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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777.

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daß sein Tod unvermeidlich ist, an das Ufer
eines Flusses, setzen zuförderst seine Füße ins
Wasser, und lassen ihn nachgehens bis an die
Kehle herunter fallen. Wenn sie sehen, daß
er sterben will, so lassen sie ihn ganz unter das
Wasser sinken, erheben ein gewaltiges Geschrey,
und klatschen dabey mit ihren Händen. Diese
Begräbnißart ist sehr unmenschlich; sie führen
aber folgenden Grund dafür an: "damit die
Seele bey Verlassung des Leibes von allen den
Unreinigkeiten möchte abgewaschen werden, die
sie vielleicht während ihres Aufenthalts in den-
selben angenommen.

Seitdem man die Gesetze wegen Verbren-
nung der Todten gemacht hat, scheint es zur
Mode geworden zu seyn, daß die Wittwen dem
Leichnam ihres Mannes in dem Begräbnißfeuer
Gesellschaft leisten. Diejenigen, welche von
den Verstorbenen beschlafen worden, heyrathen
nicht zum zweytenmale. Weil sie aber ihre
Haare abschneiden, und den Rest ihres Lebens
als verachtete Geschöpfe hinbringen müssen,
so verbrennen sie sich lieber, sowohl um dieser Be-
schimpfung zu entgehen, als auch aus Liebe gegen
ihre Männer. Ueberhaupt aber wird hierzu nie-
mand gezwungen, ausgenommen, wenn ein
vornehmer Herr stirbt. Alsdann nöthigt man
seine Weiber, sich zu verbrennen, blos um das
Begräbniß dadurch zu zieren. Zuweilen macht
es die Frau mit ihrem Manne aus, ihm auf

dem
B b 4

daß ſein Tod unvermeidlich iſt, an das Ufer
eines Fluſſes, ſetzen zufoͤrderſt ſeine Fuͤße ins
Waſſer, und laſſen ihn nachgehens bis an die
Kehle herunter fallen. Wenn ſie ſehen, daß
er ſterben will, ſo laſſen ſie ihn ganz unter das
Waſſer ſinken, erheben ein gewaltiges Geſchrey,
und klatſchen dabey mit ihren Haͤnden. Dieſe
Begraͤbnißart iſt ſehr unmenſchlich; ſie fuͤhren
aber folgenden Grund dafuͤr an: „damit die
Seele bey Verlaſſung des Leibes von allen den
Unreinigkeiten moͤchte abgewaſchen werden, die
ſie vielleicht waͤhrend ihres Aufenthalts in den-
ſelben angenommen.

Seitdem man die Geſetze wegen Verbren-
nung der Todten gemacht hat, ſcheint es zur
Mode geworden zu ſeyn, daß die Wittwen dem
Leichnam ihres Mannes in dem Begraͤbnißfeuer
Geſellſchaft leiſten. Diejenigen, welche von
den Verſtorbenen beſchlafen worden, heyrathen
nicht zum zweytenmale. Weil ſie aber ihre
Haare abſchneiden, und den Reſt ihres Lebens
als verachtete Geſchoͤpfe hinbringen muͤſſen,
ſo verbrennen ſie ſich lieber, ſowohl um dieſer Be-
ſchimpfung zu entgehen, als auch aus Liebe gegen
ihre Maͤnner. Ueberhaupt aber wird hierzu nie-
mand gezwungen, ausgenommen, wenn ein
vornehmer Herr ſtirbt. Alsdann noͤthigt man
ſeine Weiber, ſich zu verbrennen, blos um das
Begraͤbniß dadurch zu zieren. Zuweilen macht
es die Frau mit ihrem Manne aus, ihm auf

dem
B b 4
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[391/0417] daß ſein Tod unvermeidlich iſt, an das Ufer eines Fluſſes, ſetzen zufoͤrderſt ſeine Fuͤße ins Waſſer, und laſſen ihn nachgehens bis an die Kehle herunter fallen. Wenn ſie ſehen, daß er ſterben will, ſo laſſen ſie ihn ganz unter das Waſſer ſinken, erheben ein gewaltiges Geſchrey, und klatſchen dabey mit ihren Haͤnden. Dieſe Begraͤbnißart iſt ſehr unmenſchlich; ſie fuͤhren aber folgenden Grund dafuͤr an: „damit die Seele bey Verlaſſung des Leibes von allen den Unreinigkeiten moͤchte abgewaſchen werden, die ſie vielleicht waͤhrend ihres Aufenthalts in den- ſelben angenommen. Seitdem man die Geſetze wegen Verbren- nung der Todten gemacht hat, ſcheint es zur Mode geworden zu ſeyn, daß die Wittwen dem Leichnam ihres Mannes in dem Begraͤbnißfeuer Geſellſchaft leiſten. Diejenigen, welche von den Verſtorbenen beſchlafen worden, heyrathen nicht zum zweytenmale. Weil ſie aber ihre Haare abſchneiden, und den Reſt ihres Lebens als verachtete Geſchoͤpfe hinbringen muͤſſen, ſo verbrennen ſie ſich lieber, ſowohl um dieſer Be- ſchimpfung zu entgehen, als auch aus Liebe gegen ihre Maͤnner. Ueberhaupt aber wird hierzu nie- mand gezwungen, ausgenommen, wenn ein vornehmer Herr ſtirbt. Alsdann noͤthigt man ſeine Weiber, ſich zu verbrennen, blos um das Begraͤbniß dadurch zu zieren. Zuweilen macht es die Frau mit ihrem Manne aus, ihm auf dem B b 4

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Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/417>, abgerufen am 22.11.2024.