig zu seyn, denn es läßt sich mit
ihrer übertriebenen Hochachtung für die Thiere
sehr wohl reimen, zumal wenn man noch weiß,
daß sie die Thiere manchmal ankleiden, und ei-
ner Lieblingskuh oft große metallene Ringe an

die
A a 5

Geſchoͤpfe, angelegt habe. Wenn ſie ſehen,
daß jemand etwa einen kranken Ochſen hat, ſo
bitten ſie ihn, daß er ihnen den Ochſen zur
Pflege ausliefern moͤchte, und geben ihm dafuͤr
ſo viel, wie er verlangt. — Die Baniyanen
richten auch jaͤhrlich einmal ein großes Gaſtmal
fuͤr alle in ihren Haͤuſern befindliche Fliegen von
ſuͤßer Milch und Zucker in großen flachen Schuͤſ-
ſeln an, die ſie auf die Tiſche herumſetzen. Zu-
weilen gehen ſie mit Reisſaͤcken unter dem Arme
einige Meilen ins Land hinein, ſtehen bey jedem
Ameiſenhaufen ſtille, und legen eine Handvoll
Reis darauf. Am aller ſeltſamſten iſt die Sor-
ge, welche ſie fuͤr die Erhaltung der Floͤhe,
Wanzen und anderer Thiere beweiſen, die das
Blut wegſaugen. — Ovingtons (voy. to
Surat.)
erzaͤhlt, daß in einem Hoſpital, welches
zur Pflege ſolcher Thiere erbaut iſt, zuweilen
ein armer Mann gemiethet werde, der die gan-
ze Nacht auf dem Kothe liegen muͤſſe, worinn
ſich das Ungeziefer befaͤnde; und damit dieſer
Mann durch ihr Stechen nicht gezwungen wer-
den moͤchte, vor Tage davon zu laufen; — ſo
werde er an dem Orte angebunden, damit ſich
die Thierchens an dem Menſchenblute recht ſaͤti-
gen koͤnnten. Dieſe Erzaͤhlung ſcheint wohl
nicht unrichtig zu ſeyn, denn es laͤßt ſich mit
ihrer uͤbertriebenen Hochachtung fuͤr die Thiere
ſehr wohl reimen, zumal wenn man noch weiß,
daß ſie die Thiere manchmal ankleiden, und ei-
ner Lieblingskuh oft große metallene Ringe an

die
A a 5
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[377/0403] Geſchoͤpfe, angelegt habe. Wenn ſie ſehen, daß jemand etwa einen kranken Ochſen hat, ſo bitten ſie ihn, daß er ihnen den Ochſen zur Pflege ausliefern moͤchte, und geben ihm dafuͤr ſo viel, wie er verlangt. — Die Baniyanen richten auch jaͤhrlich einmal ein großes Gaſtmal fuͤr alle in ihren Haͤuſern befindliche Fliegen von ſuͤßer Milch und Zucker in großen flachen Schuͤſ- ſeln an, die ſie auf die Tiſche herumſetzen. Zu- weilen gehen ſie mit Reisſaͤcken unter dem Arme einige Meilen ins Land hinein, ſtehen bey jedem Ameiſenhaufen ſtille, und legen eine Handvoll Reis darauf. Am aller ſeltſamſten iſt die Sor- ge, welche ſie fuͤr die Erhaltung der Floͤhe, Wanzen und anderer Thiere beweiſen, die das Blut wegſaugen. — Ovingtons (voy. to Surat.) erzaͤhlt, daß in einem Hoſpital, welches zur Pflege ſolcher Thiere erbaut iſt, zuweilen ein armer Mann gemiethet werde, der die gan- ze Nacht auf dem Kothe liegen muͤſſe, worinn ſich das Ungeziefer befaͤnde; und damit dieſer Mann durch ihr Stechen nicht gezwungen wer- den moͤchte, vor Tage davon zu laufen; — ſo werde er an dem Orte angebunden, damit ſich die Thierchens an dem Menſchenblute recht ſaͤti- gen koͤnnten. Dieſe Erzaͤhlung ſcheint wohl nicht unrichtig zu ſeyn, denn es laͤßt ſich mit ihrer uͤbertriebenen Hochachtung fuͤr die Thiere ſehr wohl reimen, zumal wenn man noch weiß, daß ſie die Thiere manchmal ankleiden, und ei- ner Lieblingskuh oft große metallene Ringe an die A a 5

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Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/403>, abgerufen am 16.06.2024.